
© Stephan Schuetze
Dortmunds erfolgreichstes Brüderpaar wird bald für mehrere Monate getrennt sein
Fußball
Auf den Fußballplätzen kennt sie so gut wie jeder und mehr Erfolg als die beiden, hat wohl kein anderes Brüder-Paar in der Dortmunder Amateurfußball-Community.
In den vergangenen Wochen haben wir gleich mehrmals über verschiedene Brüder-Paare im Dortmunder Amateurfußball geschrieben.
In der dritten Folge unserer kleinen Serie über Brüder in einer Fußballmannschaft beschäftigen wir uns mit Muhammed „Mo“ und Kerim Acil vom Landesligisten Türkspor Dortmund. Die beiden spielen mittlerweile beim dritten Verein zusammen in einem Team. Der ältere der beiden Acil-Brüder Muhammed zählt zu den Institutionen im Dortmunder Amateurfußball. Der 28-jährige Torhüter spielte satte sieben Jahre lang (2012-2019) für den FC Brünninghausen. Danach wechselte er für sechs Monate zum Oberligisten Holzwickeder SC, ehe er im Januar 2020 zum damaligen Bezirksligisten Türkspor Dortmund wechselte.
Absoluter Leistungsträger
Dort zählt „Mo“ wie ihn alle, außer dem eigenen Bruder nennen, zu einem der absoluten Leistungsträger und Führungsspieler. Während Muhammed der Kategorie Lautsprecher angehört, zählt sein jüngerer Bruder Kerim (25 Jahre alt) eher zu den stillen Vertretern im Lande.
Ähnliches sagt auch Türkspors Sportdirektor Dimitrios Kalpakidis über die Geschwister: „Mo coacht die Mannschaft als Torwart von hinten, während Kerim ein entspannter und ruhiger Typ ist. Kerim müsste im Spiel mehr aus sich heraus gehen, vielleicht sollte er im Labor mehr mit dem Feuer spielen“, so Kalpakidis, der damit auf Kerim Acils Studium in der chemischen Biologie anspielt. „Die beiden sind immer füreinander da, es gibt halt eine besondere Liebe unter Brüdern“, fügt Kalpakidis hinzu.
Kerim, der 25-jährige Innenverteidiger, spielte beim SV Brackel 06 (Saison 2015-16), wechselte danach zum damaligen Landesligisten Arminia Marten (Saison 2016-17), ehe er zwei Jahre lang gemeinsam mit seinem Bruder das Trikot des FC Brünninghausen trug. Danach wechselte er ebenfalls zum Holzwickeder SC, den er nach nur einer Saison wieder verließ, um seit Beginn der Saison 2020/21 bei Türkspor Dortmund gemeinsam mit seinem Bruder in der Landesliga zu kicken. Bis August werden die beiden aber nicht mehr gemeinsam auf dem Platz stehen, da sich Kerim aus beruflichen Gründen demnächst in San Diego (Kalifornien) aufhält. Wir haben den Brüdern mal auf den Zahn gefühlt und mit Ihnen ein Doppelinterview mit den (fast) identischen Fragen geführt.
Wie verhalten Sie sich im Training gegenüber Ihrem Bruder?
Muhammed: Ich verhalte mich immer Fair gegenüber meinem Bruder. Ich sehe ihn zwar kritischer als meine anderen Mitspieler, aber ich habe großes Vertrauen in den Jungen.
Kerim: Eigentlich verhalte ich mich im Training gegenüber meinem Bruder genauso wie gegenüber meinen anderen Mitspielern. Eine Besonderheit gibt es dennoch: Alle anderen Mitspieler rufen ihn „Mo“, während ich ihn „Abi“ rufe. Abi ist das türkische Wort für älterer Bruder. Ich nenne Ihn schon seit Kindertagen so. Natürlich freue ich mich besonders, wenn mir im Trainingsspiel ein Tor gegen ihn gelingt.
Verhalten Sie sich während des Spiels gegenüber Ihrem Bruder anders, als gegenüber ihren anderen Mitspielern?
Muhammed: Kleinere Dispute sind normal. Ich nehme bei ihm kein Blatt vor den Mund und spreche zum Beispiel Stellungsfehler klar und deutlich an. Das mache ich aber auch bei allen anderen Abwehrspielern.
Kerim: Nein. Da „Mo“ und ich untereinander eine hervorragende Kommunikation pflegen und ich mich als Innenverteidiger zu einhundert Prozent auf ihn verlassen kann, gibt mir persönlich seine Anwesenheit im Tor ein Gefühl von Sicherheit.

Die Brüder Kerim und Muhammed (rechts) Acil, hier gemeinsam im Trikot des FC Brünninghausen. © Nils Foltynowicz
Ist es etwas Besonderes für Sie mit ihrem Bruder in einer Mannschaft zu spielen?
Muhammed: Auf jeden Fall. Ich kann mich noch an unsere Zeit in der F-Jugend erinnern. Unser Vater war unser Trainer, da Kerim schon damals für sein Alter sehr groß gewachsen war, wollten viele gegnerische Verein immer den Spielerpass vorgelegt haben, da sie sein Alter anzweifelten.
Kerim: Es ist eine Bereicherung für mich. Wir hatten schon in der F-Jugend von Hellweg Lütgendortmund, als ich als jüngerer Spieler hochgeschrieben wurde, viel Spaß in einer Mannschaft. Ich habe mich dann tierisch gefreut, als wir in Brünninghausen wieder vereint waren, obwohl ich ganz schön Nervenflattern bei unserem ersten gemeinsamen Spiel dort hatte.
