Die Juniorenfußball-Reform sorgt für geteilte Meinungen.

© Manfred Rimkus

Zwei Reporter, zwei Meinungen: Juniorenfußball-Revolution spaltet die Redaktion

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Dass ab der kommenden Saison im G- und F-Jugend-Bereich im Fußballkreis Recklinghausen nicht mehr Sieben-gegen-Sieben und ohne Torwart gespielt wird, sorgt für viele Diskussionen – auch redaktionsintern.

Dorsten

, 24.06.2021, 16:39 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Juniorenfußball im Kreis Recklinghausen verändert sich zur kommenden Spielzeit. Das sorgt für viele Diskussionen - auch redaktionsintern. Zwei Volontäre, der eine mit der Trainer-C-Lizenz ausgestattet und selber im Jugendvorstand seines Vereins, der andere ebenfalls Jugendtrainer in der Bezirksliga und angehender B-Lizenzinhaber, diskutieren über die Reform.

Die Reform ist überfällig!

Niklas Berkel (Volontär, C-Lizenz-Inhaber und 2. Jugendleiter bei RW Deuten)

Die Meinungen einiger Jugendleiter zur geplanten Juniorenfußball-Reform haben mich geschockt. Wer sie nicht versteht, hat so gar nichts verstanden. Seht Ihr denn nicht, dass diese Reform überfällig ist?

Wir verlieren Kinder – und zwar ohne Ende. In vielen Vereinen kommen wir nur noch mit Spielgemeinschaften aus. Und warum? Weil der Pep Guardiola der F-Jugend meint, er müsste jedes Spiel gewinnen. Die Kinder, die hinten dran sind, lässt er nicht spielen. Sie verlieren die Lust am Sport und die Vereine ihre Mitglieder.

Tatsächlich geht mir die Reform im Jugendfußball im Kreis nicht weit genug. Fünf-gegen-Fünf in der F-Jugend ist immer noch zu viel! Die Rechnung ist einfach: Je weniger Spieler auf dem Feld, desto mehr Ballanteile haben die Kinder. Ihr werdet sehen, wie viel Spaß sie daran haben werden.

Die Reform hat sogar einen coolen Nebenaspekt: Eure Kinder werden besser. Je mehr Ballanteile, desto technisch-stärker werden sie. Die Belgier machen es seit Jahren vor. Sie sind sogar noch radikaler in ihrer Jugendausbildung. Da wird lange nur Eins-gegen-Eins und Zwei-gegen-Zwei gespielt. Und was bringt das? Ein einwohnerarmes Land bringt Top-Star um Top-Star heraus. Wir erziehen unsere Kinder zu besseren Fußballern mit dieser Reform, verdammt!

Und wer meint, unsere Torhüter werden schlechter, nur weil sie nicht bereits als F-Jugendlicher im für sie viel zu großen Tor stehen, hat keine Ahnung von der Torwartausbildung. Punkt.

Die Sportschau schrieb in einem Kommentar bereits vor Monaten: „Die Argumente [für die Reform] sind erdrückend, das bisherige System ist unfair, ausgrenzend und teilweise demütigend. Die viel größere Frage lautet: Warum erst jetzt?“ Und damit hatte sie Recht! Wer das als Jugendleiter nicht versteht, arbeitet in der falschen Position!

Die Reform schaufelt die Gräber der Jugendvereine

Kevin Michaelis (Volontär, angehender B-Lizenzinhaber und Jugendtrainer U16 beim SC Münster 08 in der Bezirksliga)

Der Fußball lebt von Zusammenhalt und Spaß. Ohne ehrenamtliches Engagement würde sowieso nichts funktionieren. Vor allem auf Amateurebene. Und gerade da, wo die Wurzeln des Sports liegen: bei den Kindern!

Nun kommt die neue Reform. Viele Vereine, mit denen ich persönlichen Kontakt hatte, wissen gar nicht, wie sie den hohen Betreuungsaufwand spontan stemmen sollen. Die Vorbereitungszeit durch den Fußballkreis Recklinghausen? Gleich null. Das ist pure Verantwortungslosigkeit.

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Ich selbst bin leidenschaftlicher Fußballer. An meine Zeit als Jugendspieler kann ich mich gut erinnern. Immer nach dem Motto: „Am liebsten so sein wie die Profis.“ Und jetzt? Die neue Reform nimmt den kleinsten Fußballern und Fußballerinnen unserer Zeit dieses magische Profi-Gefühl von heute auf morgen weg.

Kleinere Tore oder gar nur Hütchen als Pfosten. Weniger Mit- und Gegenspieler. Verkürzte Spielzeiten. Spiele ohne Torwart. Auswechslungen nach jedem geschossenen Tor. Für mich hat das nicht mehr viel mit dem Grundgedanken Fußball zu tun. So möchte kein Kind mit Vereinsfußball beginnen, glaube ich. Talentförderung ade!

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Hinzu kommt die Not der Vereine. Gerade nach der beschwerlichen Corona-Zeit. Wirtschaftlich sind viele Klubs durch null Einnahmen am Abgrund. Neues Modell bedeutet im Umkehrschluss neues Material. Aber woher nehmen, wenn kein Geld da ist? Der Verband hat seine Unterstützung zugesichert. Von den Vereinen, mit denen ich gesprochen habe, hat bisher niemand auch nur einen Cent erhalten.

Die Ausbilder unserer künftigen Welt- und Europameister werden maßlos im Stich gelassen. Die Gräber für die Jugendvereine – die eigentliche DNA des Fußballs – sind somit geschaufelt.

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