
© Till Goerke
Paukenschlag im Rathaus: Wahlergebnis zerschlägt jahrzehntealte „Tradition“
Kommunalwahl 2020
Die Ergebnisse der Kommunalwahl in Heek waren ein doppelter Paukenschlag. Nach über 70 Jahren gibt es mehr als zwei „Fraktionen“ im Rat. Und sogar Verlierer können sich über das Ergebnis freuen.
Es war ein historischer Tag für die Dinkelgemeinde. 5059 Wähler (Wahlbeteiligung: 73,9 Prozent) stellten am Sonntag bei den Kommunalwahlen die Zusammensetzung des Rates auf den Kopf. Erstmals nach 70 Jahren ist die CDU ihre Mehrheit los. Auch die SPD verlor deutlich in der Gunst der Wähler, sieht sich aber dennoch nach dem „Dinkelbündnis“ als Gewinner der Wahl.
37,68 Prozent der Gesamtstimmen und besonders in den Wahlbezirken im Ortsteil Nienborg praktisch als Alleinunterhalter unterwegs: die neu gegründete Wählergruppe „Dinkelbündnis“ hat etwas geschafft, das vermutlich niemand im Vorfeld für möglich gehalten hätte. Der Lohn sind elf Ratsplätze. „Das Ergebnis macht uns stolz, aber wir tragen es mit Demut“, so der Vorsitzende Prof. Dr. Berthold Wigger.
Getrübte Stimmung bei der CDU
Und während die Wählergruppe ihre elf Ratsmandate feiert, ist die Stimmung bei der CDU mit der selben Anzahl an Plätzen (40,7 Prozent der Gesamtstimmen) deutlich getrübter. Sechs Ratssitze gingen so verloren. „Erfreut sind wir natürlich nicht. Und 20 Prozent Verlust (gegenüber der Kommunalwahl 2014 - d. Red.) sind nicht von der Hand zu weisen. Das muss man schon so klar sagen“, so die Vorsitzende des Gemeindeverbandes, Dr. Susanne Weilinghoff auf Anfrage.
Nicht ganz so viel wie die CDU, aber doch immer noch deutlich, verlor auch die SPD in der Wählergunst. Das deckt sich mit den landesweiten Ergebnissen. 17,1 Prozent ging es runter. Macht mit Blick auf den Rat fast eine Halbierung der Plätze – von elf auch sechs. Und doch ist von richtig schlechter Laune bei der Ortsfraktion nichts zu spüren. Im Gegenteil.
SPD mit Wahlergebnis trotz Verlust zufrieden
„Im ersten Moment war zwar die Enttäuschung groß, aber mit etwas Abstand überwiegt die Freude. Wir können mit dem Ergebnis gut leben“, stellt der Vorsitzende Herbert Lösing im Gespräch klar. Klingt auf den ersten Blick widersprüchlich, ist aber auf den zweiten Blick nachvollziehbar. Herbert Lösing erklärt es wie folgt: „Wir sind jetzt in einer Position, mit der wir gut leben können. Die Position steht uns, denn aus dieser können wir besser mitgestalten.“

Im Nachgang ein Bild mit Symbolcharakter: Unbekannte beschmieren das Wahlplakat der CDU in Nienborg. Zwar "rettete" die CDU das Plakat künstlerisch noch, aber es zeigt: Im Ortsteil Nienborg hatte die CDU wenig zu melden. Das Dinkelbündnis dominierte dort. © Till Goerke
Eine Anspielung auf die Jahrzehnte lange „Tradition“, dass die SPD im Heeker „Zwei-Parteien-System“ stets im Rat mit weniger Sitzen ausgestattet war. Doch jetzt, wo CDU und Dinkelbündnis jeweils elf Plätze haben, könnte die SPD in Sachen Entscheidungen das Zünglein an der Waage sein. Und damit die ganze Geschichte natürlich auch lenken.
