
© Holger Steffe
Als Norbert Elgert den SV Schermbeck in Schwimmflossen spielen ließ
Fussball
Beim FC Schalke 04 soll U19-Trainer Norbert Elgert künftig eine noch wichtigere Rolle spielen. In seiner Biografie erinnert er sich auch an seine erste Trainerstation: den SV Schermbeck.
Er gilt als der beste Jugendtrainer Deutschlands, nicht wenige sagen sogar weltweit. Mit der U19 des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 spielt er regelmäßig um die Westdeutsche und Deutsche Meisterschaft. Nur wenige wissen, dass Norbert Elgert aber auch eine Dorstener Vergangenheit hat. Seine ersten Schritte als Trainer machte der heute 63-Jährige beim SV Schermbeck – ein ehemaliger Spieler spricht von ihm als „positiv Verrückten“.
Im vergangenen Jahr veröffentlichte Norbert Elgert seine Autobiografie „Gib alles – nur nie auf!“. Darin schildert der Trainer seine fußballerische Laufbahn, als Spieler und als Trainer; seine Motivation; seinen persönlichen Werdegang. Der Zusatzname der Biografie „Die Erfolgsstrategien vom Trainer der Weltstars“ kommt einer kleinen Inhaltsanalyse gleich. Denn auf den 286 Seiten kristallisiert sich deutlich heraus, wie Elgert arbeitet, was seine Prinzipien sind, wie er junge Fußballer auch menschlich ausbildet, sie auf den Profifußball – und das Leben danach – vorbereitet.
Der ehemalige Stürmer sieht sich in seinem Beruf nicht bloß als Fußballtrainer, sondern auch Lehrer oder Pädagoge. So schreibt er: „Ich muss nicht nur den Fußballer weiterbringen, sondern auch den Menschen dahinter. Wir Jugendtrainer bilden nicht nur Profis für den Fußball aus, sondern auch Profis fürs Leben.“ Seine Hauptmaxime lautet „Sei jeden Tag der Beste, der du sein kannst“. Sie zieht sich wie ein roter Fade durch das Buch.

Norbert Elgert (o.l.) und die Schermbecker Meistermannschaft der Saison 1993/94,die den Sprung in die Bezirksliga schaffte. In seiner Biografie erzählt Elgert auch vom damaligen Meisterschaftsfinale. © Ralf Pieper
Abgerundet wird die Biografie mit unzähligen Gastbeiträgen alter Weggefährten wie Manuel Neuer, Mesut Özil, Julian Draxler, Benedikt Höwedes und vielen mehr. Jeder, der als Trainer arbeitet, der andere Menschen führt oder sich einfach schlicht und ergreifend für Motivation und den zwischenmenschlichen Umgang interessiert, sollte einen Blick in die Biografie Elgerts werfen.
Einer, der im Übrigen auch in der Liste der alten Weggefährten auftauchen könnte, ist ein in Fußball-Dorsten bekannter: Toni Timmermann. Der ehemalige Verteidiger des SV Schermbeck und Trainer der Damenmannschaft des TuS Gahlen spielte Anfang der 90er-Jahre unter Elgert beim SVS. Zusammen stiegen sie in der Saison 1993/94 in einem dramatischen Finale von der Kreis- in die Bezirksliga auf. Auch diese Episode hat es in die Biografie geschafft. Der Schalker U19-Trainer vergleicht den Schermbecker Aufstieg nämlich mit einer vielen Fußballfans berühmt, berüchtigten Deutschen Meisterschaft.
Als Schalke 2001 beinahe Deutscher Meister wurde, war Elgert ebenfalls im Stadion. Als der Hamburger SV im Parallelspiel gegen den FC Bayern das 1:0 in der 90. Minute schoss, hieß es, Schalke sei Meister. 65.000 Zuschauer im Parkstadion lauschten Radios, warteten auf weitere Informationen. Handys gab es zu der Zeit noch nicht. Mal eben googeln, wie weit das Spiel zwischen dem HSV und dem FCB vorangeschritten war, war damals noch nicht möglich.
Plötzlich sagte der heutige Sky-Reporter Rolf Fuhrmann, damals bei Premiere tätig, der S04 habe es geschafft, das Spiel in Hamburg sei aus. Fans liefen auf den Platz, lagen sich mit den Spielern in den Armen. Doch dann flimmerte der Stadionbildschirm auf. Live-Szenen aus dem Spiel zwischen Hamburg und Bayern. Alle sahen mit an, wie der FC Bayern in der 94. Minute den Ausgleich schoss – und so doch noch Deutscher Meister wurde.
Zurück zum Geschehen in Schermbeck. In seiner Biografie schreibt Elgert, dass er während der gesamten Wartezeit damals im Parkstadion an etwas denken musste, was er mit dem SVS gut sieben Jahre zuvor erlebt hatte.
