
© dpa
Patienten des Bottroper Zyto-Apothekers bekamen mehr Chemos als andere
Medizin-Skandal
Viele Krebskranke, die Chemotherapien aus dem Labor des Bottroper Apothekers Peter S. bekamen, wurden häufiger und länger behandelt als andere Patienten. Das haben Forscher herausgefunden.
Nun steht es fest: Patientinnen und Patienten der Alten Apotheke Bottrop haben signifikant mehr Infusionen zur Behandlung ihrer Krebserkrankung benötigt als Erkrankte, die mit Infusionen aus anderen Apotheken versorgt wurden. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, die Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann am Dienstag in einer Videokonferenz mit den Forschern und Betroffenen präsentiert hat.
Die Studie zum Vergleich der Krankheitsverläufe wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrike Haug vom Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) erstellt.
Peter S. lässt Patienten bis heute im Unklaren
Im Herbst 2016 wurde bekannt, dass Apotheker Peter S. über Jahre hinweg Krebstherapeutika hergestellt und abgegeben hat, die eine reduzierte Wirkstoffmenge oder keinen Wirkstoff enthielten. Der volle Umfang seiner Taten ist bis heute unklar. Peter S. hat im Prozess nicht zur Klärung beigetragen. Bei den 117 Zubereitungen, die am Tag seiner Verhaftung sichergestellt wurden, enthielten nur 44 Prozent den ärztlich verschriebenen Wirkstoffgehalt. Die übrigen 56 Prozent enthielten nur 10 bis 20 Prozent des verordneten Wirkstoffgehalts, keinen Wirkstoff oder einen falschen Wirkstoff.
Patientinnen und Patienten wissen bis heute nicht, ob sie genügend, weniger oder gar keinen Wirkstoff bekommen haben im Rahmen ihrer Chemotherapie. Angehörige von Verstorbenen müssen mit der Ungewissheit leben, dass eine regelgerechte Medikation den Tod eines geliebten Menschen möglicherweise hätte verhindern können.
Nicht mehr Sterbefälle, aber frühere Rezidive
Im Vergleich konnten die Bremer Forscher hinsichtlich der Häufigkeit des erneuten Auftretens von Brustkrebs beziehungsweise des Sterbens an Blut-/Lymphdrüsenkrebs im ausgewerteten Zeitraum zwischen den Vergleichsgruppen keine Unterschiede finden.
Auffallend sei allerdings gewesen, so Prof. Haug, dass bei den Patientinnen mit Brustkrebs die Zeit bis zum Wiederauftreten von Tumoren (Rezidiv) in der Gruppe der von der Alten Apotheke versorgten Patientinnen deutlich kürzer war als in der Kontrollgruppe. Ob dies mittelfristig auch mit einer höheren Sterberate einhergehe, könne derzeit nicht beurteilt werden.
Als besonders auffallend bewertet Prof. Haug, dass Patienten der Alten Apotheke deutlich häufiger individuell zubereitete Krebstherapeutika erhalten haben als die der Kontrollgruppe. „Ein möglicher Erklärungsansatz könnte sein, dass bei den klinischen Verlaufskontrollen in der Gruppe häufiger ein noch nicht ausreichender Therapieeffekt beobachtet wurde und deshalb länger therapiert wurde.“
Ist der verurteilte Apotheker schon im Offenen Vollzug?
Peter S. ist 2018 wegen Betrugs und Verstoßes gegen das Arzneimittel-Gesetz zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Bottroper Journalist David Schraven, Gründer des gemeinnützigen Recherche-Büros Correctiv, will aus Justizkreisen erfahren haben, dass Peter S. in den Offenen Vollzug nach Bielefeld verlegt wurde. Indessen kämpfen die Opfer des Apothekers weiterhin um Entschädigung.
Geboren und geblieben im Pott, seit 1982 in verschiedenen Redaktionen des Medienhauses Lensing tätig. Interessiert an Menschen und allem, was sie anstellen, denken und sagen.
