Nachhilfe-Institut kämpft gegen riesige Lücken und Long Covid

Nachhilfe

Der Studienkreis Bottrop betreut viele Schüler mit starken Schulproblemen. Eine von ihnen ist Lisa Roßbach. Sie hat nicht nur das Distanzlernen hart getroffen, sie leidet auch an Long Covid.

Bottrop

, 01.02.2022, 16:15 Uhr / Lesedauer: 3 min
Doris Bülow (r.), Leiterin des Bottroper Studienkreises, versucht Lisa Roßbach (l.) beim Lernen zu unterstützen. Die 20-Jährige leidet an Long Covid.

Doris Bülow (r.), Leiterin des Bottroper Studienkreises, versucht, Lisa Roßbach (l.) beim Lernen zu unterstützen. Die 20-Jährige leidet an Long Covid. © Manuela Hollstegge

Eigentlich war Mathe immer ihr Lieblingsfach – jetzt muss Lisa Roßbach darin Nachhilfe beim Studienkreis in Bottrop nehmen, um überhaupt eine Chance zu haben, dem Unterricht am Berufskolleg zu folgen. Sie leidet an Long Covid. Doch in den Studienkreis kommen auch viele gesunde Kinder und junge Erwachsene, die stark unter Lockdown, Homeschooling und Fehlzeiten durch Quarantäne gelitten haben.

„Lisa ist tatsächlich hier ein Härtefall bei uns. Gesundheitlich können wir ihr natürlich nicht helfen, wir können sie aber einfach unterstützen und ihr das Gefühl geben, alles getan zu haben, um im Unterricht klarzukommen“, sagt Doris Bülow, Leiterin des Studienkreises Bottrop. Lisa Roßbach ist an diesem Donnerstag extra ein bisschen eher zur Nachhilfe gekommen, um ihre Geschichte zu erzählen.

Die 20-jährige Bottroperin sieht sich nämlich immer wieder damit konfrontiert, dass Menschen sie und ihre Erkrankung nicht ernst nehmen. „Lehrer sagen, ich müsse mich einfach mehr anstrengen. Sie nehmen wenig Rücksicht und können meine Probleme nicht nachvollziehen, da bei Long Covid alle immer an ältere Menschen denken“, erzählt sie. Aktuell besucht Lisa Roßbach die 12. Klasse des Bottroper Berufskollegs. Eigentlich sollte es jetzt für sie mit Vollgas Richtung Abitur gehen. Doch momentan sieht es so aus, dass sie die Klasse wird wiederholen müssen.

Bottroperin steckt sich im Mai 2020 bei ihrer Mutter an

Lisas Leidensweg begann im Mai 2020. Eine Impfung war damals für sie noch nicht möglich. Die Bottroperin steckte sich bei ihrer Mutter an, die in einer Kita arbeitet. Lisa ging es nicht gut – sie kämpfte mit starken Kopfschmerzen und Atemnot. Vier Wochen war sie in Quarantäne, danach dachte sie, sie hätte es geschafft. „Aber im Spätsommer ging es mir plötzlich wieder schlechter. Ich war ständig müde, bekam schlecht Luft“, erzählt sie.

Mittlerweile sind noch Gedächtnisprobleme hinzugekommen. „Manchmal sitze ich in der Schule und von einen auf den anderen Moment ist alles weg, was ich gelernt habe“, sagt Lisa. Auch an Sport sei nicht zu denken – aktuell sei jede Treppe eine Herausforderung. Oft wurde sie von der Schule nach Hause geschickt, weil sie so schlecht atmen konnte, dass sie Panik bekam. Auch Lisas Hausarzt nahm sie damit zunächst nicht ernst und diagnostizierte eine Angst- und Panikstörung.

Vor allem Grundschüler haben große schulische Probleme durch die Pandemie - das zumindest haben die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Studienkreises Bottrop festgestellt. (Symbolbild)

Vor allem Grundschüler haben große schulische Probleme durch die Pandemie - das zumindest haben die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Studienkreises Bottrop festgestellt. (Symbolbild) © picture alliance/dpa

Erst der Lungenfacharzt der Schülerin stellte Long Covid fest. „Aber auch er kann nicht so viel machen. Ich bekomme Asthma-Spray und warte auf die Forschung“, sagt Lisa Roßbach. Viele Lehrer hätten ihr mittlerweile dazu geraten, die Schule zu beenden und eine Ausbildung zu machen. „Aber ich kann doch nichts für meinen Zustand. Ich möchte mein Abitur schaffen und studieren – am liebsten was in Richtung Psychologie“, sagt Lisa.

Das Team des Bottroper Studienkreises versucht, sie dabei zu unterstützen – so wie es momentan bei vielen Schülern versucht zu retten, was noch zu retten ist. „Die Probleme durch Homeschooling und Co. ziehen sich durch alle Jahrgänge. Sehr massiv sehen wir das jedoch bei den Grundschülern“, sagt Studienkreis-Leiterin Doris Bülow. Besonders den Kleinen fehlten häufig die Grundlagen. Diese aufzuholen, sei bei dem Tempo, dass die meisten Schulen momentan an den Tag legen würden, jedoch kaum möglich.

„Momentan schaffen wir es eigentlich nur, für die nächste Arbeit oder Klausur zu üben“, so Bülow. Eltern, die bei ihren Kindern Lücken bei den Grundlagen entdecken, rät sie daher zu Intensivkursen in den Ferien.

Da könne man in ein bis zwei Wochen viel schaffen und in ruhiger Atmosphäre an den Problembereichen arbeiten. Den meisten Schülern hätte im Distanzunterricht die direkte Ansprache, die Ermutigung durch die Lehrkraft und auch die Lernkontrolle gefehlt – „von Problemen rund um das Internet und die Technik mal ganz zu schweigen.“

Simone Schmelting, die seit vielen Jahren als Lehrkraft beim Studienkreis in Bottrop arbeitet, fasst es so zusammen: „Schüler, die vor der Pandemie gut waren, haben jetzt Lücken, und Schüler, die vorher schon schwach waren, haben jetzt massive Probleme.“

Besonders die Grundschüler, bei denen in den ersten Schuljahren die Weichen für die weitere Lebenslaufbahn gestellt würden, seien noch nicht in der Lage, eigenständig Lücken zu erkennen und zu schließen. „Da sind die Eltern in der Verantwortung, aber die können das nicht immer auffangen, denn sie sind keine Lehrer. Oft sind Eltern und Schüler in Zeiten des Homeschoolings ziemlich allein gelassen worden“, so Simone Schmelting.

Sie und Leiterin Doris Bülow hoffen, dass sie künftig enger mit den Schulen zusammenarbeiten können, mehr Schulen Schüler über Bildungsgutscheine in die Nachhilfe-Institute schicken und Lehrer „auch mal einen Gang zurückschalten“. Noch einmal Distanzunterricht, das will beim Studienkreis Bottrop niemand – denn schon jetzt seien die Lücken bei den Schülern oft groß und die Familien extrem belastet.