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Ein Hilferuf an den Papst und was Diakon Harald Schneider dazu sagt
Missbrauch in der Katholischen Kirche
Einen Brandbrief hat der Journalist und Katholik Ulrich Breulmann an den Papst geschrieben. Vieles davon könne er unterschreiben, sagt der Diplom-Theologe Harald Schneider aus Heek.
Der Journalist und Theologe Ulrich Breulmann hat einen Brandbrief an Papst Franziskus geschrieben, einen Hilferuf, den unsere Redaktion veröffentlicht hat. Er sehe und erlebe das ganz ähnlich wie unser Autor, sagt Harald Schneider, Diakon in der Gemeinde Heilig Kreuz in Heek, der den offenen Brief auf unseren Wunsch gelesen hat.
„Die immer neuen Enthüllungen der vergangenen Jahre über sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester, Ordensleute und andere seelsorgliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben uns zutiefst erschüttert. Mindestens ebenso wie die abscheulichen, widerwärtigen Taten selbst macht uns dabei der Umgang der Verantwortlichen in unserer Kirche mit ihnen fassungslos“, schreibt Ulrich Breulmann.
„Die Menschen, mit denen ich hier spreche, sind erschüttert und verunsichert. Ich erlebe auch immer wieder, dass sie das, was passiert ist, gar nicht wahrhaben wollen und sagen: Das kann doch nicht sein“, berichtet Schneider. Die Menschen wollten an ihre Kirche glauben.
„Ich bin genauso erschüttert wie sie. Es macht mich fassungslos und wütend, was da in Rom passiert. Wie sich die katholische Kirche verhält. Dass sie nicht endlich klar sagt, was Sache ist“, sagt der Diplom-Theologe aus Heek.
So handeln, wie Jesus es vorgemacht hat
Es werde viel davon gesprochen, dass die Kirche glaubwürdiger und authentischer werden müsse. „Aber es passiert zu wenig.“ Es müsse offen darüber gesprochen werden, was geschehen sei, über den Missbrauch.
„Das kann nicht einfach verdeckt werden.“ Es gehe nicht um Machterhalt, sondern darum, so zu leben und zu handeln, wie Jesus es vorgemacht habe, ist Schneider überzeugt. „Wir sollten uns wieder darauf besinnen, was Jesus von Nazareth gesagt und vor allem wie er gehandelt hat.“ Er könne sich beispielsweise nicht vorstellen, dass Jesus Homosexuelle nicht gesegnet hätte, so der Theologe.
Zwangszölibat ist völlig überholt
Man könne nicht immer auf die Weltkirche schauen, sondern müsse die Situation in Deutschland sehen und jedes Problem neu beleuchten. „Ich halte den Zölibat für etwas sehr Wertvolles. Aber der Zwangszölibat, um Priester werden zu können, ist völlig überholt. Auch, dass Frauen keine Priester werden können, halte ich nicht mehr für zeitgemäß“, betont der 66-Jährige, der seit 15 Jahren als Diakon in der Heeker Gemeinde tätig ist.
Zuvor war er an gleicher Stelle etliche Jahre Pastoralreferent. „Es gibt ausgesprochen viele Menschen im kirchlichen Dienst, die in das hineinpassen, was der Briefschreiber sich wünscht. Die sich wirklich jeden Tag abstrampeln. Wir machen auch nicht alles richtig, aber an der Basis begreifen wir viel mehr vom Leben, als man meint.“
Als ein Beispiel nennt Schneider den Bibelkreis, den er in Heek vor 20 Jahren gegründet hat. „Dort versuchen wir, das Evangelium mit dem normalen Leben in Verbindung zu bringen. Die Teilnehmer bringen ihre Probleme aus dem Alltag rein.“
Die Gläubigen müssten sich ernst genommen fühlen, man solle sie nicht von oben herab belehren. Auch darin ist sich Schneider mit dem Autor des Briefes einig.
Geschiedene nicht als Schuldige hinstellen
In der täglichen Arbeit erlebe er Gemeindemitglieder, die geschieden sind und sich wieder neu gebunden haben. „Sie sind gläubig und möchten gerne, dass ihre neue Beziehung gesegnet wird. Sie möchten nicht als Schuldige hingestellt werden, sondern angenommen fühlen von ihrer Kirche. Es kann doch nicht sein, dass ihnen die Kommunion verweigert wird. Die Kommunion ist auch ein Sakrament der Versöhnung und Vergebung.“
Letztlich sei es aber die Sache aller Christen, daran mitzuwirken, dass die Kirche glaubwürdig sei. „Man kann nicht nur sagen, dass die da oben alles falsch machen. Es geht darum, an der Basis auch etwas dafür zu tun. Und genau deshalb trete ich auch aus der Kirche nicht aus.“