Von der Kleinstadt in die Großstadt. Vom Elternhaus ins Sportinternat. Vom Dorfverein in die Bundesliga. Lotte Iker (15) aus Stadtlohn hat beim BVB einen steilen Aufstieg hingelegt.

Stadtlohn

, 17.01.2019, 12:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Ein verregneter Sonntagnachmittag im Januar. Trist ist es draußen. Anders sieht es in der Sporthalle an der Dortmunder Kreuzstraße aus. Hier ist es warm und es herrscht gute Stimmung. Die A-Jugend-Handballerinnen von Borussia Dortmund bestreiten heute ihr erstes Spiel in der Bundesliga-Zwischenrunde. Gegner ist der TV Aldekerk. Der Hallensprecher stellt alle Spielerinnen beim Einlaufen namentlich vor. Auch die BVB-Akteurin mit der Nummer 2 auf dem Trikot: Lotte Iker aus Stadtlohn. Die 15-Jährige zählt eigentlich noch zum Jungjahrgang der B-Jugend. Heute steht sie zum vierten Mal im Kader der A-Jugend.

Lehrgang mit der Nationalmannschaft

2018 hat Lotte Iker große Fortschritte gemacht, sogar ihren ersten Lehrgang mit der U17-Nationalmannschaft absolviert, und soll jetzt bei den älteren Mädchen weiter gefördert werden. Aber nicht nur dort. Kurz vor Weihnachten haben die Dortmunder sie auch in der Kader der zweiten Damenmannschaft aufgenommen, die in der 3. Liga spielt. „Lotte hat sich im vergangenen Jahr enorm weiterentwickelt, vor allem im spieltaktischen Bereich. Für ihre Arbeit ist sie jetzt belohnt worden“, sagt Tobias Fenske. Er ist beim BVB Trainer der A-Jugend und der zweiten Damen.

Von der Bank aus feuert Lotte Iker ihre Mitspielerinnen vom BVB an

Von der Bank aus feuert Lotte Iker ihre Mitspielerinnen vom BVB an © Sascha Keirat

Beim A-Jugendspiel muss sich Lotte Iker in Geduld üben. Von der Bank aus feuern die anderen Ersatzspielerinnen ihr Team an. Mit Erfolg. Der BVB setzt sich Tor um Tor ab. Mit 29:19 liegt Dortmund bereits vorne, als Lotte Iker in der 51. Minute eingewechselt wird. Auf ihrer Position im linken Rückraum ist sie voll ins Spiel eingebunden. Wie sich die Stadtlohnerin schlägt, das verfolgen von der Tribüne aus auch ihre Mutter Anne sowie Frank Kösters und Steffi Kömmelt von der DHG Ammeloe/Ellewick. In Vreden hat sie vor ihrem Wechsel ins Dortmunder Sportinternat zu Beginn des Schuljahres 2017/18 gespielt. Der DHG-Vorsitzende und Lotte Ikers langjährige Trainerin verfolgen ihren Weg durchaus mit Stolz. „Das ist schon eine tolle Sache, wie es für Lotte vorangeht. Es kommt ja nicht alle Tage vor, dass eine Spielerin hier aus dem Kreis auf so hohem Niveau spielt“, sagt Frank Kösters.

Platz zwei beim Deutschland-Cup

Viele Gelegenheiten, sich in Szene zu setzen, bieten sich Lotte Iker auf der Platte nicht. Ihr Team spielt den klaren Sieg nüchtern herunter. Dennoch jubelt sie nach dem Ertönen der Schlusssirene mit ihrem Team. Dass die Gymnasiastin nur für gut zehn Minuten auf dem Parkett stehen würde, war vorher absehbar. Zum einen liegt ein anstrengendes Wochenende mit sieben Spielen beim Deutschland-Cup hinter ihr, dem wichtigsten nationalen Nachwuchsturnier. Mit der Westfalenauswahl holte sie einen starken zweiten Platz. Allein im Finale gegen den Verband Württemberg gelangen ihr sieben Treffer. Zum anderen steht für die Stadtlohnerin direkt nach der A-Jugend-Partie noch das Oberligaspiel mit der B-Jugend an, wo sie zu den Leistungsträgerinnen zählt. Zum 37:24-Sieg gegen die HSG Westhofen/Schwerte steuert sie fünf Tore bei.

Mutter Anne Iker (l.) und Frank Kösters, Vorsitzender der DHG Ammeloe/Ellewick verfolgten das Spiel.

