Rafik und Soufiane Halim – die Fußball-Brüder mit den Storchenbeinen

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Rafik und Soufiane Halim – die Fußball-Brüder mit den Storchenbeinen

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Auf den ersten Blick gibt es zwischen den Brüdern Rafik und Soufiane Halim nur wenig Unterschiede – abgesehen vom Altersunterschied. Schaut man genauer, findet man aber doch ein paar.

Dortmund

, 08.03.2021, 10:05 Uhr / Lesedauer: 4 min

Ein bemerkenswertes Zitat von vor einem Jahr, garniert mit feiner Ironie, liefert einen hervorragenden Einstieg in eine neue Folge unserer Bruderserie. Es zeigt, dass Geschwisterliebe einen großen Altersunterschied von 17 Jahren verkraftet und liebevolles Necken auf Augenhöhe trotz der vermeintlichen Distanz ermöglicht.

„Ich würde vermuten, dass ich vielleicht technisch etwas stärker bin. Dafür hat Rafik womöglich etwas mehr Spielverständnis.“

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Wenn der Name Rafik fällt, denkt jeder wahrscheinlich zuerst an Rafik Halim (37). Einer der erfolgreichsten und beliebtesten Fußballer der Stadt ist jetzt aber nicht mehr der einzige Außenverteidiger mit dem Markenzeichen „Storchenbeine“, die sein deutlich jüngerer Bruder Soufiane (20) so nennt, wenn er am eigenen Körper und an dem seines Bruders herunterschaut.

Trainer und Spieler – unterschiedliche Rollen bei den Halims

Während der große Bruder mittlerweile nur noch Trainer ist, entdeckt der jüngere Halim, der im Übrigen nicht der jüngste Halim ist – es gibt noch Oualid (16) –, die Dortmunder Amateurfußballbühne. Rafik ist Coach des Westfalenligisten FC Brünninghausen, Soufiane kickt in der Landesliga für den SV Brackel 06.

Der Größenunterschied beider Brüder ist mittlerweile verschwunden.

Der Größenunterschied beider Brüder ist mittlerweile verschwunden. © privat

Bei allem Flachs sagt Soufiane: „Rafik ist menschlich und fußballerisch mein Vorbild.“ Der Ältere machte sich als Stütze des Aufschwungs des ASC 09 in Dortmund einen großen Namen. Bereits zu seiner Zeit bei Phönix Eving, einem damals angesehenen Landesligisten, war der schlaksige Außenverteidiger aufgefallen.

Im Laufe seiner langen Karriere entwickelte „der Lange“ Spielverständnis. „Aber nur etwas mehr als Soufiane“, nimmt der ältere Bruder den Faden des eben erwähnten Zitates humorvoll auf. „Einen hätte ich dafür gut“, sagt Rafik. Aber der treusorgende große Bruder verzichtet auf die Spitze gegen den Nachzügler. Nur eine Anmerkung kann er sich nicht verkneifen: „Wenn ich einen Unterschied benennen soll: Meinen unbändigen Willen auf dem Platz haben die jungen Halims nicht.“

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Im Hause Halim war immer etwas los

Wer die Familie Halim kennt, weiß, dass das Wort Nachzügler trotz der bemerkenswerten Altersdistanz gar nicht zutrifft. Eher ist Rafik ein Frühankömmling. „Als ich zur Welt kam, war meine Mutter sehr jung. Als Soufiane geboren wurde, war sie Mitte dreißig, ein Alter, in dem Mütter heute ihre Kinder eben kriegen. Auch meine Schwestern sind jünger als ich.“

Es war also immer was los im Hause Halim. Soufiane erlebte seinen großen Bruder allerdings fast nur als liebenswerten Besucher. „Als ich mein Leben bewusst wahrnahm, war Rafik bereits ausgezogen. Da er uns ständig besuchte, haben wir aber trotzdem ein inniges Verhältnis entwickelt.“

Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Brüder: Soufiane (l.) und Rafik (r.) sind Fans des BVB.

Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Brüder: Soufiane (l.) und Rafik (r.) sind Fans des BVB. © privat

Eins wie zwei Brüder oder doch eher eins wie Vater und Sohn? Rafik sagt: „Wie Brüder!“ Aber zwischen den Zeilen kommt durch, dass er sich nicht nur wie ein großer Bruder sah: „Ich habe mich viel mit Soufiane beschäftigt und dabei darauf geachtet, dass er mit anderen Menschen höflich und respektvoll umgeht. Ich möchte, dass er ein guter Mensch ist.“

„Er ist ein wunderbarer großer Bruder“

Und der große Rafik darf beruhigt sein, denn der kleine Soufiane äußert sich höflich, aber offen und mit dem offenbar typischen Halim-Humor. Er sieht das Verhältnis übrigens als eine Mischung aus Vater-Sohn und Bruder-Bruder. „Rafik hat mir viel mitgegeben. Er ist ein wunderbarer großer Bruder. Der Altersunterschied ist egal. Ich möchte es nicht anders haben.“

Die Halims können also auch emotional sein. Und dann kommt wieder der Schalk durch. Rafik legt vor: „Naja, vielleicht habe ich bei Soufiane und Oualid die Vaterrolle für meine eigenen Kinder geübt.“ Zwei Mädchen und ein Junge mischen sich unter die Familienschar. Soufiane nimmt die Vorlage an: „Ich übe jetzt bei Rafiks Kindern für meinen späteren Nachwuchs.“

Soufiane Halim - damals noch im Trikot des Lüner SV - spielt beim Westfalenligisten Brackel 06.

