Auf der Suche nach dem nächsten Kick – Dortmunder Extremsportler läuft Marathon unter Tage
Leichtathletik
Er schwamm durch die Straße von Gibraltar, er will dieses Jahr noch an zwei Triathlons teilnehmen und er läuft mal eben einen Marathon. Aber keinen normalen – einen 500 Meter unter der Erde.

Mitten im Bergwerk ein Marathon? Der Dortmunder Extremsportler erlebte das nächste Karrierehighlight. © privat
Christian Bodach braucht den Reiz des Besonderen. Er gibt sich nicht mit dem Standard zufrieden, sucht immer die physischen und psychischen Grenzen des Machbaren – und versucht sie immer wieder zu verschieben.
Der Extremsportler von den Tri-Geckos Dortmund schwamm 2018 durch die Straße von Gibraltar. Nun schrieb er ein weiteres Kapitel der Superlative in seiner Leichtathletik-Karriere.
Die Plätze beim Marathon unter Tage sind heiß begehrt
So am vergangenen Wochenende im thüringischen Merkers. Während der Otto Normalbürger in Dortmund seine Joggingklamotten überstreift, um eine Runde nach der anderen um den Phönixsee zu drehen, begibt sich Bodach auf die Spuren des Bergbaus. Nicht etwa, um die Historie des langjährigen Handwerks, welches das Ruhrgebiet bis heute prägt, nachvollziehen zu können, sondern um unter den stark erschwerten Bedingungen Höchstleistungssport zu betreiben, 42,25 Kilometer zu laufen.

Dunkel und rutschig war es während des Rennens. © privat
„Ich bin Triathlet, bin aber ursprünglich vom Laufen gekommen. Gerade in diesem Bereich sucht man Herausforderungen. Da habe ich gedacht, es ist ein besonderes Erlebnis, unter Tage an einem Marathon teilzunehmen“, sagt Bodach.
Schon im vergangenen Jahr wollte sich der 40-Jährige dieser besonderen Herausforderung stellen, krankheitsbedingt musste er die Teilnahme aber absagen. Für die zweite Einfahrt in die Grube gab es dann kein Stoppsignal mehr.
Im September meldete er sich an und bewies dabei auch digital seine Sprintfähigkeiten: „Wenn die Anmeldung eröffnet ist, ist dieser Lauf immer innerhalb eines halben Tages ausverkauft. So etwas gibt es nicht noch einmal in Deutschland. Die Teilnehmerzahl ist aus Sicherheitsgründen auf 750 Plätze begrenzt, die sich dann auf den Marathon, den Halbmarathon und die zehn Kilometer verteilen“, sagt Bodach.
Große Herausforderungen schon vor dem Höchstleistungssport
Für ihn kam natürlich nur der Marathon in Frage. Die erste Herausforderung wartete auf die Läufer aus zehn verschiedenen europäischen Nationen und den USA bereits, bevor es sportlich überhaupt los ging. Ausgerüstet mit Helm und Kopflampe bestieg Bodach den alten Förderkorb, der innerhalb von Sekunden 500 Meter in die Tiefe schoss. „Für Leute mit Platzangst ist es schwer in diesem Korb“, beschreibt Bodach das Gefühl beim Einfahren.

Natürlich durften auch die Bergwerk-Utensilien nicht fehlen. © privat
Kaum unten angekommen, blieb keine Zeit zur Regeneration. Ein Lkw brachte die Läufer zum Startpunkt auf einer anderen Sohle, der Fahrer hatte sich scheinbar vorgenommen, die Athleten ordentlich durchzuschütteln. „Er kündigte an: ‚Das wird jetzt wie eine Achterbahn.‘ Er ist wirklich durch die Gänge gerast, einigen wurde sogar schlecht. Das war schon ein bisschen seltsam“, so Bodach.
Der Dortmunder Berufsschullehrer überstand die rasante Fahrt in der Zeche und konnte sich mit dem Ertönen des Steigerliedes kurz vor dem Start dann endlich dem widmen, wofür er eigentlich nach Thüringen gereist war – dem Marathonlauf unter Tage.
„Die Luft war schlecht, es war stickig und dunkel“
750 Höhenmeter mussten überwunden werden, 13 Runden a 3,25 Kilometer lagen vor dem Extremsportler, flache Passagen gab es kaum. Immer wieder ging es bergauf oder bergab – mit Steigungen und Gefällen bis zu 15 Prozent.
„Es waren ungewöhnliche und suboptimale Bedingungen, aber das ist ja auch der Reiz“, findet Bodach. Im Bergwerk herrschten circa 22 Grad, „die Luft war schlecht, es war stickig und dunkel. Und auch der Untergrund war sehr anspruchsvoll, es war rutschig und es gab immer wieder Löcher, sodass man gucken musste, wo man hintritt. Das war anstrengend für den Kopf“, berichtet Bodach.

Die Athleten mussten Helm und Lampe tragen. © privat
Doch all das war für ihn nicht einmal das größte Problem – die fehlende technische Unterstützung machten Bodach und seine Knappen am meisten zu schaffen. „Wenn man einen normalen Lauf macht, hat man über eine GPS-Uhr eine genaue Leistungsanalyse. Das fiel hier alles weg. Ich musste den Marathon nach Gefühl laufen, das ist schwierig“, so Bodach.
Sechster Platz am Ende in seiner Altersklasse
Als Orientierung dienten nur Pulswerte und die Rundenzeiten, denn auch Kilometermarkierung gab es nicht. „Da musste ich auch aufpassen, dass ich am Anfang nicht überzocke“, erinnert er sich.
Er tat es nicht, trotzte den Bedingungen und dem inneren Schweinehund, erreichte nach 3 Stunden, 33 Minuten und 49 Sekunden das Ziel und belegte somit in der Altersklasse M40 den 6. Platz. Im Gesamtfeld wurde es der 19. Platz von 180 Athleten. Ein Ergebnis mit dem Bodach „sehr zufrieden“ war: „Ich habe mir den Lauf gut eingeteilt und konnte hinten raus das Rennen machen.“
Noch lange nicht Schicht im Schacht
Insgesamt war es für den 40-Jährigen einfach ein „faszinierendes Lauferlebnis. Ich bin nächstes Jahr auf jeden Fall wieder dabei, denn wo kann man sonst in Deutschland im Februar einen Marathon bei über 20 Grad laufen?“
2021 soll – zumindest wenn es nach Bodach geht – dann auch sein Vater mit an den Start gehen. „Ich versuche ihn zu überreden. Er ist 74 und auch noch aktiver Leichtathlet und läuft die Halbmarathon-Distanz. Ich bin gespannt, ob er auf seine alten Leichtathleten-Tage mitmacht.“
Schicht im Schacht ist für Bodach in diesem Jahr übrigens noch lange nicht, auch wenn er aktuell laut eigener Aussage „keine Treppe gerade rauf und runter laufen kann. Ich starte im Juni beim Ironman-Triathlon in Hamburg und im August beim Ironman 70.3 in Duisburg. Das sind meine Highlights in diesem Jahr.“ Na dann, Glück auf!