Zwei Generationen Gastronomie und Wirteverein in Legden: Felix Beckhaus und Sohn Andreas freuen sich, dass die „Hermannshöhe“ eine Familienangelegenheit ist.

Zwei Generationen Gastronomie und Wirteverein in Legden: Felix Beckhaus und Sohn Andreas freuen sich, dass die „Hermannshöhe“ eine Familienangelegenheit ist. © Christiane Hildebrand-Stubbe

Von den bekannten 19 Legdener „Quellen“ sind ganz viele längst versiegt

rn120 Jahre Wirteverein

Es ist still geworden um den „Wirteverein Legden“. Nicht nur wegen der Corona-Jahre. Immer weniger gastronomische Betriebe heißt eben auch: weniger Mitglieder. Vor 120 Jahren war das anders.

Legden

, 27.05.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der 7. Mai 1902 ist ein ganz wichtiges Datum in der Geschichte des Dahliendorfes: An diesem Tag setzen vier angesehene Herren des Ortes, allesamt Wirte, ihre Unterschrift unter eine Urkunde: Wilhelm Decker sen., Viktor Heeks, H. Berheide und W. Potthoff. Damit dokumentieren sie die Geburtsstunde des „Wirtheverein Legden“. Im Gründungsjahr ist es ein rein Legdener Verein, später schlossen sich auch die Kollegen aus Asbeck an.

Wilhelm Decker, Hotelier und Mitbegründer des Legdener Wirtevereins, dessen erster Voritzender er auch wird.

Wilhelm Decker, Hotelier und Mitbegründer des Legdener Wirtevereins, dessen erster Vorsitzender er auch wird.

Das Vereinsziel wurde in der Satzung auch schwarz auf weiß niedergelegt: Bezweckt wird „die gegenseitige Unterstützung zur Wahrung und Förderung der Standesinteressen und zur Hebung des Standesansehens.“ Ein dokumentiertes Beispiel, dass man es damit ernst nahm, ist der Einsatz des Vereins 1906 für die Anhebung der Sperrstunde von 10 auf 11 Uhr.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Erst mit der Genehmigung durch den Amtmann von Hülst kann die lokale Interessenvertretung auch offiziell ihre Arbeit aufnehmen. Zuerst unter dem Vorsitzenden, Hotelier Wilhelm Decker, dann unter seinen zahlreichen Nachfolgern. Einige Namen: Viktor Stegerhoff, Fritz Koch, Josef Dapper, Heinrich Homeyer, Josef Lanfer, Hermann Werning. In den folgenden 120 Jahren erleben der Verein und damit natürlich seine Mitglieder erfolgreiche wie heftige Zeiten für die Gastronomie.

Die Weltgeschichte ist eben stets auch in der kleinen münsterländischen Gemeinde spürbar: zwei Weltkriege, Zerstörung, Inflation, Wiederaufbau, Wirtschaftswunder-Jahre und Wirtschaftskrise – das alles ist nicht nur Gesprächsstoff an den örtlichen Theken, sondern entscheidend auch für Gegenwart und Zukunft der Wirtshäuser.

Gastronomie hat lange Tradition

Die hat ihren Ursprung bereits im 17. Jahrhundert. 1661 sind in Legden fünf Gasthäuser dokumentiert. Eines für gehobene Stände, zwei Schänken und zwei Ausspanne, zugeschnitten auf die jeweilige „Zielgruppe“, wie man heute sagen würde. 1774 hatte sich die Zahl bereits verdoppelt: Mit den gemeldeten 10 Gasthäusern liegt Legden seinerzeit auf Platz 5 im Münsterland. Nach Münster (81), Coesfeld (24), Rheine (19) und Dülmen (13). Anfang des 20. Jahrhunderts sind es „19 Quellen“ in Legden, von denen ein Gedicht schwärmt.

In Asbeck sind es da rund sechs. Oft gehört zu einem Gasthaus noch ein „Kolonialwarenladen“ und/oder eine Bäckerei. Ende des 19. Jahrhunderts sollen sogar zwei Ärzte sich in Legden nicht nur medizinisch, sondern auch als Wirte engagiert haben: Chirurg Dr. Theodor Sönneckes und Dr. Anton Richters.

Das Gedicht von 1930 schwärmt von Legdens "19 Quellen". Am Rand ist der Name der Gasthäuser vermerkt.

Das Gedicht von 1925 schwärmt von Legdens „19 Quellen“. Am Rand ist der Name der Gasthäuser vermerkt.

Die gesellschaftlichen Veränderungen aber haben direkte Auswirkungen auch auf das Gastgewerbe. Der Strukturwandel schlägt auch hier zu, sodass immer mehr Betriebe schließen, nur noch rund die Hälfte „überlebt“. Entsprechend sind auch die Mitgliederzahlen des „Wirtevereins“, der seit längerer Zeit unter dem Dach des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) arbeitet, dramatisch gesunken.

Veränderungen live erlebt

Maria und Felix Beckhaus (Hermannshöhe) haben das alles miterlebt und auch die Veränderungen im Wirteverein: „Früher gab es nicht nur regelmäßige Zusammenkünfte, sondern ein buntes Vereinsleben mit Ausflügen, Kegeln, Vogelschießen und Festen.“ Alle zwei Jahre habe es auch ein großes Kreiswirtefest gegeben. Das letzte war dann Anfang der 1960er-Jahre. Felix Beckhaus hält dem Wirteverein dennoch die Treue. Schon seit den 1960er-Jahren ist er als Kassierer für die Finanzen mitverantwortlich. Und Sohn Andreas ist sogar aktueller Vorsitzender des Wirtevereins.

Jetzt lesen

Für den Abwärtstrend in der Gastronomie, den sie seit rund zehn Jahren als besonders stark beobachten, sehen sie mehrere Gründe. „Für die reinen Kneipen war das Rauchverbot sicher ein großes Problem“, vermutet Maria Beckhaus. Weitere Stichworte von Eltern und Sohn: strenge Promille-Grenzen, kein Nachfolger in Sicht, vor allem aber veränderte Lebensgewohnheiten: „Dämmerschoppen und Stammtische gibt es kaum noch, auch den Kneipenbesuch nach der Messe nicht mehr.“ Vieles werde heute auch in den privaten Bereich verlagert. Außerdem werde es für viele immer schwerer, Mitarbeiter zu finden.

Corona verschärft Probleme

Und die Covid-Pandemie hat die Probleme nochmal zugespitzt. Für den jetzigen Vorsitzenden des Wirtevereins ist es daher ein großes Glück, dass bei seinem Hotel-Restaurant Hermannshöhe das Wort Familienbetrieb in vollem Umfang zutrifft. Neben dem 47-Jährigen und seinen Eltern haben auch Ehefrau Britta und die Schwestern Dorothee und Gabriele ihren Arbeitsplatz in der Hermannshöhe. Gemeinsam hätten sie so rechtzeitig die Weichen für die Zukunft stellen können.

Mehr dazu demnächst in der ersten Folge einer kleinen Serie „Kneipengeschichte(n) aus Legden und Asbeck.“