Weilinghoff gewinnt in allen 14 Wahlbezirken
„Wir sind aber auch zufrieden, weil Franz-Josef Weilinghoff wiedergewählt wurde. Das ist auch für uns ein Erfolg“, so Herbert Lösing. Immerhin unterstützte die SPD Weilinghoff 2014 und 2020 bei der Kommunalwahl. Und bedenkt man, dass Weilinghoff alle 14 Wahlbezirke, selbst das eigentlich tiefschwarze Ahle, für sich gegen Herausforderer Markus Janning (CDU) entschied, wird deutlich, wie die SPD-Position zu verstehen ist.
Franz-Josef Weilinghoff selbst stuft den Wahlsieg und die Wiederwahl sogar höher ein, als den „Überraschungscoup“ 2014. „Die Leute hatten sechs Jahre Zeit, meine Arbeit zu beurteilen. Insofern freue ich mich sehr über das Ergebnis. Das gibt mir Sicherheit.“ Und mit Blick auf die anstehende Ratsarbeit, in der vieles anders als gewohnt werden dürfte (erste Sitzung am 4. November - d. Red.), sagt Weilinghoff: „Ich bin sehr gespannt, wie die Zusammenarbeit laufen wird.“
Wie klappt das mit CDU und „Dinkelbündnis“?
Denn es liegt auf der Hand, dass die politischen Debatten intensiver werden dürften. „Dinkelbündnis“ und CDU hatten vor der Wahl so einige Reibungspunkte. Manche auf politischer Ebene, manche im privaten Bereich, sprich unter der Gürtellinie. Noch bleibt die Frage offen, wie sich die CDU geben wird. Konstruktive Mitarbeit oder in die Rolle der Opposition schlüpfen?
„Es wird eine spannende Ratsarbeit, so viel ist klar“, sagt Susanne Weilinghoff. Und sie fügt in Richtung „Dinkelbündnis“ hinzu: „Das politische Engagement ist zu begrüßen, aber ich habe Sorge, dass die Rivalität zwischen den Ortsteilen durch die Wahlergebnisse neu befeuert werden könnte.“
Den Worten müssen Taten folgen
Immerhin bekam die CDU in den Nienborger Wahlbezirken auf Kosten des „Dinkelbündnisses“ richtig einen mit. „Wir alle dürfen nicht vergessen, dass es um das Wohl der Gemeinde im Ganzen geht“, so Susanne Weilinghoff. „Das in Nienborg tut mir vor allem für unsere Kandidaten leid, die sich durch und durch mit Nienborg identifizieren und dort schon so viel bewegt haben.“ Beispielsweise Jörg Rosery, der nun kein Ratsmitglied mehr ist.
Fakt ist: Das „Dinkelbündnis“ hat das Momentum auf seiner Seite, aber wie es schon der Vorsitzende selbst sagte, jetzt gilt es, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Und noch am Wahlabend sagte Wigger: „Heute wird gefeiert und ab morgen hart gearbeitet.“
Die Zusammensetzung des neuen Gemeinderates:
Mario Strehlow, Walter Niemeyer, Marion Weichert, Jörg Oellerich, Thomas Söbbing, Christian Hilbring, Carsten Latussek, Hubert Alfert, Wilfried Amshoff, Hermann Mers, Elisabeth Voss (alle CDU) / Matthias Alfert, Herbert Lösing, Hermann-Josef Schepers, Hermann Kösters, Stefan Amshoff, Christian Schubert (alle SPD) / Berthold Wigger, Carolin Schuckenbrock, Heinz Schlichtmann, Bernhard Holtkamp, Tobias Neumann, Birgit Wüsten, Ralf Weichert, Thomas Schultewolter, Pia Leusing, Rolf Baltus, Anita Kruthoff (alle Dinkelbündnis)
Liebt als gebürtiger Münsterländer die Menschen und Geschichten vor Ort. Gerne auch mit einem Blick hinter die Kulissen. Arbeitsmotto: Für eine spannende Story ist kein Weg zu weit.
