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Abrechnungsaffäre: AfD verteidigt Grünen-Politiker, Seitenhieb auf CDU
Verdienstausfall-Zahlungen
Weil er als ehrenamtlicher Politiker auffallend hohe Beträge als Verdienstausfall geltend machte, steht Timon Lütschen (Grüne) in der Kritik. Nun kommt Rückendeckung von unerwarteter Stelle.
Eine Schmähkampagne AfD-naher Kreise gegen die Grünen im Bundestagswahlkampf liegt noch nicht lange zurück. In vielen Städten waren Anti-Grünen-Plakate zu sehen. Gerne unter der Gürtellinie ausgeteilt gegen die Grünen wird auch beim AfD-Kreisverband Unna, wie sich erst kürzlich auf dessen Facebook-Seite zeigte.
Die rechte bis rechtsradikale Partei teilte am 22. November einen Beitrag eines AfD-nahen Vereins, dessen Vorsitzender auch mit der Schmähkampagne des Wahlkampfs in Verbindung steht. Zu sehen ist in dem Beitrag der bayerische Grünen-Politiker Anton Hofreiter. In den Kommentarspalten macht sich unter anderem Kreisvorstandsmitglied Hans-Otto Dinse über Hofreiter lustig.
Während sich AfD-Politiker üblicherweise an den Grünen abarbeiten, fällt der frühere Bundestagskandidat, Kamener AfD-Ratsherr und Vize-Kreissprecher Ulrich Lehmann nun mit einer Verteidigung des Grünen-Politikers Timon Lütschen in der Abrechnungsaffäre im Kreistag auf. Dieser hatte als Fraktionschef im Kreistag auffällig hohe Summen für Verdienstausfälle abgerechnet und so relativ viel Geld aus seinem Ehrenamt generiert.
„An den Vorwürfen gegen Timon Lütschen, sein Ehrenamt zum Geschäftsmodell gemacht zu haben, in dem er sich unverhältnismäßig hohe Verdienstausfallentschädigungen erschlichen hätte, ist bei genauer Betrachtung nichts dran“, schreibt Lehmann in einer kurz nach der Ratssitzung am Donnerstag verschickten Mitteilung.
Lütschen hat nach Recherchen dieser Redaktion in der Zeit von November 2020 bis Oktober 2021 fast 15.000 Euro an Verdienstausfällen geltend gemacht hat – und damit deutlich mehr als jedes andere Kreistagsmitglied, das selbstständig ist und Verdienstausfälle geltend macht. Einen umfangreichen Fragenkatalog dieser Redaktion dazu ließ er unbeantwortet. Insgesamt soll Lütschen in diesem Zeitraum durch sein Ehrenamt einschließlich Aufwandsentschädigungen sogar mindestens 33.801,80 Euro vor Steuern generiert haben. Das brachte ihm unter anderen Kritik von SPD und CDU in seiner Heimatstadt Kamen ein. AfD-Politiker Lehmann meint hingegen, dass sich keine moralische Pflicht ableiten lasse für Lütschen, auf den Verdienstausfall zu verzichten. „Da kann man von Herrn Lütschen kein Sonderopfer erwarten, nur weil er selbständig ist (...)“.
Die Befürchtung, dass durch Lütschens Abrechnungspraxis die ehrenamtliche Kommunalpolitik insgesamt in Misskredit gebracht wird, hatte Bürgermeisterin Elke Kappen (SPD) am Donnerstag in der Ratssitzung zum Ausdruck gebracht. Aus einem Bericht wurde deutlich, dass kein selbständiges Ratsmitglied in jüngster Zeit Verdienstausfall geltend gemacht hat, also auch Lütschen nicht. Einige Tage zuvor hatte dies bereits Ralf Eisenhardt (CDU) für seine Fraktion ausgeschlossen.
AfD: Pufke (CDU) soll Auskunft über Verdienstausfall geben
Eisenhardt hatte zudem Verwunderung geäußert, dass Lütschen als selbstständiger Unternehmer die Zeit finde, in drei ehrenamtlichen Parlamenten parallel tätig zu sein. Lehmann nutzt das für einen Seitenhieb gegen CDU-Kreistagsfraktionschef Marco-Morten Pufke, der Mitglied „in vier ehrenamtlichen Parlamenten“ und Bergkamener Vize-Bürgermeister sei. Pufke gebe sicherlich aus seiner früheren selbständigen Tätigkeit „gerne Auskunft über die korrekte Abrechnung von Verdienstausfallentschädigungen“, so Lehmann, dessen AfD nicht im Kreistag vertreten ist.
Jahrgang 1973, aufgewachsen im Sauerland, wohnt in Holzwickede. Als Redakteur seit 2010 rund ums Kamener Kreuz unterwegs, seit 2001 beim Hellweger Anzeiger. Ab 1994 Journalistik- und Politik-Studium in Dortmund mit Auslandsstation in Tours/Frankreich und Volontariat bei den Ruhr Nachrichten in Dortmund, Lünen, Selm und Witten. Recherchiert gern investigativ, zum Beispiel beim Thema Schrottimmobilien. Lieblingssatz: Der beste Schutz für die liberale Demokratie ist die Pressefreiheit.
