
© Sascha Keirat
„Ich habe nicht ohne Grund zugehauen“: Strafen nach Schlägerei bei Pokalfinale stehen fest
Eskaliertes Pokalfinale
Fliegende Fäuste, Beleidigungen, Schläge gegen Schiedsrichter. Die Tumulte nach dem Kreispokalfinale zwischen SpVgg Vreden und SuS Stadtlohn beschäftigten nun das Kreisjugendsportgericht.
Kollektives Aufatmen bei der SpVgg Vreden und dem SuS Stadtlohn. Das Kreisjugendsportgericht hat am Mittwoch im Verfahren gegen die beiden Vereine und deren Spieler milde Urteile gesprochen.
Die Vorgeschichte: Einen Monat ist es her, dass sich die A-Junioren des SuS Stadtlohn und der SpVgg Vreden im Kreispokalfinale in Dülmen gegenüberstanden. Nach dem Schlusspfiff war es (wie mehrfach berichtet) auf dem Platz zu tumultartigen Szenen gekommen. Erst flogen Beleidigungen, dann die Fäuste. Mittendrin: das dreiköpfige Schiedsrichtergespann.
Vor den vier Mitgliedern des Kreisjugendsportgerichts schilderten alle Parteien und außenstehende Zeugen ihre Sicht der Dinge. Christoph Kondring, Vorsitzender der SpVgg, versuchte, die Geschehnisse zunächst herunterzuspielen: „Es war eine Rangelei, keine wilde Schlägerei. Da wurde im Nachgang sehr übertrieben.“ Er räumte jedoch ein: „Einer unserer Spieler hat zugeschlagen. Er hat sich mittlerweile entschuldigt. Wir haben den Fall intern aufgerollt und ihm nahegelegt, alle Ämter niederzulegen.“
Vredener Spieler zeigt sich geständig – und meldet sich ab
Der besagte Vredener Spieler, der bis dato auch als Schiedsrichter tätig war, bestätigte, sich schriftlich vom Verein abgemeldet zu haben und auch keine Spiele mehr pfeifen zu wollen. Zum Vorfall sagte er nur so viel: „Ich habe zugehauen, aber nicht ohne Grund. Ich war in Bedrängnis, jemand ist mit der Faust auf mich zu gerannt. Aus meiner Sicht war es Notwehr.“
Obwohl die vier Mitglieder des Gerichts die Ausführungen des Vredeners mit äußerst skeptischen Blicken bedachten, und auch das vorliegende Videomaterial eine andere Sprache spricht, blieb ihnen an diesem Tag nichts anderes übrig, als das Verfahren gegen den Vredener Spieler vorläufig einzustellen. „Wenn er sich wirklich fristgerecht abgemeldet hat, fällt es außerhalb unseres Zuständigkeitsbereiches“, erklärte Nobert Sicking, Vorsitzender Richter des Kreisjugendsportgerichts.
Schubsereien lassen Situation eskalieren
Damit rückten ein anderer Vredener und ein Stadtlohner Spieler in den Fokus, die nach Ausführungen mehrerer Zeugen für die Eskalation gesorgt hatten. Der Vredener erklärte: „Die Fans der Stadtlohner haben schon während des Spiels meine Schwester und Mutter beleidigt. Außerdem haben sie mich ‚Pickelfresse‘ genannt.“
Nach Schlusspfiff habe der Stadtlohner Spieler dann zu ihm gesagt, dass er keinen „geraden Pass“ spielen könne. Daraufhin sei es zu einer kleinen Schubserei zwischen den beiden gekommen. „Auf einmal gab es eine Rudelbildung und auch die Linienrichter kamen dazu“, erklärte der Vredener. Er selbst habe sich schnell aus dem Pulk befreien können und die Szene von da an nur noch von außen beobachtet. Zum Disput mit dem Stadtlohner Spieler sagte er: „Das war nichts Wildes, nur etwas zwischen uns beiden.“
Stadtlohner bestätigt Version des Vredener Spielers
Diese Version wurde zu großen Teilen von seinem Stadtlohner Pendant bestätigt: „Ich hab ihm gesagt, dass er nur Einwürfe kann, weil er damit das Siegtor vorbereitet hatte. Ich würde aber nicht sagen, dass wir beiden der Auslöser waren. Was danach passiert ist, darauf hatten wir keinen Einfluss.“