Welche Vorteile bzw. Nachteile hat es mit dem eigenen Bruder in einer Mannschaft zu spielen?
Muhammed: Dass sich unsere gesamte Familie unsere Spiele ansehen kann sehe ich als Vorteil. Als Kerim zu unserer Holzwickeder Zeit im Testspiel gegen den SV Rödinghausen als Kapitän die Mannschaft auf das Feld führen durfte, war ich mächtig stolz auf Ihn. Da ich ein empathischer Mensch bin, bedaure ich, das mein jüngerer Bruder ein wenig in meinem Schatten steht.
Kerim: Wir können am Sonntag nach dem Spiel gemeinsam Essen gehen, dass empfinde ich als einen großen Vorteil. Da Muhammed eine ehrliche Haut ist, der mir häufig ein Feedback gibt, tauschen wir uns oft aus. Es gibt allerdings auch einen Nachteil: Ich muss immer abliefern. Ansonsten habe ich eine ganze Woche Riesenprobleme mit meinem älteren Bruder. Selbst beim Training achtet er darauf, dass ich mich bei gewissen Übungen nicht drücke. (lacht dabei).
Wie reagieren Sie, wenn Ihr Bruder während des Spiels grob gefoult wird?
Kerim: Ich flippe schon ein bisschen aus und habe mir deshalb auch schon zwei gelbe Karten in dieser Saison abgeholt. Ich bin halt ein emotionaler Typ der sich Gedanken und Sorgen um seinen Bruder macht.
Muhammed: Ich reagiere ähnlich wie Kerim, allerdings bin ich schon reifer und damit ruhiger geworden. Hauptsache es geht ihm gut.
Tauschen Sie sich nach den sonntäglichen Spielen aus oder reden Sie eher kein Wort mit Ihrem Bruder?
Muhammed: Wir reden nach jedem Spiel Tacheles und arbeiten das gesamte Spiel gemeinsam auf. Nach Siegen machen wir das ziemlich schnell, nach Niederlagen kann es durchaus zwei bis drei Stunden dauern, ehe wir diskutieren.
Kerim: Wir tauschen uns immer am Sonntag aus. Entweder beim gemeinsamen Essen oder bei ellenlangen Telefonaten. Da wir beide kritikfähig sind, entwickelt sich meistens eine lebhafte Diskussion über das sonntägliche Spiel, bei deren Ende wir häufig einer Meinung sind.
Welche Stärken bzw. Schwächen sehen Sie bei Ihrem Bruder auf dem Fußballplatz?
Muhammed: Sein linker Fuß, seine Übersicht, sowie seine überragenden, flach gespielten Diagonalpässe zählen zu seinen Stärken. Zu seinen Schwächen: Ihm fehlt es etwas an Tempo, außerdem versucht er alles spielerisch zu lösen. Auf dem Spielfeld ist er auch nachtragend.
Kerim: Zu seinen Stärken zählt sein Passspiel, seine Übersicht sowie seine Ruhe und Abgeklärtheit, wenn er von den Gegnern angelaufen wird. Auf der Linie ist er ein Killer. Lediglich an seinem schwächeren linken Fuß muss er noch Arbeiten.
Kerim Acil, wie gehen Sie damit um, dass Ihr Bruder Muhammed gerne und häufig in den Medien und damit in der Öffentlichkeit steht?
Kerim: Ich habe mich daran gewöhnt und kein Problem damit. Er kann halt gut reden. Spaßeshalber habe ich Ihm vorgeschlagen, er sollte doch Politiker werden.
Gibt es eine unterhaltsame Geschichte, die sich bei Ihren gemeinsamen Spielen ereignet hat?
Muhammed: Bei unserem 1:0-Erfolg mit Türkspor beim SV Hilbeck hat Kerim ein ganz schwaches Spiel abgeliefert. Aber in der Schlussminute hat er per Kopf den Siegtreffer zum 1:0 erzielt. Ich bin vor Freude aus meinem Tor bis zur Eckfahne auf der gegenüberliegenden Seite gerannt und habe ihm auf die Stirn geküsst. Ganz toll war auch der 2:1-Erfolg über den BSV Schüren im Finale der Hallenstadtmeisterschaften mit dem FC Brünninghausen. In Unterzahl haben sich Kerim und Benjamin Bielmeier in jeden Ball geworfen und den Ausgleich verhindert. Nach der Partie standen dann sowohl mein Vater als auch meine Mutter mit einem Meisterschaftsshirt, dass Ihnen der damalige Betreuer des FCB Manfred Tiemann übergezogen hatte im Innenraum. Das war schon herzergreifend.
Kerim: Ich kann mich auch an zwei Geschichten ganz gut erinnern: Im Testspiel mit Türkspor gegen Westfalia Wickede habe ich ein Luftloch geschlagen, Santiliano Braja hat sich bedankt und den Ball ins Tor geschoben. Mo hat sich dann, wegen meines Patzers, an den Kopf gepackt und das Gegentor mit einem Lächeln im Gesicht hingenommen. Ganz anders sah seine Reaktion im Meisterschaftsspiel gegen Sprockhövel aus. Im Trikot des FC Brünninghausen köpfte ich einen Ball so knapp über das eigene Tor, dass er sogar die Querlatte touchierte. Da ist mein Bruder so richtig böse geworden. Er hat sich erst wieder beruhigt, als die Ecke vom Gegner ausgeführt wurde.
Baujahr 1965, gebürtiger Dortmunder, der sich seit fast zwanzig Jahren auf den Sportplätzen tummelt und den Dortmunder Amateurfußball mit all seinen Facetten kennt.
