
Der Lüner Arno Albrecht hat sich zum Thema Abwassergebühren schon mehrfach mit dem Städtischen Abwasserbetrieb Lünen auseinandergesetzt. © Maximilian Konrad
Abwassergebühren: Arno Albrecht wirft Stadt Lünen Untätigkeit vor
Verbraucher in Lünen
Zahlen Lüner zu hohe Abwassergebühren? Arno Albrecht legte mit Bezug auf ein aktuelles Gerichtsurteil Widerspruch gegen die Bescheide der Stadtbetriebe ein. Doch die lehnten wiederholt ab.
Eine Mischung aus frustriert, verärgert und großem Ungerechtigkeitsempfinden: So lässt sich die Gefühlslage von Arno Albrecht momentan beschreiben. Der 61-Jährige aus Lünen hat gegenüber dem Städtischen Abwasserbetrieb (SAL) mehrfach Widerspruch gegen den Bescheid zu den Abwassergebühren eingelegt. Das Resultat war jedoch immer dasselbe. Eine Ablehnung folgte der nächsten.
Sein Kritikpunkt: die Berechnung und die Höhe von kalkulatorischen Zinsen. „Im seit vielen Jahren anhaltenden Niedrigzinsumfeld halte ich den Zinssatz zumindest der Höhe nach nicht für gerechtfertigt“, formuliert er in seinem Schreiben an das städtische Unternehmen.
Gericht kippt jahrzehntealte Rechtsprechung
Seinen Standpunkt untermauert er mit einem Musterverfahren, das im Mai dieses Jahres in ein Urteil mit großer Strahlkraft mündete: Der 9. Senat des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) hatte eine jahrzehntealte Rechtsprechung des eigenen Hauses gekippt.
In einem Verfahren gegen die Stadt Oer-Erkenschwick entschied das Gericht, dass die Stadt aus dem nördlichen Ruhrgebiet zu hohe Abwassergebühren berechnet hatte – und zwar um rund 18 Prozent. Die Richter stellten klar, dass bei den Berechnungen der Gebühren – und damit den anfallenden Kosten für den Betrieb der Abwasser-Kanäle – mit einem zu hohen Zinssatz gearbeitet und der Inflationsausgleich doppelt berechnet worden sei.
„Stadt sollte Gebühren zurückzahlen“
In konkreten Zahlen heißt das: Im Fall von Oer-Erkenschwick lag der berechnete Zinssatz bei 6,25 Prozent. Das OVG entschied dagegen, dass knapp 2,5 Prozent angemessen seien. Unter anderem, weil bei der Berechnung nicht der Durchschnitt der vergangenen 50 Jahre bei den Zinsen zugrunde gelegt werden dürfe, sondern nur die letzten 10 Jahre.

Abwasser-Gebührenbescheide der Kommunen sorgen bei Verbrauchern immer wieder für Ärger. © picture alliance/dpa
In Anbetracht dieser Entwicklung sagt Arno Albrecht: „Wenn die Stadt über Jahre den Fehler gemacht und zu hohe Gebühren verlangt hat, ist das nicht rechtens. Daher sollte die Stadt auf die Bürger zugehen und die zu viel verlangten Gebühren zurückzahlen.“
Gang vor Verwaltungsgericht wäre „Schwachsinn“ gewesen
Die Widersprüche, die Albrecht im vergangenen und in diesem Jahr gegen die Abwassergebühren eingelegt hatte, wurden mit ausführlichen Erläuterungen abgelehnt. Detailliert wurde erklärt, wie die kalkulatorischen Zinsen zustande gekommen seien (Die Schreiben des Städtischen Abwasserbetriebs liegen der Redaktion vor). Ein Teil der Begründung: eine Bezugnahme auf die bereits weiter oben erwähnten 50 Jahre als Berechnungszeitraum – aber genau dies wurde nun vom Oberverwaltungsgericht gekippt.
Gegen die Ablehnung des Widerspruchs hätte Albrecht, der seit 1999 mit seiner Frau in Lünen lebt, klagen können, aber den Gang vor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen empfand er als „Schwachsinn“. „Ich wusste ja schon, dass ein ähnliches Verfahren parallel läuft. Daher hätte eine Klage keinen Sinn ergeben.“
Was den 61-Jährigen zudem ärgert: Er hatte einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens gestellt, um nach dem Urteil des OVG eine bessere Einschätzung seiner Sachlage zu haben. Aber auch dieses Vorhaben wies der Städtische Abwasserbetrieb zurück.
„Warum geht die Stadt so mit ihren Fehlern und ihren Bürgern um?“
Im Anschluss an das OVG-Urteil ging der Lüner auch gegen die Gebührenbescheide aus den Jahren 2017 bis 2020 vor. Hier beschied der städtische Abwasserbetrieb jedoch, dass die Widerspruchsfrist nicht gewahrt sei.
Arno Albrecht ärgert das gesamte Vorgehen. Er sagt: „Mit diesem raffinierten Vorgehen muss der SAL rückwirkend keine Erstattungen vornehmen. Warum geht eine Stadt so mit ihren Fehlern und ihren Bürgern um?“
Unabhängig davon rät der Bund der Steuerzahler in NRW bei bereits rechtskräftigen Gebührenbescheiden, gegen die bislang kein Widerspruch eingelegt wurde, dennoch einen Antrag auf Rücknahme zu stellen.
Info
- Der Bund der Steuerzahler in NRW erläutert auf seiner Internetseite ausführlich, welche Folgen das Urteil für Hausbesitzer und Mieter hat – je nachdem, ob sie Widerspruch eingelegt hatten oder nicht.
Gebürtiger Brandenburger. Hat Evangelische Theologie studiert. Wollte aber schon von klein auf Journalist werden, weil er stets neugierig war und nervige Fragen stellte. Arbeitet gern an verbrauchernahen Themen, damit die Leute da draußen besser informiert sind.
