
© W. Leusbrock
Heeker retten Flüchtlinge aus Auffanglager: „Sie fragten, ob wir nichts Böses tun“
Ukraine-Krieg
Eine emotionale Rettungsreise liegt hinter fünf Männern aus Heek. Sie haben angepackt und ukrainischen Kriegsflüchtlingen, die in der Slowakei gestrandet waren, geholfen. Gegen alle Widerstände.
Es war eine Fahrt über etliche Stunden, viele Hundert Kilometer und über zwei Routen. Zielorte: die Stadt Presov und ein Auffanglager in der Slowakei. Letzteres liegt dicht an der Grenze zur Ukraine. Dort, wo seit Wochen der Krieg tobt und Tausende Menschen leiden und fliehen.
Mit drei Bullis voller Hilfsgüter sind Winfried und Alfons Leusbrock, Werner Depenbrock, Uwe Gruber und Norbert Kuhmann kürzlich aus der Dinkelgemeinde zu der Tour aufgebrochen. Privat. Wenig Schlaf, Ungewissheit, emotionale Belastung und viele Eindrücke waren stetiger Begleiter.
Sechs Tage unterwegs
Sechs Tage waren die Männer unterwegs, um mit anzupacken, das unsägliche Leid vieler Ukrainer wenigstens ein klein bisschen zu lindern. Und am Ende wurde aus dem Hilfskonvoi spontan und aus voller Überzeugung sogar eine große Rettungsaktion.
Den Anstoß zu der mehrtägigen Tour gab Thomas Schock vom Volksbund. Mit ihm arbeitet Winfried Leusbrock (Georadar Gmbh) schon seit Jahren vertrauensvoll zusammen. Schock fragte in Heek nach Hilfe, da der Volksbund eine Mitarbeiterin samt Familie aus der Ukraine in Sicherheit bringen wollte.

Über 1000 Kilometer sind die Heeker Helfer bis in die Slowakei gefahren. Privat organisiert. © Winfried Leusbrock
„Als die Anfrage kam, haben wir nicht lange überlegt. Wir haben sofort zugesagt“, blickt Winfried Leusbrock zurück. Privat haben die fünf Männer dann im Freundeskreis und der Nachbarschaft zusätzlich Sachspenden gesammelt.
Mit dem Ziel, die Mitarbeiterin des Volksbundes samt Familie rauszuholen und Hilfsgüter abzuliefern, ging es über Polen (zwei Bullis) und Österreich (ein Bulli) in die Slowakei.
Viele flüchten auch in die Slowakei
„Dieses Land ist in der derzeitigen Krise unter dem Radar vieler“, erklärt Thomas Schock im Gespräch mit der Redaktion. Auch er und seine Frau Lydia waren auf der mehrtägigen Tour dabei.
Schock erinnert sich hörbar schwermütig an ein brechendvolles Auffanglager in der Slowakei. „Die Bilder, die vergisst man nicht mehr, wenn man das Leid und die Angst der Menschen in den Augen ablesen kann.“

Das Auffanglager in der Slowakei, nahe der ukrainischen Grenze, war und ist wohl immer voll. Die Menschen fliehen vor dem Krieg aus ihrem Land. © Winfried Leusbrock
Und so reifte spontan, nahe dem Kriegsgebiet, bei den Helfern aus der Dinkelgemeinde ein Entschluss. „Wir wollten einfach nicht leer zurückfahren. Das konnten wir nicht verantworten“, so Winfried Leusbrock. Und so begannen emotional aufwühlende Stunden im Auffanglager.
Denn klar war: Nur Frauen und Kinder sollten mit nach Heek zurückgenommen werden. Doch wie in Kontakt kommen? Mittels Dolmetscherin. Lydia Schock ist gebürtige Russin. Von Frau zu Frau und ohne Sprachbarriere wurde das Eis nach und nach gebrochen.
Angst vor Schleuserbanden
„Es war unfassbar. Die Menschen hatten zunächst Angst vor uns. Sie haben gefragt, ob wir ihnen ganz sicher nichts Böses tun würden“, erinnert sich Winfried Leusbrock. Zu tief sitzen offenkundig die erschütternden Eindrücke der Flucht und die Angst vor Schleuserbanden.
Doch Stück für Stück gelang es der Hilfsgruppe aus Heek, diese Angst zumindest temporär zu brechen. Ein besonders rührendes Bild: Werner Depenbrock eilte einer Mutter zu Hilfe, die nach der Flucht zu schwach war, ihre kleine Tochter weiter auf dem Arm halten zu können.

