Bezirksligist im Niemandsland der Tabelle Trainer erklärt, wie er sein Team bei Laune hält

Einblicke in das Innenleben eines Trainers: Helfer erklärt Fußball im Niemandsland der Tabelle
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Schade, dass dieser echte Typ etwas unter dem Radar der Dortmunder Fußball-Öffentlichkeit läuft. Dabei hat er so viel Interessantes zu sagen. Paul Helfer (36), gebürtiger Magdeburger, war früher ein großes Talent aus der Kaderschmiede der SG Wattenscheid und beendete aus Verletzungsgründen früh seine Karriere.

Sein Arbeitskollege Mutlu Kocagöz lotste den Co-Trainer der DJK Wattenscheid zum damaligen Kreisligisten Eving Selimiye Spor. Aufstieg und ein fünfter Platz in der Bezirksliga brachten Helfer und seine erfolgreichen fußballerischen Helfershelfer mehr in den Fokus.

Jetzt machten die Evinger, die jenseits von Gut und Böse auf Rang sieben stehen, Schlagzeilen, weil sie den Wickedern ihren erst zweiten Saisonsieg ermöglichen. Für Paul Helfer gilt es trotzdem, die Spielzeit mit einer gewissen Anspannung zu Ende zu bringen.

Wie es für einen Trainer ist, zu diesem Zeitpunkt die Spieler bei Laune zu halten und ob das 1:2 gegen Wickede nur einer von vielen Tiefpunkten wird und wie sich der Fastenmonat Ramadan auf sein Team auswirkt, erklärt Paul Helfer in einem sehr aufschlussreichen Interview.

Paul Helfer, arbeiten wir zunächst die denkwürdige Niederlage gegen Wickede ab. Wie konnte das passieren?

Wir tun uns tatsächlich gegen Teams von unten, die fast nur verteidigen, schwer. Und gegen Wickede kam hinzu, dass unsere Spieler im zweiten Durchgang platt waren. Drittens hat Wickedes Torwart Julian Heitmann ganz stark gehalten.

Fast alle deiner Spieler sind muslimischen Glaubens. Waren sie deswegen platt?

Mit Sicherheit. Wenn du nur wenige Stunden essen darfst, und – was beim Sport viel wichtiger ist – tagsüber nichts trinken, dann wirkt sich das natürlich auf das Durchhaltevermögen aus.

Ich habe höchsten Respekt vor den fastenden Spielern. Aber ich habe den Jungs auch gesagt, der Ramadan soll keine Ausrede sein. Wenn sie sich dazu entschließen, zu fasten, müssen sie bedenken, wie sich das auf die Leistung auswirken kann. Ich kann die Jungs da aber trotzdem auch verstehen.

Vorher habt ihr das Derby beim VfL Kemminghausen gewonnen, davor aber auch daheim gegen Mühlhausen verloren, das jetzt 2:5 in Körne unterging. Wie erklärst du dir diese Schwankungen?

Gegner, die Fußball spielen, liegen uns besser. Daher bietet sich genau dieses Bild in den zwei von dir erwähnten Spielen. Gegen den VfL spielen wir unsere Stärken aus, gegen Mühlhausen tun wir uns äußerst schwer.

Im Amateurfußball gibt es keine zusätzlichen Anreize wie Qualifikation für die Champions League, die Europa League und jetzt sogar die Conference League. Alles beschränkt sich auf Auf- und Abstieg, was für Team wie euch bedeutet, dass die viel strapazierte Goldene Ananas wieder herhalten muss. Wie geht ein ehrgeiziger Trainer wie du damit um?

Ich erkläre es mal aus der Sicht, wie ich es als Spieler wahrgenommen hat. Da war ganz entscheidend, wie der Trainer rüberkommt. Für mich ist daher heutzutage auch ganz wichtig: Wie verkaufe ich mich gegenüber meiner Mannschaft? Welche Trainingsintensität gebe ich vor?

Wie machst du es?

Ich halte sie konstant hoch. Erstens macht es anders überhaupt keinen Spaß, auch den Spielern nicht. Wenn der Trainer nur Larifari vorgibt, verliert jeder Fußballer schnell die Lust und die Motivation Ziele zu erreichen, die es ja durchaus gibt. Ich lebe das Gewinnwollen aber auch vor.

Wenn wir im Sommer zwei Spiele vor Schluss im gesicherten Bereich sind, lasse ich es aber auch mal entspannter angehen, werfe den Ball in die Luft und gönne ihnen ihren Spaß. Der gehört doch ohnehin immer dazu.

Paul Helfer ist Trainer von Eving Selimiye Spor.
Paul Helfer ist Trainer von Eving Selimiye Spor. © Schaper

Welche Ziele habt ihr?

Lass uns auf die Tabelle blicken. Ich will mich keinesfalls mehr verschlechtern und wenigstens den siebten Platz halten. Klar, bis zu den Abstiegsrängen haben wir 14 Punkte Vorsprung. Aber es geht ganz schnell, dann taumelst du trotzdem in Regionen, in denen du überhaupt nicht landen möchtest. Mich würde alles unter Rang sieben schon enttäuschen.

Aber hätten wir gegen Wickede gewonnen, wären wir bis auf drei Punkte an den Dritten, den TuS Eichlinghofen herangekommen. Ich finde, das wäre ein Riesenerfolg für einen Verein, den viele gar nicht groß auf dem Schirm haben, im zweiten Bezirksliga-Jahr Dritter oder auch Vierter zu werden. Im Vorjahr waren wir Fünfter. Und ich möchte mich immer verbessern, im Beruf, aber auch im Fußball.

Wie beugst du der Langeweile innerhalb der Mannschaft vor?

Ich fordere sie, immer im Bewusstsein, dass wir Amateure in der Bezirksliga sind. Hätte ich die Trainingszeiten wie in meiner aktiven Laufbahn, wären drei Einheiten in der Woche sehr intensiv. So ist der Freitag das Abschluss-Spiel. Aber auch da wissen unsere Jungs, dass sie noch Eindruck bei mir machen können. Nur darf ich auch keine verrückten Sachen machen.

Wir hatten eine Phase, in der viele krank waren oder im Urlaub. Da mache ich mit den Gesunden natürlich keinen Cooper-Test. Das Ganze können die anderen in zwei Einheiten auch gar nicht nacharbeiten. Ich als Spieler habe es gehasst, wenn wir mal zwei- bis dreimal in der Woche im Training keinen Ball gesehen haben. Das erspare ich den Jungs.

Und zahlen sie es zurück?

Früher war es schon anders. Wir wollten immer besser werden. Die heutige Generation nenne ich leicht scherzhaft „FIFA-Generation“, also nach dem Playstation-Spiel. Ich sage den Jungs manchmal, ihr seid nicht der FC Barcelona 2.0. Bezirksliga-Fußball ist nicht Tiki-Take. Sie wollen manchmal den Ball ins Tor tragen. Fußball ist und bleibt ein Ergebnissport. Die Punkte zählen am Ende, nicht der beste Trick.

Welche Ergebnisse erwartest du in den kommenden Wochen?

Wir spielen in Kirchhörde, gegen Roj – zwei Teams, gegen die wir in der Hinrunde unentschieden gespielt haben, weil sie selbst Fußball spielen. Dann kommen Eichlinghofen und Massen und Gahmen, am Ende noch die Löwen. Fünf von sieben Gegnern stehen vor uns. Wir finden gegen sie die Räume und werden daher gut abschneiden und hoffentlich noch den siebten Platz nach oben verlassen.

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