
© Nico Ebmeier
Ohne ein Spiel gesehen zu haben: Wie die Vereine sich trotz Spielpause über Neuzugänge informieren
Fußball
Seit Monaten finden keine Fußballspiele mehr statt. Doch die Kaderplanung läuft bei den heimischen Klubs auf Hochtouren. Beim Scouting müssen andere Wege gegangen werden - oder gehofft werden.
Jeder, der mal ein Fußball-Managerspiel auf dem Computer gespielt hat, kennt das. Das Scouting von Kickern braucht viel Spielzeit und beansprucht Teile des knappen Budgets. Vor allem die Ungeduld treibt einen oft dazu, auf gut Glück einen Spieler zu verpflichten. Nicht selten wird man enttäuscht, wenn man dann seine vorher verborgene, wahre Spielstärke sieht.
Vor einem ähnlichen Dilemma stehen aktuell die Verantwortlichen der heimischen Vereine. Sie hindert aber nicht ihre Ungeduld am Scouting potenzieller Neuzugänge, sondern die Corona-Pandemie und die andauernde Saisonpause. Wie gehen sie daher bei Neuverpflichtungen vor?
Drei Spieler wechseln zum SuS Olfen - nicht alle sind bekannt
Der SuS Olfen hat in diesem Winter gleich drei Spieler verpflichtet. Joshua Denk, Pablo Tenkhoff Otero und Mateusz Ostaszewski wechseln zum Bezirksligisten.
Während Tenkhoff Otero schon in der Jugend für die Olfener spielte, ehe er zurückkehrte, weiß der Verein bei Denk noch nicht so richtig, was sie in ihm bekommen.
„Das ist schon vorhanden, weil wir nicht wissen, ob er uns sofort weiterhilft“, sagt der Sportliche Leiter Norbert Sander über ein mögliches Restrisiko bei Denks Verpflichtung. Der Spieler war selbst etwas überrascht. „Natürlich hat mich das gefreut, aber ich finde es schon erstaunlich, dass mir Norbert Sander so großes Vertrauen schenkt“, so der Ex-Spieler von Teutonia SuS Waltrop.
Denk konnte dabei auf die Unterstützung zwei seiner Freunde zählen. „Okan hat mir gesagt: ‚Du kannst dich darauf verlassen, dass er uns weiterbringt‘“, sagt der Sportliche Leiter Sander. Denk verbindet eine Freundschaft mit den SuS-Spielern Okan Akti und Louis Reitemeier.

Joshua Denk haben die Verantwortlichen des SuS Olfen nie spielen gesehen. © Joshua Denk
Beim dritten Neuzugang überzeugte allein die Vita die Verantwortlichen. Ostaszewski wurde mit Borussia Dortmund B-Jugend-Meister, war polnischer U-Nationalspieler und spielte in der dritten und vierten polnischen Liga. „Wenn uns Mateusz Ostaszewski nicht weiterhilft, dann weiß ich wirklich nicht, wer das sonst tun sollte“, macht sich Sander keine Sorgen um die nötige Qualität des Polen.
Beim SuS Olfen setzt man also auf bereits bekannte Spieler, die Empfehlungen von deren Freunden oder das Vertrauen, dass ein Junioren-Bundesliga-Spieler, auch ohne ihn spielen gesehen zu haben, schon gut genug für die Bezirksliga sein wird.
Bei Westfalia Vinnum wissen sie genau, was sie bei ihren Neuen bekommen. Der A-Ligist verpflichtete kurz vor Ende der Transferperiode Robin Hagenmeyer und Pascal Beck. Beide Spieler kennt Vinnums Trainer Dennis Gerleve aus ihrer gemeinsamen Zeit beim BV Lünen.
Gleiches gilt auch für Simon Serges, Neuzugang des PSV Bork. „Sanmi (Ojo, Trainer, Anm. d. Red.) kennt Serges aus dem Effeff. Wir wissen ganz genau, was wir bekommen“, sagt Martin Klingenberg, Sportlicher Leiter des B-Ligisten.

Simon Serges, hier im Trikot des VfB Lünen, wechselt im Sommer zum PSV Bork. © Timo Janisch
Bei Marvin Kemmann, der im Sommer vom Westfalenligisten Grün-Weiß Nottuln nach Bork wechselt, verhält es sich dagegen wie bei Olfens Ostaszewski. „Ich habe ein Spiel von ihm gesehen. Da hat er aber nicht allzu viel aufs Tor gekriegt. Aber das wird schon reichen. Er war Stammtorwart in der Junioren-Bundesliga.“
Beim dritten Neuzugang Rene Westermann gibt Klingenberg aber zu, dass ein gewisses Risiko bestehe. „Ihn haben wir nicht spielen gesehen. Da muss man im Laufe der Saison gucken. Auf jeden Fall wird die Qualität im Training erhöht.“
Und es gibt ja auch noch andere Quellen. „Wir haben seine Daten bei Fussball.de angeguckt. Er war immer in der Startelf und hat auch in der Ersten gespielt“, macht sich der Sportliche Leiter keine Sorgen, dass der Neue von der dritten Mannschaft des SV Körne 83 dem Team nicht weiterhilft.
Aber auch beim PSV hatten sie ihre Quellen. „Man guckt immer irgendwo nach. Wir haben uns auch bei ehemaligen Borkern in Körne umgehört. Aber wir haben keine riesen Scoutingabteilung.“
Und selbst wenn, heißt das noch nicht, dass man sie auch nutzt, wie die ungeduldigen Managerspiel-Zocker wissen.
Hat im Mai 2020 in der für den Lokal-Journalismus aufregenden Corona-Zeit bei Lensing Media das Volontariat begonnen. Kommt aus Bochum und hatte nach drei Jahren Studium in Paderborn Heimweh nach dem Ruhrgebiet. Möchte seit dem 17. Lebensjahr Journalist werden.