Topduell am vorletzten Spieltag
Toni Timmermann erinnert sich: „Wir wollten bereits seit einigen Jahren aufsteigen, haben es aber nicht geschafft.“ In dieser Saison war es wieder soweit: Die Schermbecker spielten unter Elgert oben mit. Der Trainer selbst „wollte diesen Aufstieg unbedingt, auch für mein Selbstvertrauen als Coach.“ Zwei Spieltage vor Saisonende war der SVS aber noch Tabellenzweiter und musste im direkten Duell gegen den VfL Ramsdorf, der damals Tabellenführer war, ran.
Der VfL hatte zwei Punkte mehr als Schermbeck, nach der damaligen Zwei-Punkte-Regelung also einen Sieg mehr. Die Schermbecker Jungs baten deshalb ihren Trainer, einen ehemaligen Profispieler für Schalke, Westfalia Herne und die SG Wattenscheid 09, noch einmal die Schuhe zu schnüren. Elgert erklärte sich bereit – und traf vor 1000 Zuschauern zum entscheidenden 2:1 für den SVS.
Schermbeck zog mit Ramsdorf gleich, die Entscheidung musste also am letzten Spieltag fallen. Timmermann erinnert sich noch heute, als wären die Geschehnisse gestern gewesen: „Wie wir da gezittert und mitgefiebert haben, das ist mir noch heute vor Augen.“
Banges Warten in Zeiten ohne Handy
Der SVS musste gegen den TSV Raesfeld ran, während Ramsdorf auf den FC Rhade II traf. Als kleinen Exkurs: Beim FC Rhade heuerte Elgert im Jahr 1995 an und trainierte eine Saison lang das Team in der Westfalenliga. Aber zurück zur Geschichte: Schermbeck gewann gegen Raesfeld mit 4:0. Nun begann die schlimmste Zeit für alle Schermbecker.
Das Spiel der Ramsdorfer begann nämlich etwas später als das des SVS. Ohne Handys oder sonstige Personen vor Ort wusste keiner, wie das Spiel des VfL bei der Rhader Reserve ausgegangen war. Bei einem Sieg des Konkurrenten hätte es ein Entscheidungsspiel gegeben. Mehrmals versuchte ein Betreuer der Schermbecker im Clubheim des FC Rhade anzurufen, mehrmals erreichte er niemanden. „Das war so zermürbend“, erinnert sich Timmermann. „Was ist, wenn wir noch einmal scheitern?“, fragte er sich.
Doch Schermbeck scheiterte nicht. Als schließlich jemand im Rhader Clubheim den Hörer abnahm, erhielt der SVS die frohe Kunde. Ramsdorf gewann nicht. Und Elgert schreibt, „dass wir anders als Jahre später Schalke 04 tatsächlich Staffelmeister geworden waren und aufstiegen“.
Norbert Elgert trat als Heino auf
Ganz Schermbeck feierte – und einer ganz besonders. Norbert Elgert verkleidete sich als „Heino“ und imitierte den Volksmusiksänger. Neben „Karneval in Rio“ performte er auch den berühmten Song „Blau blüht der Enzian.“ „Da war was“, weiß auch Timmermann noch heute. „Aber wie das genau war, habe ich dann doch vergessen.“ Wen wundert es? Die Stunden nach der Meisterschaft feierten die Schermbecker ausgelassen. „Feiern, das konnten wir schon immer beim SVS“, so Timmermann.

Auch den Dorstener Hallenstadtmeister-Titel holten Norbert Elgert (o.l.) und der SVS 1994 nach Schermbeck. © Lars Jendrian
Der ehemalige Abwehrspieler erinnert sich an eine tolle Zeit unter dem Trainer Elgert. „Auch wenn es seine erste Trainerstation war, so war er fachlich fast schon überqualifiziert für uns.“ Timmermann sagt, Elgert sei ein „positiv Verrückter“.
Ein Gegner mit „prominenten Namen“
An eine Anekdote kann sich der damalige Spieler besonders erinnern. „Es war Sommervorbereitung und wir haben einen Waldlauf gemacht. Danach sollte ein Spiel gegen eine Mannschaft mit prominenten Namen stattfinden“, so Timmermann. Alle Spieler waren total kaputt, ein bisschen Bammel vor dem Spiel war auch dabei. Umso erstaunter waren die Spieler, als sie sahen, wer die „prominenten Namen“ waren. „Da standen uns auf einmal unsere Frauen gegenüber auf dem Platz“, sagt Timmermann lachend.
Und sie hatten ein besonderes Accessoire dabei. Denn natürlich spielten die Männer nicht in normaler Ausrüstung gegen ihre Frauen. Statt Fußballschuhen brachten die Frauen ihren Männern Schwimmflossen mit. „Wer gewonnen hat? Das weiß ich heute nicht mehr“, sagt Timmermann lachend. „Aber die Geschichte zeigt, was für ein Trainer und Mensch Norbert Elger ist. Er war schon damals für jeden Spaß zu haben und hat viel Wert auf die Gemeinschaft gelegt.“
Fun-Fact: Das Spiel des SVS gegen die eigenen Frauen, gewannen die Damen knapp mit 5:4. Warum sich Timmermann an das Ergebnis nicht erinnern konnte, vielleicht wollte? Ihm unterlief unter anderem ein Eigentor ...
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