
© Leonie Freynhofer
Von Spielplätzen zu eigenen Anlagen: So hat sich Calisthenics in Olfen entwickelt
Fitness
Kraftvolle Übungen nur mit dem eigenen Körpergewicht - das ist Calisthenics. Die eher neuere Sportart ist seit einigen Jahren in Olfen etabliert und begeistert eine große Gruppe an Athleten.
Kraftvoll drücken sich Carsten Broz und Benjamin Hütte vom sandigen Boden der Olfener Calisthenics-Anlage ab. Ihre Hände, weiß vom Magnesium, krallen sich um eine senkrechte Leiter und ein paar Sekunden später hängen die zwei Männer waagerecht in der Luft – wie eine Flagge im Wind. Passend dazu heißt diese Übung auch Human Flag und ist einer von vielen sogenannten Skills in der Sportart Calisthenics. Die zwei Männer üben aber nicht nur zum Spaß, sondern haben ein ganzes Team voller begeisterter Athleten hinter sich stehen.
Acht Jahre ist es her, dass sie durch Zufall in einer Turnhalle ein paar Jugendliche sahen, die „so komische Übungen“ machten. Dahinter steckte Calisthenics, eine Mischung aus Kraftsport und turnerischen Elementen. 2013 ist daraus beim SuS Olfen die „Cali-Gruppe“ entstanden, die heute 60 Mitglieder aus vielen Altersklassen zählt. Vermehrt sind es aber Jugendliche und Mitt-Zwanziger, die dort ihr eigenes Körpergewicht hochstemmen.
Viele Optionen für Trainingseinheiten
Aus einer Einheit in der Woche, die viel auf Spielplätzen und an selbst gebauten Reckstangen im Garten stattfand, sind drei Trainingstage à zwei Stunden geworden. Heute wird entweder in der Wieschhof- sowie der Geestturnhalle geübt oder an der 2016 gebauten Calisthenics-Anlage am Sankt-Vitus-Park in Olfen. Keine der Optionen wollen die beiden Übungsleiter mehr missen. Dass sie den Luxus der Wahl haben und auch Outdoor-Training anbieten können, sei viel wert, erklärt Benjamin Hütte.
Ursprünglich kommt Calisthenics aus den USA und hat sich besonders im New York der 2000er Jahre zu einem populären Sport entwickelt, als dort Sportler ihr Training vermehrt auf Spielplätze verlagerten und die dortigen Geräte für ihre Eigengewicht-Übungen verwendeten. Seit 2013 hat die Sportart auch in Deutschland immer mehr Interesse geweckt.
Szene in Deutschland wird stetig größer
Heute gibt es hierzulande rund 100 Communities, die entweder im Verein oder einfach nur als Gemeinschaft trainieren, weiß Tobias Moos, Vizepräsident des deutschen Calisthenics und Streetlifting Verbands (DCSV). Da die Vereinsstruktur in dieser „Freestyle-Sportart“ jedoch eher eine Seltenheit ist, wird die Olfener Gruppe oft kontaktiert und wegen gemeinsamer Trainings angefragt. Dass „Fremde“ mit bei ihren wöchentlichen Einheiten dabei sind, sei deswegen schon völlig normal. In der Szene ist man grundsätzlich sehr etabliert und bekannt, erklärt Hütte.
Der 32-Jährige beobachtet, dass in den vergangenen Jahren die Sportart immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Wenn man heute den Begriff bei YouTube eingibt, werde man erschlagen von Videos und Sportlern, die Übungen und Trainingspläne zeigen. Zu dem Hype tragen auch die Calisthenics-Anlagen bei, die nicht nur in Olfen vertreten sind, sondern auch in vielen anderen kleineren Gemeinden immer öfter zu finden sind.
Eine richtige Ausbildung, um die „Cali-Gruppe“ zu leiten, haben die beiden Coaches aus Olfen nicht. Ihr Wissen eigneten sie sich durch Bücher und viel Eigenstudium an. Hütte, der zudem viel in der Fitness-Szene, etwa auf der FIBO und am World-Fitness-Day unterwegs war, konnte dort zusätzliche Erfahrungen sammeln.
Von Anfängern zu Skill-Profis
Trotz des theoretischen Inputs waren beide Männer auf praktischer Ebene komplette Anfänger, da sie zuvor vermehrt Ballsportarten betrieben haben. Die Halteübungen in der Calisthenics, die komplette Körperspannung erfordern, waren somit total neue geforderte Kompetenzen. Ihr Vorteil waren da die Jugendlichen, durch die sie überhaupt erst auf die Gruppengründung gekommen sind. „Wir haben da ganz lange erst zugeschaut und uns alles zeigen lassen“, erklärt Hütte. Eigentlich wollten sich die Männer auch nur darauf konzentrieren, die Gruppe mit ihrem Wissen zu unterstützen und die Sportart gar nicht selbst ausüben.
Irgendwann fingen sie dann doch mit den Basisübungen wie Liegestütze, Dips und Squats an und steigerten sich bis zu den Skills. Doch bis im Training auch Erfolge sichtbar wurden, dauerte es einige Zeit. Carsten Broz hat drei Jahre gebraucht, bis er die Human-Flag konnte. Frust, dass es vielleicht nicht schon früher geklappt hat, verspürte der 48-Jährige nie.

Übungsleiter Carsten Broz hat einige Zeit gebraucht, um die Human Flag so exakt auszuführen. © Leonie Freynhofer
Ähnlich sieht auch Hütte diese Thematik: „Der Weg zum Ziel fühlt sich schon besonders an. Da gibt es oft diese kleinen Highlight-Momente, die den Reiz ausmachen.“ Wenn er am Ende dann den Back Lever oder die Shoulder Flag sauber ausführen kann, gebe einem das die totale Befriedigung.
Große Freude an Erfolgserlebnissen
In ihrer Funktion als Übungsleiter ist für die zwei Männer besonders schön, die Entwicklung in der Gruppe zu beobachten und zudem ein Teil davon zu sein. Viele kämen mit großen Augen zum Training und bestaunen die fortgeschrittenen Sportler. Wenn sie es mit der richtigen Anleitung plötzlich selbst schaffen, sei das Erfolgserlebnis ein großer Moment für alle. „Dieser Sport gibt einem so viel. Das ist wie ein kleines Kind, das immer größer und besser wird“, erklärt Hütte.

Die Back Lever ist einer von den Übungen, die eher Fortgeschrittene im Calisthenics-Sport können.
Calisthenics prägt den Alltag der zwei Olfener Übungsleiter. Dass der Sport auch Einfluss auf die Gesundheit hat, haben Broz und Hütte schnell gemerkt. Grundsätzlich sind beide viel fitter geworden und sehen deutliche Veränderungen an ihren Körpern.
Beide hatten früher zudem mit Rückenschmerzen zu kämpfen und achten nun viel deutlicher auf gesunde Bewegungen. Das gebe auch viel Lebensqualität zurück, erklären die Coaches. „Es fühlt sich einfach schön an, seinen Körper so funktionell zu benutzen“, so Benjamin Hütte.
Seit 2016 hat mich der Lokaljournalismus gepackt. Erst bei der NRZ und WAZ gearbeitet, dann in Hessen bei der HNA volontiert. Nun bei den Ruhr Nachrichten als Redakteurin zu Hause. Wenn ich nicht schreibe und recherchiere, bin ich in den Bergen beim Wandern und Klettern unterwegs.
