Maria Schumacher, ehrenamtliche Helferin der Flüchtlingshilfe St. Lambertus, hilft einer Iranerin, die sich ein Kleid näht. Solche Nähkurse sind in Zeiten von Corona nicht möglich - genauso wie viele andere Angebote der Flüchtlingshilfe.

© Marion Schnier

Corona-Krise: Arbeit der Flüchtlingshilfe Ascheberg liegt auf Eis

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In der Corona-Krise fehlt vielen der Kontakt zu ihren Mitmenschen. Das gilt auch für die Flüchtlingshilfe. Und es steht in völligem Gegensatz zu ihrem eigentlichen Credo.

Ascheberg

, 16.04.2020, 17:05 Uhr / Lesedauer: 3 min

Eigentlich funktioniere gerade gar nichts, sagt Maria Schumacher von der Steuerungsgruppe der Flüchtlingshilfe St. Lambertus Ascheberg auf die Frage, wie denn die Arbeit mit den geflüchteten Menschen in der Gemeinde aktuell ablaufe - in Zeiten von Corona. Die Mitglieder der Flüchtlingshilfe leisten seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag zur Integration der Menschen, die aus Krisengebieten wie Syrien nach Deutschland gekommen sind, um endlich wieder in Sicherheit leben zu können.

Als die ersten Flüchtlinge 2015 nach Ascheberg kamen, stellten die ehrenamtlichen Helfer ein Angebot auf die Beine, das es in der Gemeinde bis dato noch nicht gab. Zumindest nicht in dieser besonderen Weise. Eine Art Rundum-Paket, wenn man so will: Sprachkurse, Hilfe bei Einkäufen, Begleitung zu Arztbesuchen und Terminen bei Ämtern - und sogar eine Nähwerkstatt sowie eine Theatergruppe. Jetzt - mitten in der Corona-Krise - liegt all das auf Eis.

Ascheberger Helfer gehören der Risikogruppe an

„Wir haben knapp 50 Helfer und die sind alle älter als 60 Jahre. Sie gehören also zur Risikogruppe. Außerdem hat die Gemeinde sämtliche Unterkünfte für Außenstehende und Besucher gesperrt. Das war aber auch so mit uns abgesprochen“, sagt Schumacher.

Die Nähwerkstatt fand bis zuletzt im Zwei-Wochen-Rhythmus in der Flüchtlingsunterkunft am Breil statt. Angefertigt wurde so ziemlich alles - von Kleidern bis hin zu Einkaufstaschen. Und nebenbei lernten die geflüchteten Frauen auch noch die deutsche Sprache. Jetzt ist das nicht mehr möglich. Zumindest nicht in diesem Rahmen.

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„Sie haben auch nicht gleich verstanden, warum wir sie jetzt nicht mehr in der Unterkunft besuchen können und warum der Raum nun geschlossen bleibt. Die Tragweite der Corona-Pandemie war vielen dort nicht wirklich bewusst“, so Schumacher. Ein bisschen komisch sei die Situation jetzt schon. Auch für die Helfer. „Da fällt auch für uns etwas weg. Das ist schade. Auch wenn der Kontakt per Telefon oder WhatsApp natürlich noch da ist. Das klappt immerhin noch.“ Es ist aber quasi das einzige, das noch klappt.

An die nächsten Theateraufführungen mag man in den Reihen der Steuerungsgruppe derzeit gar nicht erst denken. Die nächsten Projekte? Sie scheinen aktuell meilenweit entfernt. Dennoch ist Schumacher nicht in großer Sorge: „Wir haben das Glück, dass die meisten Menschen nicht mehr eine so intensive Betreuung wie früher brauchen. Das sind nur noch Einzelfälle. Die meisten sind schon viel selbstständiger geworden.“

Zeitvertreib auf Abstand

Und wie schaut es aktuell in den Flüchtlingsunterkünften in der Gemeinde aus? „Den Flüchtlingen geht es eigentlich gerade genau so, wie uns allen“, fasst Simone Böhnisch, Pressesprecherin der Gemeinde Ascheberg, die aktuelle Lage zusammen. „Die Bewohner, die gerade nicht arbeiten gehen können, vertreiben sich die Zeit mit singen, tanzen und kochen. Sie können die Sicherheitsvorkehrungen nachvollziehen und halten sich weitestgehend an die Abstandsregeln“, berichtet auch Mohammed El Gharrafi, der Sozialarbeiter für Flüchtlinge und Asylbewerber in der Gemeinde.

Am meisten würden die Geflüchteten die sozialen Kontakte untereinander und mit den ehrenamtlichen Helfern vermissen. Ob die Abstände in den Einrichtungen eingehalten werden, werde laut Böhnisch regelmäßig überprüft. Rund 280 Geflüchtete leben aktuell in den vier Unterkünften in Ascheberg.

Besuchsverbot und E-Learning in den Ascheberger Unterkünften

„Gerade dort, wo sich die Menschen das Bad oder die Küche teilen, gibt es nach wie vor soziale Kontakte auf Abstand. Keiner muss den ganzen Tag alleine in seinem Zimmer sitzen“, betont Böhnisch. Die Einrichtungen stünden außerdem nicht unter Quarantäne: Zwar dürfen die Bewohner nicht besucht werden, einzeln oder zu zweit dürfen sie aber weiterhin das Haus verlassen. Lediglich einen Verstoß gegen das Besuchsverbot habe es bisher gegeben.

Am 17. März erklärte der Sozialarbeiter Mohammed El Gharrafi den Geflüchteten die neuen Richtlinien bezüglich der Hygiene und des Sicherheitsabstandes. Der wurde bereits bei der Infoveranstaltung eingehalten.

Am 17. März erklärte der Sozialarbeiter Mohammed El Gharrafi den Geflüchteten die neuen Richtlinien bezüglich der Hygiene und des Sicherheitsabstandes. Der wurde bereits bei der Infoveranstaltung eingehalten. © Pressestelle Gemeinde Ascheberg

Auch die Flüchtlingskinder müssen nun von Zuhause aus lernen. Der Förderverein der Profilschule hatte zu diesem Zweck einige Computer gespendet. Die Hausaufgaben werden an das Vorwissen und die Deutschkenntnisse der Kinder angepasst. Ältere Menschen, die zur Risikogruppe gehören, gäbe es laut Böhnisch in den Unterkünften kaum. Denn für die gestalte sich die Flucht auch deutlich anstrengender.

Flüchtlinge warten ungeduldig auf den Deutschkurs

Für junge wie alte Bewohner hat der Sozialarbeiter ein offenes Ohr. Auch er telefoniert nun viel mit den Geflüchteten und kümmert sich um ihre Belange. Besonders traurig seien die Bewohner laut El Gharrafi darüber, dass sie nicht am VHS-Sprachkurs teilnehmen können. Denn auch der darf aufgrund der aktuellen Lage nicht stattfinden.

„Die Bewohner hatten sich richtig auf den Kurs gefreut und wollten Deutsch lernen. Sie sind schon ganz ungeduldig“, berichtet der Sozialarbeiter. Doch trotz aller Einschränkungen sei man in den Unterkünften positiv gestimmt. Genauso wie alle anderen Betroffenen freuen sich die Flüchtlinge auf das Ende der Corona-Krise.

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