
© Volker Engel
2010 entschieden kaputte Schuhsohlen das eiskalte Castrop-Rauxeler Landesliga-Derby
Sportgeschichte
2010 war das Wort „Pandemie“ eine Vokabel im Biologiebuch. Damals waren im Castrop-Rauxeler Fußball zwei Clubs tonangebend, die jetzt die zweite Geige spielen. Sie lieferten sich zwei heiße Derbys. Eines bei Tiefkühltemperaturen.
Während im Dezember 2020 der Begriff Corona-Pandemie in aller Munde ist, tauchte das Wort „Pandemie“ vor 10 Jahren nur im Hollywoodfilm „Outbreak – Lautlose Killer“ (von 1995) auf. Wir schauen zurück auf das Castrop-Rauxeler Sportgeschehen im Jahr 2010 - mit einigen Bildern.
Wacker Obercastrop und FC Frohlinde hatten keine Aktien im Landesliga-Derby
Am 13. März 2010 gab es in der Fußball-Landesliga ein Castrop-Rauxeler Lokalderby, das nicht mit den heutzutage üblichen Verdächtigen stattfand. Weder der aktuelle Westfalenligist Wacker Obercastrop noch der FC Frohlinde (Landesliga) hatten damals Aktien in der Begegnung.

Lieferten sich im März 2010 kernige Derby-Zweikämpfe: Schwerins Daniel Wiencek (r.) und Habinghorsts Björn Schmidt. © Volker Engel
Um das Duell zwischen der Spvg Schwerin und dem VfB Habinghorst war letztlich das letzte Landesliga-Derby für die folgenden 8 Jahre und 5 Monate. Um das Spiel ranken sich einige Anekdoten und Geschichten. Das fing schon zwei Monate vor Anpfiff an. Da vermeldete der VfB-Trainer Dieter Beleijew, dass die Schweriner Cihangir Sahinli und Stephan Hornberger in den Habinghorster „Habichthorst“ wechseln - also zum Erzfeind.
Beleijew sagte damals: „Ich freue mich, dass sie kommen. Sie sind beide pfeilschnell und potentielle Stammspieler. Sie werden sich freuen, auf unserem neuen Rasen zu spielen.“ Hornberger habe zunächst zum Hombrucher SV wechseln wollen, entschied sich aber doch noch für Habinghorst.
Hansi Lewark, der damalige Coach der Spvg Schwerin, konnte für den Abstiegskampf, in dem beide Lokalrivalen steckten sogar sieben Neuzugänge verpflichten. Der flinke Stürmer Peter Elbers kam vom damaligen vom Landesliga-Spitzenreiter SW Wattenscheid 08 an den Grafweg. Ebenfalls schnell auf den Beinen war Christopher Bogdan vom TuS Heven.
Bester Schalker Spieler kam zum Grafweg
„Als B-Junior war er beim FC Schalke 04 einst Spieler des Jahres“, schwärmte Lewark von seinem Neuzugang. Die weiteren Neuen waren Daniel Reuscheck, Marcel Herzog (beide Hombrucher SV), Daniel Reuscheck (Mengede), Lennart Sülow (SW Wattenscheid) sowie Alessandro Scarvone vom Schweriner Rivalen im Abstiegskampf, FC Vorwärts Kornharpen.

