ita und Heribert Bäcker aus Herbern sagen: Die Tagespflege ist die beste Einrichtung, die es für kranke Menschen gibt.

ita und Heribert Bäcker aus Herbern sagen: Die Tagespflege ist die beste Einrichtung, die es für kranke Menschen gibt. © Vanessa Trinkwald

„Ohne geht’s nicht“: Wie die Tagespflege einer Familie aus Herbern durch den Alltag hilft

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Viele Herberner wünschen sich eine Tagespflege im Ort. Der Bedarf ist da. Doch bislang gibt es nur eine Einrichtung in Ascheberg. Für Familie Bäcker aus Herbern eine riesen Erleichterung.

Herbern

, 20.06.2019, 06:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Ohne geht’s nicht. Das ist von Anfang an klar. Das sagt Rita und das sagt auch Friedel. Der 82-Jährige besucht viermal in der Woche die Caritas-Tagespflege in Ascheberg, wird morgens abgeholt und nachmittags wieder nach Hause gebracht. Das ist kein Abschieben, sondern ein Gewinn für alle. „Ich fühle mich da sehr sehr wohl“, sagt Heribert „Friedel“ Bäcker am Dienstagabend (18. Juni).

Eigentlich wollte er mit seinem Elektromobil eine Runde durch Herbern drehen, bevor der Pflegedienst Vorspohl ihn abends noch bettfertig macht. Nun aber bleibt er doch, will selbst ein bisschen erzählen: „Wir spielen Bingo in der Tagespflege, haben Schützenwochen, frühstücken zusammen, wenn alle da sind“, sagt Heribert. „Wir haben auch eine Zeitungsrunde, da wird diskutiert.“

Und plötzlich ist alles anders

Mit dem Fahrrad hätten sie die Welt bereist, waren in Frankreich, in den Masuren. „Zwei Monate vor der Goldenen Hochzeit war dann alles vorbei“, sagt Ehefrau Rita Bäcker (80). Schlaganfall im Oktober 2010. Heribert hat Prostatakrebs. Er konnte nicht mehr operiert werden, der Krebs hatte gestreut.

„Ich muss auch mal Luft holen.“
Rita Bäcker

Das Laufen fällt Heribert schwer. Er ist halbseitig gelähmt, wird gestützt von seiner Frau und einem Vierpunktstock. „Die Mitarbeiter in Ascheberg haben Verständnis, wenn ich mal langsam bin“, sagt er, lacht und schaut rüber zu dem „damals schönsten Mädchen im Ort“.

Heribert und Rita necken sich zwischendurch – und sind vor allem eines: ehrlich miteinander. „Ich könnte ja nichts machen, wenn er den ganzen Tag da wäre“, sagt Rita. „Ich muss auch mal Luft holen.“ Luft holen kann sie in den Stunden von 8 bis 16 Uhr. Immer donnerstags muss ihr Ehemann zum Arzt, alle vier Wochen dann zur Chemotherapie.

Altersheim nicht ausgeschlossen

Das Leben hat sich seit dem Schlaganfall vor gut neun Jahren radikal verändert. Heribert war danach einer der ersten, der ab Mai 2011 das Angebot der Tagespflege in Ascheberg in Anspruch nahm. „Die Tagespflege ist die beste Einrichtung, die es für kranke Menschen gibt.“ Andernfalls wäre ihr Mann im Altenheim. Und wenn man mal ehrlich ist – „auf das Altenheim wird es irgendwann hinauslaufen“.

Ohne die konkreten Kosten nennen zu wollen, sei die Tagespflege finanziell zu stemmen: Fahrtkosten plus die sogenannten Hotelkosten. Die Vollzeitpflege im Altenheim wäre deutlich teurer. So viel steht fest.

Bedarf nach Pflegeplätzen ist da

Viele Herberner – das hat jüngst eine Umfrage dieser Redaktion ergeben – wünschen sich eine Tagespflege im Ort. „Der Bedarf ist doch da“, sagt Rita Bäcker. „Wir alle werden älter.“ Auch die Caritas wisse um die Nachfrage, stockt die Anzahl der Plätze nach dem Umzug in die Appelhofstraße Anfang 2020 immerhin von 12 auf 15 Plätze auf.

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„Ich fühle mich da wie zu Hause“, sagt Heribert. In der Pflege sei er in Gesellschaft, „zu Hause vereinsamt man doch“, sagt Rita. Sie selbst sei manchmal stundenlang alleine und spreche mit niemandem, auch wenn der Sohn (50) täglich vorbeischauen würde und die Tochter (56) aus Köln immer samstags. Ohne Pflege, aber auch ohne die Kinder, würde es nicht gehen.

Und alles alleine machen? Den Helden spielen? Ausgeschlossen. „Wie soll das gehen“, fragt Rita. „Ich habe die Pflege abends auch mal selber gemacht. Aber ziehen Sie mal einem Kartoffelsack einen Schlafanzug drüber.“