Jeder Tennisspieler schleppt eine Leistungsklassen-Zahl von 1 bis 23 mit sich rum, die für die Spielstärke steht. Kritik gibt es immer wieder an der Berechnung. Helfen neue Änderungspläne?

von Madita Schmitte

Selm

, 17.04.2019, 06:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Der Deutsche Tennis-Bund (DTB) plant eine umfassende Reform des bisherigen Leistungsklassen-Systems. Unter anderem sollen die Doppelergebnisse stärker die Berechnung einbezogen werden. Doch was genau die Reform an Neuerungen mit sich bringt, darüber sind die heimischen Tennisspieler noch im Unklaren.

Klaus Uwe Sarg, Vorsitzender der TG Selm, spielt schon seit Jahrzehnten Tennis. Die Leistungsklassen-Ziffer 14 steht hinter seinem Namen, wann immer er bei Punktspielen oder Turnieren antritt. Doch die könnte sich bald ändern. Denn der DTB hat aufgrund von Umfrageergebnissen Änderungen und Anpassungen am System geplant.

Leistungsklassen vergleichen Spielstärken der Tennisspieler

Die Einteilung in Leistungsklassen (LK) wird im Tennis dazu verwendet, um Spieler nach ihrer Spielstärke einzustufen. Bei Turnieren dient sie zum Finden passender Gegner, wie man den Regelwerken entnehmen kann. Die Mannschaftsaufstellungen erfolgen ebenfalls anhand der LK. Dabei werden die Spieler von 1 (beste LK) bis 23 (schlechteste LK) gestaffelt.

Klaus Uwe Sarg sieht Vor- und Nachteile der Reformpläne des Verbandes.

Klaus Uwe Sarg sieht Vor- und Nachteile der Reformpläne des Verbandes. © Weitzel

Die Leistungsklasse 23 erhält man, wenn man erstmalig an einem beim jeweiligen Landesverband registrierten Turnier teilnimmt. Allerdings kann selbst jemand, der bereits seit 30 Jahren im Tennis aktiv ist, durchaus in der LK 23 eingestuft sein, da zum Aufstieg in die nächsthöhere Stufe (LK 22) eine bestimmte Anzahl an Punkten erspielt werden muss. Nimmt er also nicht regelmäßig an Turnieren teil, kann sich auch ein Spieler mit LK 23 auf hohem Tennis- Niveau befinden.

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Daran will der DTB etwas ändern. Was bislang öffentlich ist: Laut dem Westfälischen Tennis-Verband sollen Doppelergebnisse stärker in die LK einbezogen werden als bisher. Von einer separaten Doppel-LK ist jedoch keine Rede.

Eine weitere Neuerung soll die bisher jährliche Berechnungsfrequenz sein, die erhöht und in „Echtzeit“ berechnet werden soll. Ein Beispiel: Beim Vorbild, dem ITN-System aus Österreich, werden die LK-Punkte und die Leistungsklasse bereits so berechnet. Mit jedem Ergebnis aktualisiert sich die LK und berechnet sich neu, was auch innerhalb einer Saison Spannung und realistischere Werte bringt.

Schneller Aufstieg soll möglich werden

In Zukunft soll auch der großen Menge an Spielern im LK-Bereich 20 bis 23 ein schnellerer Aufstieg in eine höhere LK ermöglicht werden, indem Spieler, die keine Niederlage in einer Saison hinlegen, nicht mehr abgestuft werden können, auch wenn ihnen die nötigen Punkte fehlen. Auch Maluspunkte (Straf- oder Minuspunkte), die ein Spieler bekommt, wenn er trotz Meldung zu einem Turnier ohne ärztliches Attest nicht erscheint, sollen abgeschafft werden. Bei Nichterscheinen können aktuell bis zu 150 Maluspunkte verhängt werden.

Welche Änderungen kommen, weiß noch niemand genau

Mehrere Anfragen hat die Pressestelle des WTV zwar angenommen, sich aber auch nach Wochen bislang nicht zurückgemeldet. Viel wird spekuliert, nur so viel ist klar: Fix ist von den genannten Neuerungen jedoch noch keine einzige. Derzeit laufen noch Diskussionen zwischen dem LK- und Ranglistenausschuss, mit dem Ziel, eine potenzielle LK-Reform zur neuen Saison ab Oktober einzuführen. In diesem Sommer bleibt also erstmal alles beim Alten.

