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Castrop-Rauxeler Experten sind sich einig, welche Qualität Deutschland gegen Frankreich fehlte
Fußball-EM
In die Fußball-EM ist Deutschland mit einer 0:1-Niederlage gegen Frankreich gestartet. „Nicht schön - kann passieren - ist aber kein Beinbruch“, so der Tenor einiger Experten aus Castrop-Rauxel.
Dass die deutsche Gruppe bei der Fußball-Europameisterschaft 2021 die schwerste ist - mit Gegner wie Frankreich, Portugal und Ungarn. Darüber gibt es keine zwei Meinungen. Dennoch bestehe für das deutsche Team kein Grund nach dem 0:1 gegen Frankreich, die Köpfe hängen zulassen. „Wir gewinnen gegen Portugal und Ungarn“, war nicht nur einmal zu hören von Castrop-Rauxeler Fußball-Experten.
Wagener sah einen verbesserten Kroos
Frank Wagener, Sportlicher Leiter beim SV Wacker Obercastrop, hat Deutschland beim 0:1 nicht schlecht gesehen: „Die Franzosen haben aber verdient gewonnen.“ Für Wagener war Toni Kroos stark in der Balleroberung, dann hätten ihm und auch Gündogan aber die Ideen gefehlt, um Müller, Havertz und Gnabry besser in Szene zu setzen. „Gegen Portugal wird alles besser“, ist Wagener überzeugt.
Jimmy Thimm, Trainer des Landesligisten FC Frohlinde, meint: „Die deutsche Spielanlage war gut - nach vorne aber zu harmlos. Uns fehlt ein echter Mittelstürmer im Strafraum.“ Wenn Ex-Torjäger Miroslaw Klose (der war Zuschauer in München) sich für eine halbe Stunde das Trikot übergestreift hätte, wäre im französischen Strafraum mehr Alarm gewesen.
Das von Jogi Löw beim FC Barcelona kopierte einstige Guardiola-System mit einer falschen Neun klappe nicht, weil „wir eben keinen Messi haben“. Trotz der Niederlage sieht Thimm gute Chancen im nächsten Spiel: „Portugal hat ein paar gute Zocker - die sind insgesamt aber nicht so stark wie die französischen Spieler.“
Ingmar Holtkamp, Spieler bei Bezirksligist SG Castrop, hat erkannt: „Deutschland hat ein ordentliches Spiel gemacht. Alle haben gekämpfst, es fehlte aber an Durchschlagskraft nach vorne.“ Den Mittelfeldstrategen Kroos und Gündogan hätten die Ideen gefehlt, um gegen Frankreichs starker Abwehr zu Torchancen zu kommen.
„Der französische Fußball ist Offensiv wie Defensiv eine oder sogar zwei Klassen besser als der deutsche Fußball.“ Für Holtkamp kamen die Wechsel zu spät. „Warum Löw nach der Einwechselung einen Mittelstürmer wie Volland auf der linken Seite rumturnen lässt, habe ich nicht verstanden.“
Peter Wach, Geschäftsführer der Spvg Schwerin: „Ich hatte nichts anderes erwartet als eine Niederlage. Deutschland hat aber ordentlich gespielt. Keinen Vorwurf an Hummels - solch ein Eigentor passiert halt mal.“ Wach gibt zu, dass er kein Kroos-Freund ist, hat den Spielmacher diesmal aber stark gesehen. Im vorderen Drittel vor dem französischen Tor sei trotzdem zu wenig passiert.
„Von Gnabry kam nichts. Von Sane halte ich überhaupt nichts. Und Werner bleibt ein Chancentod. Warum Volland so spät eingewechselt wurde, ist mir unverständlich - was der dann auf der linken Seite sollte, verstehe ich überhaupt nicht“, so Wach, dem Goosens gut gefallen mit dessen Dampf über die linke Seite. „Es wäre schön, wenn wir die Vorrunde erfolgreich überstehen.“
Danny Jordan, Trainer des Kreisligisten SG Victoria/SF Habinghorst, sagt: „Bis zum Sechzehner sah das deutsche Spiel gut aus - bis zum französischen Tor passierte danach nur wenig.“ Die deutsche Abwehr habe gut gestanden gegen Frankreichs viele Ausnahmespieler. „Gündogan und Havertz waren nicht im Spiel - und Kimmich auf der rechten Seite verschenkt.“ Dem deutschen Team fehle ein Stürmer, der im Strafraum angespielt werden kann und für Gefahr sorgt.
Marc Olschewski, Trainer des A-Kreisligisten VfB Habinghorst, meint: „Frankreich war besser. Unsere Mittelfeldspieler Kroos und Gündogan haben das Tempo verschleppt - Kimmich hat in der Mitte gefehlt.“ Frankreich sei insgesamt gefährlicher besetzt als die deutsche Mannschaft. „Das hat sich bei den zwei Abseitstoren der Franzosen gezeigt, als die mit zwei, drei Mann blitzschnell vorne waren. Offensiv ist Frankreich der Wahnsinn.“
Warum Bundestrainer Löw nicht früher Kevin Volland eingewechselt hat, versteht Olschewski nicht: „Volland hat bei Monaco eine Supersaison gespielt, Der gehört aber in den Strafraum und nicht auf die linke Seite.“ Zum nächsten Gegner Portugal sagt Olschewski: „Deren 3:0 gegen Ungarn hört sich gut an, dafür brauchte sie in der Schlussphase einen abgefälschten Ball und einen Elfmeter. Deutschland hat gute Siegchancen gegen die Portugiesen.“
Über 30 Jahre als Sportredakteur aktiv, bin ich nun im "Unruhestand" seit der Saison 2018/2019 als Freier Mitarbeiter für den Castroper Sport am Ball - eine neue, spannende Erfahrung. Meine journalistischen Fachgebiete sind alle Ballsportarten, die Leichtathletik und Golf. Mit den deutschen Spitzen-Fechtern war ich in den frühen 2000er-Jahren bei Welt- und Europameisterschaften in der "halben Welt" unterwegs.