Beim Hinspiel waren es noch über 600 Zuschauer. Im März 2010 kamen - wohl auch wegen der Kälte - nur 250 Gäste zum Landesliga-Derby zwischen Schwerin und Habinghorst. © Volker Engel
Mitte März 2010 zogen Schnee-Schauer über das Ruhrgebiet. Wegen der hohen Schneedecke war das Derby - trotz Kunstrasen auf Schwerin - gefährdet. Vor dem Samstag, an dem die Partie stattfand, setzte allerdings Tauwetter ein. Das änderte allerdings nichts daran, dass ab 16 Uhr am Grafweg Tiefkühltemperaturen herrschten. Das hielt offenbar viele Fußball-Fans von einem Besuch ab. Anstatt der 600 Zuschauer des Hinspiels im September 2009 kamen nur 250 Gäste.
Die Spvg Schwerin kam am Ende zu einem 2:0 (0:0)-Sieg gegen den VfB Habinghorst. Als Torschützen zeichneten sich Ioannis Tsotoulidis (63.) und Peter Elbers (83.) aus. Der Artikel unserer Redaktion war damals überschrieben mit „Schwerin gelingt Revanche“ überschrieben. Denn in der Hinrunde hatte der VfB mit 3:2 (1:0) gewonnen.
Durch den Rückrunden-Sieg kletterten die Schweriner aus dem Tabellenkeller und waren Zehnte. Am Ende der Saison stiegen sie allerdings als Schlusslicht mit sechs Punkten Rückstand auf das rettende Ufer ab. Die Habinghorster, die damals noch Siebte waren, waren auf dem absteigenden Ast.
Die Niederlage am Grafweg war die siebte binnen acht Partien. Dem VfB verhalf ein 3:2-Sieg am abschließenden Spieltag gegen die SG Langenbochum auf der Ziellinie zum Klassenverbleib. Ein Jahr später mussten aber auch die Habinghorster den Gang in die Bezirksliga antreten.
Sohlen lösten sich
Gut in Erinnerung ist das Lokalderby dem damaligen Habinghorster Trainer Dieter Beleijew nach dem Blick auf die Zeitungsseite von 2010. Auf der war ein Text mit den Worten überschrieben: „Schuld in die Schuhe geschoben“ – weil Habinghorst-Kapitän Gordon Schwarze und Andre Pape mit kaputtem Schuhwerk zu kämpfen hatten.
Die Sohlen lösten sich ab – und es war kein Ersatz vorhanden. Nur Stollenschuhe, die aber auf dem Kunstrasen nicht getragen werden durften. Beleijew sagte dazu rückblickend: „So etwas durfte natürlich nicht passieren. Zumal Gordon Schwarze dadurch seinem gefährlichen Gegenspieler Peter Elbers nicht richtig hinterherlaufen konnte. Gordon hat pro Saison aber 28 absolute Topspiele abgeliefert. Da hatte er natürlich das Recht auf zwei schlechte Partien.“

Habinghorsts Kapitän Gordon Schwarze (r.) hatte enorme Schuhprobleme am Grafweg. © Volker Engel
Beleijew wurmte die Niederlage aus zwei weiteren Gründen: Zum einen ist die Spvg Schwerin sein Stammverein. Zum anderen fungierte damals sein Neffe Sascha Beleijew dort als Sportlicher Leiter.
Tatsächlich nur 250 Fans schauten beim Derby am Grafweg zu. Das war wohl auch den Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt geschuldet. Im Hinspiel in der Kampfbahn Habichthorst waren es noch zahlende 600 Zuschauer gewesen.
„Gefühlte 800 Zuschauer“, meint der heutige VfB-Coach Marc Olschewski, der damals im Habinghorster Mittelfeld agierte, davor und danach aber auch für Schwerin spielte: „Leider hat beim Rückspiel das Wetter nicht mitgespielt. Eigentlich war die Verlegung von Sonntag auf Samstag wie im Hinspiel doch die perfekte Einladung für dieses Spiel.“ Obwohl ein paar Kilometer weiter zeitgleich der VfL Bochum die Borussia Dortmund zum Bundesliga-Duell empfing.

Schwerins Trainer Hansi Lewark (l.) freute sich zusammen mit Vaidas Rocys über den 2:0-Derby-Sieg am Grafweg. © Volker Engel
Als Nachfolger von Aufstiegs-Coach Helmut Schulz war im März 2010 Hans Jürgen Lewark Trainer der Spvg Schwerin. Er rückte von der zweiten Mannschaft (Kreisliga A) auf – und berichtete in einem Rückblick: „Eigentlich war die Mannschaft von den Namen her absolut top. Mit einigen der Spieler hat es richtig Spaß gemacht zu arbeiten.“
Zwischen den Zeilen hörte man beim Coach heraus, was die Spatzen damals von den Dächern pfiffen: Einige blau-gelbe Akteure haben ihr Engagement Woche für Woche vor allem von der Aufwandsentschädigung abhängig gemacht. Nach Schulz und Lewark versuchte sich in Jürgen Klahs noch ein dritter Trainer in der Abstiegs-Saison am Landesliga-Projekt – vergebens.

Der technisch versierte Ahmet Caki (r.) wirbelte 2010 die Habinghorster Abwehr durcheinander. © Volker Engel
VfB-Derby-Trainer Dieter Beleijew betreute nach seiner Zeit in Habinghorst das Team von Germania Datteln und hatte ein kurzes Gastspiel bei seinem Stammverein Spvg Schwerin. Trotz Anfragen hält er sich seit einigen Jahren aus dem Trainer-Geschäft heraus.
Ein Journalist macht sich aus Prinzip keine Sache zu eigen, nicht einmal eine gute (dieses Prinzip ist auch das Motto des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises).
