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Ende eines Wintermärchens: Schwerter Olympionikin beendet Karriere
Wintersport
2018 erlebte sie ihren sportlichen und persönlichen Höhepunkt bei den Olympischen Winterspielen. Jetzt ist Schluss, obwohl sie sagt: „Ich liebe diesen Sport.“
Bei ihrer letzten Fahrt vor zwei Wochen konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Obwohl es nur eine vermeintlich bedeutungslose Trainingsfahrt am Königssee war, hatten sich mehrere Weggefährten an der Strecke aufgestellt, um bei ihrem letzten offiziellen Lauf dabei zu sein. Ihre Freunde applaudierten. Sie weinte. Denn sie wusste: Eine einzigartige Karriere ist vorbei.
Erst 2012 angefangen
Erline Nolte hat in den vergangenen Jahren ihr eigenes kleines Wintermärchen geschrieben. Eigentlich war sie lange leidenschaftliche Leichtathletin. Wegen ihres Studiums hörte sie 2009 damit jedoch auf. 2012 lud ihr Cousin Pablo Nolte sie dann nach Winterberg ein.
Er selbst hatte ein Jahr zuvor mit dem Bobsport angefangen und wollte jetzt auch Erline überzeugen. Mit Erfolg. Im Winter 2012/13 startete die Westhofenerin ihre zweite Sportkarriere als Bob-Anschieberin, die 2018 mit Olympia im südkoreanischen Pyeongchang ihren traumhaften Höhepunkt erlebte.
Doch jetzt ist Schluss. Die 31-Jährige spürt die erheblichen Belastungen der vergangenen acht Bob-Jahre. „Ich liebe diesen Sport“, sagt sie. „Aber ich merke einfach, dass der Körper nicht mehr will.“ Nolte hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mit hartnäckigen Verletzungen zu kämpfen, von denen sie sich bis heute nie voll regenerierte. Hinzu kommt, dass das Leben einer Bob-Anschieberin per se ein hartes und mitunter auch brutales ist.

In der vergangenen Saison durfte Bob-Anschieberin Erline Nolte nochmal kräftig jubeln. Hier feiert sie den zweiten Platz beim Weltcup in Innsbruck im Januar. © picture alliance/dpa
An Erline Noltes Arm zeigen sich bis heute Spuren von Hautverbrennungen, die sie nach einem Sturz davontrug. Auf jeder Fahrt, die die Zweierbobs mit Autobahn-Geschwindigkeiten durch den Eiskanal rauschen, wirken unglaubliche Kräfte auf die Sportler. Was im Fernsehen nach einer schnellen, lockeren Fahrt aussieht, ist in Wahrheit eine immense körperliche Belastung mit zahlreichen Erschütterungen.
Von Kanada bis Südkorea
Außerdem sind die Bobsportler von September bis März in der ganzen Welt unterwegs – von Whistler in Kanada bis Pyeongchang in Südkorea. Wenige Wochen nach Saisonende beginnt dann schon wieder die Vorbereitung auf den neuen Winter.
Deshalb dachte Erline Nolte schon 2019 ans Karriereende – auch wegen eines lästigen Muskelfaserrisses aus der Vorsaison. Doch entgegen des ärztlichen Rates entschied sie sich, eine Saison dranzuhängen. Mit der Aussicht auf die Heim-Weltmeisterschaft in Altenberg als Karrierefinale.
Erfolgreichster Weltcup-Winter
Die WM im Frühjahr verpasste sie zwar knapp. Dennoch erlebte sie zuletzt den erfolgreichsten Weltcup-Winter ihrer Laufbahn, holte mit verschiedenen Pilotinnen gleich dreimal den zweiten Platz. Bis dato stand sie noch nie auf dem Podest bei einem Weltcup.

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Und obwohl Nolte wegen der verpassten Weltmeisterschaft tatsächlich noch kurzzeitig einen weiteren Winter erwog, fällte sie heimlich und für sich im Sommer die Entscheidung aufzuhören. Nun will sie sich die Sportsoldatin auch beruflich neu orientieren und hat sich bereits auf eine neue Stelle beworben.
„Das Kapitel Bob“, sagt Nolte zufrieden. „ist komplett abgeschlossen.“ Sofern das in ihrer Situation überhaupt geht. Um den Übergang für ihre Nachfolgerinnen möglichst einfach zu gestalten, hat sie bei den turnusmäßigen Selektionsrennen vor der Saison zuletzt noch teilgenommen. Hier stand sie quasi als Beraterin für den Anschieberinnen-Nachwuchs parat.
Und: Ihr Freund Christoph Hafer ist selbst noch Weltcup-Pilot, der beim Start am vergangenen Wochenende zweimal auf dem vierten Platz landete. Erline Nolte fieberte von zu Hause auf gleich mehreren Bildschirmen mit. Sie tat das nun aber als Freundin und Fan. Nicht mehr als Freundin und Sportkollegin.