
© Christiane Hildebrand-Stubbe
Legdener Bernhard Berning (53) kann aus Pappeln Schuhe machen
Holzschuh-Handwerk
Ein Besuch am Beikelort 12. Draußen lagern Pappelstämme, drinnen Holzschuhe. Es riecht nach Holz, Schmierfett – und nach Vergangenheit. Die bunte Welt des Holzschuhmachers Bernhard Berning.
Spätestens beim Blick auf das schmucke rote Klinkergebäude in der Legdener Bauerschaft wird klar, mit wem es Besucher hier zu tun haben. In den massiven Holzelementen von Fenstern und Türen sind die Umrisse besonderer Schuhe zu erkennen, von Holzschuhen, Holsken, Klompen. Und seit fast 100 Jahren sind es Männer der Familie Berning, die sie produzieren. Wie vor Bernhard Berning schon Vater Paul, Onkel Ewald und Opa Josef. Eine Legdener Handwerker-Dynastie.
Familientradition: Wie die Väter mit den Söhnen
Bei dieser genetischen „Vorlage“ schien die berufliche Zukunft auch für Bernhard vorhersehbar. „Ich bin schon als Kind immer mitgelaufen und durfte auch ganz viel machen, Vater war da nicht so zimperlich“, erzählt der 53-Jährige. Dennoch gönnte er sich zuerst mal einen kleinen Umweg – eine Ausbildung als Möbeltischler.

Holzschuh ist nicht gleich Holzschuh, wie man in der „Klompenstube“ sehen kann. © Christiane Hildebrand-Stubbe
Ein Handwerk, das er auch heute noch ausübt. Nebenbei. Hauptberuflich ist er seit 30 Jahren aber Holzschuhmacher mit eigenem Betrieb. Der Vater hatte, kurz vor seinem 65. Geburtstag, den Sohn um Unterstützung gebeten – und der ließ sich nicht zweimal bitten und stieg mit ein.
Offiziell wurde das 1992 durch die namentliche Ummeldung des Gewerbes vollzogen, der Senior aber blieb. Bernhard Berning: „Mit 80 stand er noch an der Bandsäge.“ So lange konnte er seine Erfahrungen, sein Wissen über diese alte Handwerkskunst an den Sohn weitergeben. Und Handwerk ist in dem Fall wörtlich zu verstehen. An jeden Schuh wird Hand angelegt. Auch wenn Bernhard noch immer rein mechanisch laufende Maschinen von seinem Lehrmeister nutzt, einige elektrisch angetriebene sind dazugekommen.
Handwerker aus Legden waren Vorreiter
Und dazu hat er gerade noch eine Neuigkeit erfahren, die Hermann Terhörst „ausgegraben“ hat: Die ersten elektrischen Bearbeitungsmaschinen für Holzschuhe wurden von Legdenern entwickelt. Eine Zusammenarbeit von Schlosser Arnold Barenbrock und Michely & Grethen. Leider hatte man aber wohl die Patent-Anmeldung versäumt. Das taten dann Kollegen aus Emsdetten und den Niederlanden.

Der eigentlich letzte der Arbeitsschritte: Bernhard Berning kümmert sich um das Anheften der Leder-Laschen. © Christiane Hildebrand-Stubbe
Dass Bernhard Berning die Familientradition fortsetzte, ist das eine. Zumal anfangs die Auftragslage auch richtig gut war. Das traditionelle Schuhwerk der Bauern war auch von Nicht-Bauern sehr begehrt. Dass er aber bis heute dabei geblieben ist, hat mehrere Gründe. Und nicht nur, weil er bis heute die Selbstständigkeit des Arbeitens schätzt.
Wer ihn in seiner Arbeitswelt erlebt, mit welcher Begeisterung er die verschiedenen Arbeitsschritte seiner Kunst zeigt, kennt die Antwort. Das beginnt schon beim Zeigen der Papel-Stämme, die noch nicht erahnen lassen, dass aus ihnen im Vergleich dazu mal recht kleine Schuhe werden wollen. Eine Holzart, die er für seine Zwecke besonders schätzt und die er in der Region einkauft. Auch beim Weg über die Maschinen – vom Rohling bis zum fertigen Schuh – von der Säge bis zur Maschine, die den letzten Schliff gibt – sieht man einen Menschen, der seinen Beruf liebt.
Ein Mann, der seinen Beruf liebt
Das Material, das Bedienen der Maschinen, das Anfassen, das Prüfen der Werkstücke in ihren verschiedenen Entstehungsphasen – all das ist offenbar genau sein Ding. Und gegen das Kreischen, Poltern, Dröhnen, den Höllenlärm, den manche Maschine erzeugt, helfen ja Ohrschützer. Selbst wenn beim Ausfräsen der Rohlinge jede Menge „Holzwolle“ in den Raum ausgepustet werden, scheint es den fast meditativ agierenden Handwerker nicht zu stören.