Nobert Sicking (r.) und Bernhard Mathmann vom Kreisjugendsportgericht nahmen zahlreiche Zeugen ins Kreuzverhör. © Johannes Schmittmann
Auch der Bruder des Stadtlohner stand unter dem Verdacht, in der Rudelbildung ausgeteilt zu haben. Er verteidigte sein Verhalten allerdings vehement: „Ich hörte ein lautes Schreien. Ein Mitspieler wurde auf den Boden geschubst. Da ist es selbstverständlich, dass man den eigenen Spieler verteidigt. Man schubst hier, man schubst da.“ Schwere Vorwürfe richtete er in Richtung der Vredener: „Sie liefen zu meinem Mitspieler und haben draufgetreten und draufgeschlagen. Wir haben ihn nur verteidigt.“
Christoph Kondring, der beim Finale selbst nicht anwesend war, erklärte nach mehrfacher Sichtung des Videomaterials: „Man erkennt eindeutig, dass der Stadtlohner Spieler erbost auf unsere beiden Spieler zugeht. Sie haben ihn dann gemeinsam runtergedrückt. Alle haben sich ein bisschen beharkt und dann ging es ja auch schon wieder auseinander.“
Berni Langener: „Das Video zeigt etwas völlig anderes.“
Diese Aussage brachte Berni Langener, Beisitzer des Kreisjugendsportgerichts, auf die Palme: „Das Video zeigt etwas völlig anderes. Es geht nicht an, dass da Faustschläge ausgeteilt werden. Da hört der Spaß auf. Das war eines Pokalfinales nicht würdig.“ Willy Westphal, Vorsitzender des Fußballkreises Ahaus/Coesfeld, schloss sich an: „Das Video hat mich erschrocken. So etwas geht überhaupt nicht.“
Hauptgrund für Westphals Wut – das wurde schnell klar – war aber nicht der Disput zwischen Vredenern und Stadtlohnern, sondern die im Raum stehende Attacke auf die drei Schiedsrichter. Er verlas den Vermerk der Schiedsrichter aus dem Spielbericht: „Alle drei können froh sein, keine bleibenden Schäden davongetragen zu haben.“ Doch auch die Vernehmung der Unparteiischen brachte kaum Licht ins Dunkel.
Auf Nachfrage erklärte der Hauptschiedsrichter: „Wir standen in einem Pulk von 30/40 Leuten. Wir haben versucht, rauszukommen. Dann habe ich einen Schlag in den Nacken verspürt. Keine Ahnung, ob gezielt oder nicht. Auf jeden Fall habe ich die Handknochen gespürt.“
Schiedsrichter: „Ich war benommen. Es war ein heftiger Schlag.“
Die Schildungen seines ersten Assistenten gingen noch weiter: „Plötzlich war eine Menschenmenge um uns herum. Einer lag auf dem Boden. Im selben Moment habe ich einen Faustschlag voll ins Gesicht bekommen und bin zu Boden gegangen. Ein Spieler mit blauer Jacke hat mir aus dem Trubel herausgeholfen. Ich war benommen. Es war ein heftiger Schlag.“

Das gesamte Schiedsrichterteam wurde ebenfalls angehört. © Johannes Schmittmann
Auch beim Verfassen des Spielberichts und in der folgenden Woche habe er noch Schmerzen im Nasenbereich verspürt. Der zweite Assistent hatte einen Stoß gegen den Kopf abbekommen. Er gab allerdings an, dass es sich sicher nicht um einen gezielten Schlag gehandelt habe.
Aussagen der Zeugen bringen keine Klarheit
Doch auch die Aussagen der weiteren Zeugen – Spieler, Trainer, Zuschauer, Ausrichter und ein Pressevertreter – konnten den Vorfall nicht aufklären. Durchweg wurden die harte Gangart des Spiels, die Pöbeleien der Zuschauer und die souveräne Leitung des Schiedsrichters hervorgehoben. Bis auf den bereits geständigen Spieler der SpVgg konnte keiner zweifelsfrei identifiziert werden.
Für Willy Westphal ein Grund, in seinem Plädoyer zu poltern: „Wir kämpfen seit Monaten im FLVW gegen Gewalt auf dem Platz und jetzt hat es körperliche Gewalt gegen Schiedsrichter gegeben, die nicht aufgeklärt werden kann. Das ist unbefriedigend. Und ich habe nicht den Eindruck, dass die Situation hier ernst genommen wird. Und das von zwei Vereinen, die eigentlich die Vorzeigevereine des Kreises sind.“ Er beantragte, dass die jeweilige A-Jugendmannschaft des SuS Stadtlohn und der SpVgg Vreden vom Kreispokal 2020/2021 ausgeschlossen werden.
Vereine zeigen sich einsichtig
Wilfried Steinhage, Vorsitzender des SuS Stadtlohn, wünschte sich: „Man sollte Maß halten. Wir Vereine haben daraus gelernt.“ Christoph Kondring schloss sich an: „Wir haben uns falsch verhalten. Es war aber sicher keine Absicht, dass die Schiedsrichter etwas abbekommen haben.“

Ralf Hoffmann (l.) und Christoph Kondring vertraten die SpVgg. © Johannes Schmittmann
Die Mitglieder des Kreisjugendsportgerichts ließen sich für die Beratung viel Zeit. Nach einer halben Stunde verkündete Nobert Sicking das Urteil. Die zwei Spieler, die als Auslöser des Konflikts gelten, werden für sechs Wochen gesperrt; ein weiterer Vredener Spieler nach Analyse des Bildmaterials für zwei Monate. Die Vereine werden wegen des Fehlverhaltens von Spielern, Zuschauern und Funktionären zu einer Geldstrafe von je 1500 Euro verurteilt. 500 Euro werden aber jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
Nach dem Urteil zeigten sich die Verantwortlichen beider Lager erleichtert. Allerdings ließen sie noch offen, ob sie Einspruch gegen das Urteil einlegen.
1991 in Ahaus geboren, in Münster studiert, seit April 2016 bei Lensing Media. Mag es, Menschen in den Fokus zu rücken, die sonst im Verborgenen agieren.