Insgesamt 15 ukrainische Flüchtlinge brachten die Heeker Helfer nach ihrer Tour zurück mit in die Dinkelgemeinde und somit in Sicherheit. © Winfried Leusbrock
Ein Blickkontakt, ein liebes Wort und die Kleine schlief völlig erschöpft in den Armen von Klaus Depenbrock ein. So erzählt es Winfried Leusbrock. Und man hört an seiner Stimme, wie nah ihm diese Szene geht. Die schöne Nachricht: Mutter und Tochter sind wohlbehalten in Heek angekommen.

Mehrere Tage waren die Helfer aus Heek und vom Volksbund auf ihrer Rettungsmission unterwegs. © Privat
So wie 13 weitere ukrainische Kriegsflüchtlinge. Vier von ihnen hat Winfried Leusbrock auf dem Rückweg noch aus Hamburg abgeholt. Den Kontakt stellte die Tochter von Thomas Schock her. Hintergrund: Die Aufnahme in Hamburg war bisher gescheitert. Zu groß sei dort der Ansturm, so Schock.
Große Hilfsbereitschaft der Heeker
Die Mutter aber brauchte nach einer schweren Erkrankung mit drei Kindern an ihrer Seite (4/7/11) schnell einen Ort, an dem sie etwas zur Ruhe kommen konnte. „Da mussten wir einfach helfen“, unterstreicht Winfried Leusbrock.
Spontan habe sich sogar eine Familie in Heek gefunden, die sich bereiterklärte, die Mutter mit ihren Kindern aufzunehmen. „Das war einfach bemerkenswert und hat natürlich für enorme Erleichterung bei uns gesorgt“, blickt Leusbrock zurück.

Aufbruch nach Heek: Nachdem das Eis zwischen den Helfern und den geflüchteten Menschen gebrochen war, ging es zu den Bullis und zurück in die Dinkelgemeinde. Werner Depenbrock trug dabei das erschöpfte Mädchen zum Bulli (r.). © Winfried Leusbrock
Übrigens wurde bei der „Rettungsmission“ auch die Mitarbeiterin des Volksbundes samt Familie nach Deutschland und in Sicherheit gebracht. Und wie groß diese Hilfsmission aus Heek war, spiegelt sich auch in der aktuellen Zahl der ukrainischen Kriegsflüchtlinge in der Gemeinde wider.

Drei Bullis vollgepackt mit Spenden brachten die Heeker Helfer in die Slowakei. © Winfried Leusbrock
Nach aktuellem Stand (16. März) sind es 28, wie die Verwaltung auf Anfrage mitteilt. 15 davon sind erst vor wenigen Tagen mit dem Transport aus der Slowakei in der Dinkelgemeinde angekommen. Kommunal untergebracht ist derzeit keiner von ihnen. Alles läuft über private Kanäle.
„Wir sind glücklich, dass wir etwas helfen konnten, und überwältig von der großen Hilfsbereitschaft hier bei uns in der Gemeinde“, bringt es Winfried Leusbrock auf den Punkt. Eine weitere Rettungsaktion sei zudem nicht ausgeschlossen.
Liebt als gebürtiger Münsterländer die Menschen und Geschichten vor Ort. Gerne auch mit einem Blick hinter die Kulissen. Arbeitsmotto: Für eine spannende Story ist kein Weg zu weit.