Mutter Anne Iker (l.) und Frank Kösters, Vorsitzender der DHG Ammeloe/Ellewick verfolgten das Spiel. © Sascha Keirat

Mit ihren 15 Jahren hat Lotte Iker schon ziemlich viel um die Ohren. Neben dem Schulalltag am Goethe-Gymnasium nimmt der Handball eine Menge Zeit ein. Etwa acht Trainingseinheiten stehen pro Woche an. Zwei mit den Damen und der A-Jugend, die ihre Einheiten gemeinsam absolvieren, die restlichen mit der B-Jugend. „Das verträgt sich aber alles gut mit der Schule, weil sie ja mit dem Olympiastützpunkt kooperiert“, sagt Lotte Iker. Eine Umstellung sei es zwar schon, wenn sie bei den „Großen“ mitspiele. Doch dass viele der Spielerinnen mit ihr im Internat leben, habe die Eingewöhnung leichter gemacht.

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Wenn am Wochenende Zeit bleibt, verbringt Lotte Iker diese bei ihren Eltern in Stadtlohn. Die verfolgen die Entwicklung ihrer Tochter natürlich hautnah mit. „Lotte kann schon stolz darauf sein, was sie bis jetzt erreicht hat“, sagt Mutter Anne. „Sie muss sich selbst gut organisieren bei all den Terminen, macht sich dabei aber überhaupt keinen Stress.“ Lob für ihren „rasanten Aufstieg“ spricht ihr auch Trainer Tobias Fenske aus. „Es ist ja nicht ganz einfach, das elterliche Umfeld in einer Kleinstadt zu verlassen und sich in der Großstadt zurechtzufinden. Dabei dann auch noch im Sport und in der Schule seine Leistung zu bringen, das muss man in dem Alter erst mal hinkriegen.“

Noch am Anfang der Karriere

Der Coach hat Lotte Iker als „sehr unbekümmerte junge Dame“ kennengelernt, „die sich aber stark fokussieren kann, wenn es ernst wird“. Natürlich stehe sie noch am Anfang ihrer Karriere und sei eines von vielen großen Talenten im BVB-Nachwuchs. „Was sie aber von anderen unterscheidet, ist ihre unglaubliche athletische Grundausbildung“, sagt Fenske. Denn bevor die Stadtlohnerin sich auf den Handball festgelegt hat, war sie bereits beim SuS Stadtlohn erfolgreiche Leichtathletin auf Westfalenebene und trainierte am Landesstützpunkt Münster. Dass ihre Wahl für den Handball die richtige war, dessen war sich Lotte Iker schon nach kurzer Zeit beim BVB ziemlich sicher.

Einen „rasanten Aufstieg“ bescheinigt ihr Trainer Lotte Iker.

Einen „rasanten Aufstieg“ bescheinigt ihr Trainer Lotte Iker. © Sascha Keirat

Eine Bestätigung dafür ist auch der Platz im erweiterten Kader der U17-Nationalmannschaft. Im Dezember absolvierte sie ihren ersten Lehrgang im Team von Trainer Maik Nowak. „Sie hat sich in den letzten Monaten gut entwickelt und auch bei uns schon vieles angedeutet. Natürlich ist die Konkurrenz in der Nationalmannschaft aber sehr groß“, so Maik Nowak, der Lotte Ikers weitere Schritte im Verein gespannt verfolgen werde. Dazu steht er im ständigen Austausch mit den Vereinstrainern. Außerdem kann er die Trainingsdokumentation all seiner Spielerinnen einsehen und bei Spielen in der dritten Liga auch Video-Material.

„Wir haben dreimal am Tag trainiert, nach vier Tagen war ich so kaputt.“

Dass in der Nationalauswahl noch mal ein ganz anderer Wind weht, hat auch Lotte Iker beim Lehrgang gespürt. „Das war schon noch mal was Besonderes. Wir haben dreimal am Tag trainiert, nach vier Tagen war ich so kaputt. Und am letzten Tag musste ich dann auch noch eine Klausur schreiben.“ Doch trotz der Strapazen bereite ihr der Leistungssport weiterhin großen Spaß. Dazu tragen die jüngsten Erfolge natürlich bei. Und der nächste Schritt steht schon unmittelbar bevor: Am Sonntag, 20. Januar, steht Lotte Iker erstmals im Drittliga-Kader der BVB-Damen. Sich dort zu behaupten und irgendwann auch in der Damen-Bundesliga zu spielen, darauf hofft Lotte Iker schon. So weit will sie aber jetzt noch gar nicht denken. Sie befasst sich aktuell mit ihrem großen Ziel für 2019: für Deutschlands U17 bei der Europameisterschaft aufzulaufen.