Soufiane Halim - damals noch im Trikot des Lüner SV - spielt beim Westfalenligisten Brackel 06. © Timo Janisch

Vorlagen auf dem Platz geben sich die Brüder – in diesem Fall macht das Alter doch einen Unterschied – nicht. Höchstens beim Kick im Garten spielen sie gemeinsam. In der Meisterschaft waren die Rollen dann anders verteilt. „Als Spieler des Lüner SV traf ich mal auf Rafik, der da schon Brünninghausen-Trainer war. Bis auf ein paar Sprüche blieb das harmlos.“

In vielen Dingen aber ähneln sich beide. Und da sind nicht nur die „Storchenbeine“ zu nennen. „Du erkennst Soufiane sofort“, sagte Brackels Trainer und Halim-Freund Giovanni Schiattarella, als er auf den vor einem Jahr zu ihm gekommenen Außenverteidiger angesprochen wurde. „Er ist wie Rafik.“

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Die Brüder leben in ihrer eigenen Fußballwelt

In dieser Brudergeschichte verteilen sich die Rollen dann doch immer mehr in den gönnerhaften reifen älteren Fußballer und den zu Scherzen beliebenden jüngeren Bruder. „Nun gut, wenn ich Unterschiede benennen soll, fallen auch mir in der Tat wenige ein. Der einzige äußere ist unsere Hautfarbe. Ich bin der einzige echt weiße Halim. Rafik und Oualid sind eher karamellfarben. Sonst sind wir in etwa gleichgroß, obwohl unsere Eltern keine Riesen sind. Das ist schon witzig bei uns.“ Natürlich formuliert Soufiane dies mit einem Augenzwinkern. Und dann fällt ihm doch etwas Fußballerisches ein: „Rafik ist erfahrener. Aber das nicht nur etwas.“

Rafik Halim trainiert den Westfalenligisten FC Brünninghausen.

Rafik Halim trainiert den Westfalenligisten FC Brünninghausen. © Stephan Schuetze

Bis sich ihre Wege vielleicht mal kreuzen, falls der jüngere unter seinem älteren Bruder kickt, leben beide – unabhängig der sich nahestehenden Familie – aber in ihrer eigenen Fußballerwelt. Sollte aus der Bruder-Beziehung mal eine Trainer-Spieler-Beziehung werden, wäre der kleine Bruder lernwillig. Er würde vielleicht einschränkend „etwas lernwillig“ sagen.

Wie es für beide weitergeht, ist noch nicht klar

Noch aber überschneidet sich ihr fußballerischer Weg nicht. In dieser – das verbindet sie dann doch etwas überraschend – sind beide noch auf der Suche. Offen und ehrlich räumt Rafik ein: „Ich bin gerne Trainer, habe mich aber eher als Co-Trainer gesehen, weil ich mit den Jungs Spaß haben will, mit ihnen etwas unternehmen möchte. Jetzt als junger Trainer funktioniert das noch. Ich muss mal sehen.“

Auch wohin der Weg von Soufiane führen wird, steht längst noch nicht fest. Aktuell fühle er sich beim Landesligisten Brackel gut aufgehoben, sagt er. Und Rafik sieht ihn es genau so, denn „von Giovanni kann er lernen“.

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Momentan aber ruht der Ball. Beide brennen darauf, dass es wieder losgeht. Immerhin haben sie aber sich. Die Brüder unterstützen sich. Denn es gibt da noch etwas, bei dem Soufiane für so manchen Spruch zurückzahlt. Rafik räumt ein: „Handwerklich kann ich nichts. Weil Soufiane aber geschickt ist, macht er bei uns den Garten.“ Und so gibt es noch eine Bezeichnung für ihre Beziehung, die zutrifft: Hausherr und Gärtner!

Geld fließt dafür nicht, aber sonst schon, und zwar in eine Richtung. Wieder geht Soufiane wie vor einem Jahr mit einem größeren Augenzwinkern aus der Geschichte. Normalerweise begrüßt er Rafik montags nämlich mit: „Zahltag!“ Der große Bruder hatte dem kleinen Bruder nämlich eine Auflaufprämie versprochen, sollte sich dieser in Brackel durchsetzen. „Bislang war ich immer dabei“, verrät Soufiane. Und verabschiedet sich mit einem Lächeln.

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