Ein prüfender Blick, ob der aktuelle Zustand der „Schuhe“ auch den Ansprüchen genügt. © Christiane Hildebrand-Stubbe
Wenn Bernhard Berning dann noch letzte Hand anlegt, um die ledernen Laschen anzuheften, die den Holzschuhen noch mehr Halt geben, ist ein Paar Holzschuhe fertig. Zumindest fast. Denn die weitere Ausgestaltung – lackiert oder roh, farbig oder natur, mit Gravur oder anderen Accessoires oder schlicht – erfolgt ganz individuell auf Wunsch der Kunden hin.

An den Holzelementen von Türen und Fenstern ist schon erkennbar, was hier zu finden ist. © Christiane Hildebrand-Stubbe
Das sind oft Händler aus der Region und darüber hinaus. Mit seiner Internetseite www.holzschuhe.de und einem Online-Shop verknüpft der Holzschuhmacher Bernhard Berning aber längst Tradition und Moderne. Allerdings sind es auch immer wieder Käufer, Einheimische und Auswärtige, die sich vor Ort umschauen wollen. Die bekommen in der „Klompenstube“ einen Eindruck davon, dass Holzschuh eben nicht gleich Holzschuh ist.
Kleine, große, bunte, einfarbige, verzierte, schlichte, sogar Pantoffeln nach Holzschuhart, Holzschuh-Geschenkartikel mit flüssigem Innenleben, sogar ein Holzschuh-Pokal, sind hier zu finden.
Viele Vorzüge, viele Verwendungen
Und der Produzent, der sie selbstverständlich täglich trägt, lässt nicht nach, die Vorzüge seiner Werke zu loben. Nicht nur den Tragekomfort („Auch Holzschuhe haben ein Fußbett“), das strapazierfähige Material und die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten.

Ein bereits zersägter Pappel-Stamm. Daraus soll ein Riesen-Holzschuh werden als Hinweis auf die Holzschuhmacher-Werkstatt. © Christiane Hildebrand-Stubbe
Nach ruhigeren Zeiten zeigt sich das auch an der mittlerweile steigenden Nachfrage. „Oft sind es Jahrmärkte, Folklore-Veranstaltungen oder auch private Anlässe, bei denen Holzschuhe getragen werden“, sagt Bernhard Berning. Oft sind es Heimatvereine oder ähnliche Organisationen, die anfragen, aber auch die Museen aus Detmold und Cloppenburg.

In einem kleinen Museum neben der Werkstatt hängt auch ein Bild von Vater Paul Berning bei einem erfolgreichen Messeauftritt. © Christiane Hildebrand-Stubbe
An einen ganz ausgefallenen Auftrag erinnert er sich: „Da waren eckige Holzschuhe gewünscht.“ Das Ganze war Teil eines Kunstprojekts. Handwerks-Kunst eben.

Auf den Rohlingen wird das Innenleben maschinell ausgefräst. © Christiane Hildebrand-Stubbe
Seit über 30 Jahren dem Medienhaus treu verbunden geblieben, zunächst in Steinfurt und jetzt in Ahaus. Hegt eine Leidenschaft für gute Geschichten, Menschen und ihre Schicksale.
