
© Volker Engel
Wacker-Spieler Yogan Henyelbeth Cordero Astacio (26) trainierte einst beim FC Barcelona
SV Wacker Obercastrop
Südamerikanisches Flair in Obercastrop: Der Venezolaner Yogan Henyelbeth Cordero Astacio (26) spielt seit einem Jahr beim SV Wacker Obercastrop. Fast wäre er schon wieder weg gewesen.
Yogan Henyelbeth Cordero Astacio (fortan nur „Yogan“ genannt) dürfte spätestens seit dem vergangenen Wochenende vielen Castrop-Rauxelern ein Begriff sein. Beim Derby gegen den FC Frohlinde hatte der Rechtsverteidiger des SV Wacker Obercastrop auf seiner Seite viel zu tun.
Der Venezolaner lief die rechte Außenbahn rauf und runter, rieb sich immer wieder in Zweikämpfen auf und ließ seine gute Technik aufblitzen, als er beispielsweise in der 15. Minute gleich drei Frohlinder Spieler auf engstem Raum austanzte.
Der Aussetzer nach den Provokationen
Stets hat der 26-Jährige dabei ein Lächeln auf den Lippen, doch in der 22. Minute verschwand der positive Gesichtsausdruck. Nachdem Yogan zuvor schon in einigen Zweikämpfen von seinem Gegenspieler Dietrich Liskunov beackert und provoziert worden war, hatte der Venezolaner einen Aussetzer und verpasste dem Frohlinder eine Kopfnuss. Die Folge: die Rote Karte.
„Yogan ist eigentlich immer ein cooler Typ. Ihm tat es im Nachhinein am meisten leid, es sind auch Tränen geflossen“, berichtete sein Trainer Aytac Uzunoglu nach der Partie.

Das Ende des Spiels für Yogan Henyelbeth Cordero Astacio (verdeckt) gegen den FC Frohlinde. Er sah nach einem Kopfstoß die Rote Karte. © Volker Engel
Noch auf dem Feld sah ihn sein Teamkamerad Julian Ucles Martinez (25) ratlos an. „Yogan, warum?“, fragt er. Eine Antwort bekommt der Spanier nicht. Dabei ist es Ucles Martinez zu verdanken, dass Yogan überhaupt in Obercastrop Fußball spielt bzw. sich überhaupt in Deutschland befindet.
Die beiden spanisch-sprechenden Fußballer kennen sich bereits seit 13 Jahren. Yogan, der im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie von Venezuela nach Burgos in Spanien auswanderte, besuchte zusammen mit seiner Mutter in Granada einen Freund.
Durch den Fußball lernte er dort Julian Ucles Martinez kennen. Die beiden spielten so gut, dass sie für eine Auswahlmannschaft bei einem großen Turnier auflaufen sollten.
Das Probetraining beim großen FC Barcelona
Ucles Martinez und Yogan machen durch gute Leistungen auf sich aufmerksam und bekommen einen wichtigen Anruf: vom großen Traditionsklub FC Barcelona. Die Nachwuchsspieler wurden zu seinem Probetraining nach Barcelona geladen.
Zu einem Vertrag in Barcelona reichte es aber nicht: „Es war gut, eine schöne Erfahrung. Aber die haben uns gesagt, dass wir nicht besser waren als die Spieler, die schon bei Barcelona spielen“, sagt Julian Ucles Martinez.

Ein Bild aus dem Jahr 2008 aus gemeinsamen Jugendzeiten bei CD Huescar, einem spanischen Klub aus Granada. Yogan Henyelbeth Cordero Astacio (unten, 2.v.l.) und Julian Ucles Martinez (unten, 2.v.r.) liefen damals bereits im gleichen Team auf. © CD Huescar (Instagram)
Dafür zog es die beiden Nachwuchskicker in die Jugendabteilung des damaligen spanischen Zweitligisten Real Murcia. Der Beginn einer großen Freundschaft. „Wir haben zusammen in Murcia gewohnt. Heute kann ich sagen: Yogan ist nicht nur mein Freund, er ist für mich wie ein Bruder“, so Ucles Martinez.
Knapp anderthalb Jahre spielte das Duo in Murcia, dann trennten sich die Wege für einige Jahre. Ucles Martinez spielte unter anderem für GV Gava in der vierten spanischen Liga, Yogan für Universidad de Burgos und Real Burgos in der dritten und vierten Liga.
Das Gehalt in Spanien reicht nicht für ein tolles Leben
Beim Fußball lief es gut, doch der Alltag gestaltete sich schwierig in Spanien. „In Spanien hat man nur wenig Lebensqualität, man überlebt mit seinem Gehalt nur. Deshalb bin ich nach Deutschland gegangen“, sagt Julian Ucles Martinez. Vor vier Jahren wagte er den Schritt und bereut ihn bis heute nicht – vor allem nicht, seitdem ihm Yogan im Februar 2019 folgte.
„Er hatte mich besucht, in der Woche hatte ich aber Training bei Wacker Obercastrop. Yogan durfte mittrainieren und überzeugte unsere Trainer“, so Julian Ucles Martinez. Der Verein verschaffte Yogan einen Job, der Venezolaner blieb in Deutschland, obwohl es ein großes Problem gab: die Sprache. Yogan sprach kein Wort Deutsch.

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„Es war aber nicht so schlimm, wie ich am Anfang dachte. Die Teamkameraden und der Verein haben mir sehr geholfen. Zudem waren Julian und Kevin Pflanz ebenfalls ein wichtiger Faktor“, so Yogan. Kevin Pflanz ist nämlich der dritte spanisch-sprechende Fußballer im Team der Obercastroper.
Yogan fühlt sich wohl in Deutschland, doch eine große Krise musste er bereits überwinden. Beim Pokal-Finale im Mai 2019 gegen den DSC Wanne-Eickel (5:6 nach Elfmeterschießen) verletzte sich der Venezolaner am Fuß und fiel bis Ende August aus.
Kein Job, kein Fußball: eine schwierige Zeit für Yogan
Es folgte das Comeback Ende August 2019 gegen den FC Frohlinde, doch in der anschließenden Trainingswoche machte der Fuß wieder Probleme: erneut drei Monate Pause. „Es war eine sehr schwere Phase. Durch die Verletzung verlor ich meinen Job, konnte keinen Fußball spielen und kein Geld verdienen“, sagt Yogan rückblickend.
Eine der schwierigsten Zeiten seines Lebens, Yogan dachte an die Rückkehr nach Spanien. Doch er blieb und beeindruckte damit vor allem Julian Ucles Martinez: „Ich dachte, dass er tatsächlich zurückgeht. Aber das zeigt seinen starken Charakter, ich habe großen Respekt davor.“
Mittlerweile hat Yogan in Deutschland Fuß gefasst. Er arbeitet bei einer Straßenbau-Firma, nur mit der Sprache hapert es noch etwas, es wird aber von Tag zu Tag besser. „Wenn du in einem fremden Land bist und die Sprache nicht kannst, dann hast du ein Problem“, sagt Julian Ucles Martinez aus eigener Erfahrung, der nach vier Jahren in Deutschland mittlerweile fließend deutsch spricht.
Nun muss der Venezolaner aber zunächst eine neue Krise überwinden: die Sperre nach der Kopfnuss. Dann wird der 26-Jährige wieder stets mit einem Lächeln im Gesicht die rechte Außenbahn des SV Wacker Obercastrop auf und ab laufen.
Von Freunden "rasender Reporter" genannt. Immer auf der Suche nach neuen Themen - Sport und Lokal. Im "Juwel im Revier" (Castrop-Rauxel) zuhause.
