Moritz und Burkhard Sagel

© privat

Ein „Lottogewinn“ für den Bauern: Sohn will den Hof übernehmen

rnTierfreundliche Landwirtschaft

Moritz Sagel ist erst 18 und geht noch zur Schule. Aber er weiß genau, was er mal werden will: Landwirt. Und den elterlichen Hof übernehmen. Für Vater Burkhard ein „Lottogewinn“.

Kirchhellen

, 13.01.2021, 12:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Bauer sucht Frau“ kennen viele aus dem Fernsehen. „Hof sucht Nachfolger“ läuft nicht im TV, ist aber in der Landwirtschaft ein weit verbreitetes Problem. Deshalb gibt es zum Beispiel eine Internetbörse unter hofsuchtbauer.de . Der Kirchhellener Landwirt Burkhard Sagel muss da nicht reingucken, auf seinem Hof steht die Nachfolge bereits fest, obwohl der „Senior“ gerade mal in den 50ern ist.

Sagel nennt es einen „Lottogewinn“, dass sein 18-jähriger Sohn Moritz jüngst seinen Entschluss bekannt gegeben hat, später den väterlichen Hof übernehmen zu wollen. Und Vater Burkhard kann sich sehr gut vorstellen, schon bald Verantwortung an den Junior abzugeben. „Ich arbeite seit meinem 17. Lebensjahr in der Landwirtschaft“, sagt Sagel. Ein bisschen kürzer treten, um die „Work-Life-Balance“ zu verbessern - damit könnte er sich anfreunden.

Aus den Fehlern der Eltern-Generation gelernt

Das galt einst für den eigenen Vater wohl nicht. Die beiden verstanden sich nicht besonders gut, Burkhard Sagel übernahm erst spät und hat sich immer gewünscht, den Übergang zur nächsten Generation geschmeidiger gestalten zu können. Wenn sie überhaupt bereit ist, in die Fußstapfen der Eltern zu treten.

Moritz hat sich dazu entschieden. Noch geht er zur Schule, aber nach dem Abitur will er eine landwirtschaftliche Lehre machen, danach vielleicht ein Jahr ins Ausland gehen.

Rinderhaltung Hof Sagel Kirchhellen

Auf dem Hof Sagel führen die Rinder ein stressfreies Leben mit Platz, Luft und Auslauf. © privat

Dass im Hause Sagel alle Kinder, die eigenen und die Stiefkinder, Spaß an der Landwirtschaft haben, hängt sicherlich damit zusammen, dass Burkhard Sagel vor einigen Jahren einen radikalen Schnitt gewagt hat: „Ich bin ausgebildeter Schweinebauer, wir haben konventionelle Schweinehaltung betrieben.“ 2016 sind die letzten Schweine vom Hof gegangen, und Sagel hat komplett auf tierfreundliche Haltung umgestellt.

„Alle Tiere auf unserem Bauernhof haben Platz, Luft, Auslauf und dürfen ohne Stress oder Angst bei uns leben“, schwärmt Sagel, inzwischen überzeugter Tierwohl-Anwalt. 30 Rinder führen in Kirchhellen ein glückliches Leben, bis sie auf einem Kleinschlachthof in Dorsten-Wulfen möglichst stressfrei geschlachtet werden. Sagel: „Kein Vergleich zu den Zuständen in Großschlachtereien.“

Direktverkauf findet einmal im Monat am Hof statt

Das Fleisch der Tiere vermarkten die Sagels selbst in ihrer Verkaufsstelle am Dahlberg, die demnächst zu einem Hofladen ausgebaut werden soll. Vorerst findet einmal im Monat ein Verkauf statt, bei dem vorbestellte Fleischpakete abgeholt werden können, aber auch Fleisch in kleinen Mengen im freien Verkauf zu haben ist. Der nächste Verkaufstermin ist für den 12. und 13. Februar (Freitag und Samstag), jeweils von 9 bis 18 Uhr, geplant - mehr auf www.bauernhof-sagel.de .

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An die Kunden wird appelliert, die Fleischpakete frühzeitig zu bestellen, denn geschlachtet wird 18 Tage vor dem Verkaufstermin und möglichst nur so viel, wie auch realistisch verkauft werden kann. Es gibt verschiedene Pakete, die meist eine Auswahl an Steaks, Gulasch, Hackfleisch, Braten und Würstchen enthalten. Der Kilopreis liegt zwischen 8,75 Euro für Rinderhack und 30 Euro für Steaks, das Fleisch wird gefroren abgegeben. Es gibt aber auch Einzelware.

Netzwerk mit Landwirten gleicher Überzeugung

Weil seine Kunden, die oft von weither kommen, auch bei anderen Fleischprodukten hohe Maßstäbe ans Tierwohl anlegen, hat Sagel inzwischen ein Netzwerk mit anderen Landwirten geknüpft, die sich ebenfalls in dieser Nische angesiedelt haben. So gibt es an den Verkaufsterminen auch Duroc-Schweinefleisch vom Hof Dingwerth in Niedersachsen oder ab Mai auch wieder Weidehähnchen vom Schickermooser Weidehof im Sauerland.

„Tierwohl ist was für Freaks“, konstatiert Burkhard Sagel und verweist auf den Preis seiner Produkte, der mit den Fleischangeboten von Supermärkten nicht konkurrieren kann. Für die schrecklichen Zustände in der Massentierhaltung und -schlachtung sei der Einzelhandel mitverantwortlich: „Hier wird doch immer noch überwiegend über den Preis verkauft statt über Qualität oder gar Tierwohl.“ Wenn ein Kilogramm Hähnchenfleisch billiger zu haben sei als ein Kilo Brötchen, könne aufs Tierwohl halt kaum Rücksicht genommen werden.

Der Nachwuchs ist mit großer Begeisterung dabei

Die Leidenschaft, mit der Sagel sich für dieses Thema einsetzt, hat auf den Nachwuchs abgefärbt: Seine vier Jungs zwischen 15 und 22 Jahren und zwei Mädchen aus dem Freundeskreis begeistern sich ebenfalls für die Tiere und die Direktvermarktung. Der Hof könne allerdings nur eine Familie ernähren, bedauert Sagel, und das sei künftig dann wohl die von Moritz. „Aber er ist ja auch ein toller Ort zum Wohnen.“

Burkhard und Moritz Sagel

Vater und Sohn verstehen sich gut. © privat

Sein Stiefsohn plant derweil, sich am Dahlberg mit einer Garten- und Landschaftsbau-Firma selbstständig zu machen, während Elias, der Jüngste, ein wenig wehmütig auf die Entscheidung von Moritz schaue. „Er interessiert sich auch für Landwirtschaft“, erzählt Vater Burkhard, der seinen Kindern die Begeisterung für die schwere Arbeit offenbar mitgeben konnte und die Unterstützung der jungen Leute bei seiner Mission spürbar genießt.

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Apropos genießen: Wen Rinder als Nahrungsmittel nicht interessieren, ist auf dem Hof trotzdem willkommen. Seit 2019 bietet der Hof Kuh-Kuscheln bzw. tiergestützte Pädagogik mit Rindern an, die als ruhig, warm, zutraulich und schmusig gelten.