Wenn es zu einem Beschluss von der neuen LK-Reform kommen sollte, würden natürlich auch die örtlichen Vereine betroffen sein. Gaby Winter, Sportwartin der TG Selm, und Klaus Uwe Sarg, Vorsitzender des Vereins, haben 2018 selbst an der Umfrage teilgenommen und die möglichen Änderungen genauer unter die Lupe genommen. Es gibt Zuspruch, aber auch Kritik.

„Intern wurden die potenziellen Veränderungen, die in Zukunft auf uns zu kommen könnten, noch nicht thematisiert“, sagt der Vorsitzende, „sollte es zu einer Einführung kommen, wären wir natürlich dazu verpflichtet, dies umzusetzen.“

TG Selm begrüßt die Reformpläne - aber nur teilweise

Sarg, der sich selbst nicht mehr zu den Jüngsten zählt, versteht den Wunsch, Doppelpunkte stärker zu werten: „Ich finde die neu vorgeschlagene Zählweise gut. Vor allem im älteren Bereich gibt es viele Doppel- und wenig Einzelspieler.“ Reinen Doppelspielern würde diese Neuerung entgegenkommen.

Auch Sportwartin Winter unterstützt den Ansatz: „Mit der neuen Reform würde der reine Doppelspieler die Chance bekommen, mehr LK-Punkte zu sammeln und die LK zu halten.“ Vorteile im System würden sich aber auch für den Turnierspieler ergeben, der auch durch ein Doppel die fehlenden Punkte zur nächsten LK holen könnte.

Gaby Winter

Gaby Winter © Sebastian Reith

„Mit der neuen Reform würde der reine Doppelspieler die Chance bekommen, mehr LK-Punkte zu sammeln und die LK zu halten.“
Gaby Winter, Sportwartin der TG Selm

Wird die Mannschaftsaufstellung durcheinandergewürfelt?

Jedoch finden die Vertreter der TG Selm, dass einige Punkte noch genauer ausgearbeitet werden sollten. Sarg sieht Probleme bei der Quersumme, da die Doppelwertung viel höher als die Einzelwertung berechnet würde und somit die Mannschaftspositionierungen durcheinander gebracht werden könnten. Nach Meinung der Sportwartin dürfe es nicht passieren, dass das Doppel punkttechnisch über dem Einzel stünde.

Auch mit der angedachten Echtzeit-Berechnung sehen die Selmer Komplikationen auf den Sport zukommen. „Eine Berechnungsfrequenz in Echtzeit würde das ganze System durcheinanderbringen“, so Winter. „Das LK-System hat sich bewährt, wie man in Vergangenheit gesehen hat“, kritisiert Sarg. „Eine Veränderung des kompletten Systems wäre meiner Meinung nach nicht notwendig. Auf Dauer stelle ich mir das sehr unübersichtlich vor.“

Echtzeit-Berechnung sorgt für Diskussionen

Wie war es bisher? Und was könnte sich ändern? Bisher sammelte ein Spieler eine Saison, also bis zum 30. September des Jahres, seine LK-Punkte. Am Ende der Saison kann er dann auf- oder absteigen oder die LK halten. Die gesammelten LK-Punkte sind somit nur bis zum 30. September gültig, werden dann gutgeschrieben und verfallen anschließend, sodass jeder Spieler in der neuen Saison bei null Punkten startet und wieder bis Ende September Zeit hat, seine Punkte zu sammeln. Bei dem neuen Vorschlag würden Punkte nicht pro Saison, sondern pro Spieler-Karriere gesammelt werden.

TG Selm lehnt es ab, vereinsinterne Spiele in die Wertung zu nehmen

Die Wertung von vereinsinternen Spielen, die in der Umfrage auch abgefragt wurden, lehnt Sarg sofort ab. Bislang fließen nur offiziell eingetragene Turniere gegen Spieler aus anderen Vereinen in die LK-Berechnung ein. Der Umfrage zufolge soll es daran in naher Zukunft jedoch keine Veränderung geben. Die Missbrauchsgefahr sei hier wohl zu hoch. Auch die TG Selm sieht das so: „Das ist absoluter Schwachsinn. Da wäre jede Spur von Gerechtigkeit verloren“, sagt Sarg.

Vor dem Oktober passiert nichts

Ob sich die Änderungen des LK-Systems wirklich durchsetzen, ist noch unklar. Generell ist eine Änderung im Jahr 2019 für die TG Selm zunächst noch recht unwahrscheinlich. Sarg geht von einer verpflichtenden Änderung frühestens zur neuen Saison im Oktober, eher nicht, aus.