Mit einem Spezialbohrer und jeder Menge Technik konnte die Heeker Firma das Weltkriegs-Geheimnis endgültig lüften. Nach über 100 Jahren.

Mit einem Spezialbohrer und jeder Menge Technik konnte die Heeker Firma das Weltkriegs-Geheimnis endgültig lüften. Nach über 100 Jahren. © Thomas Schock

Bohrung in „Todestunnel“: Heeker Firma lüftet Weltkriegs-Geheimnis

rnErster Weltkrieg

Hunderte deutsche Soldaten sind im Ersten Weltkrieg im „Winterbergtunnel“ qualvoll gestorben. Um den Tunnel rankten sich viele Mythen. Jetzt hat ein Heeker Unternehmen das Rätsel endgültig gelöst.

Heek

, 09.05.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Längst hat die Natur ihr grünes Leichentuch über jenen Ort im Dreieck der Städte Laon, Soissons und Reims im Norden Frankreichs geworfen, der ein so grausames Schicksal birgt. Hunderte deutsche Soldaten fanden dort im Ersten Weltkrieg den qualvollen Tod. Auf einen Schlag.

Um den Ort rankten sich viele Mythen. Grabräuber machten sich vor Ort zu schaffen, behaupteten gar, sie hätten den Tunnel gefunden und seien eingedrungen. Nachweislich eine erfundene Behauptung. Doch der Reihe nach.

Areal ist eine Hochsicherheitszone

Mittlerweile ist das gesamte Areal um den „Winterbergtunnel“ eine Hochsicherheitszone. Nicht nur wegen der dort noch im Boden lagernden scharfen Munition wie Bomben und Granaten. Nein, der Ort soll vor unbefugten Zugriffen auf Leichname und persönliche Gegenstände geschützt werden.

Bereits Anfang 2021 war die Geo-Radar GmbH aus Heek in Zusammenarbeit mit dem Volksbund vor Ort. Eine Spezialortungstechnik kam zum Einsatz. Denn: Das Areal ist groß, die exakten Lage des Tunnels bis dahin unklar. Es gab lediglich grobe Skizzen aus dem Ersten Weltkrieg.

Bei den Arbeiten landete auch eine „scharfe“ Bombe mit Verzögerungszünder (mittig im Bild) in der Baggerschaufel. Der Kampfmittelräumdienst entfernte diese in einem Spezialcontainer.

Bei den Arbeiten landete auch eine „scharfe“ Bombe mit Verzögerungszünder (mittig im Bild) in der Baggerschaufel. Der Kampfmittelräumdienst entfernte diese in einem Spezialcontainer. © Thomas Schock

Die Ortung gelang mittels Georadar, eine Freilegung des Eingangs ebenfalls, nicht aber ein Vorstoßen in die Hohlräume. Der finale Beweis über den Tunnelverlauf konnte so nicht erbracht werden. Bis jetzt.

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Firmeninhaber und Geschäftsführer Winfried Leusbrock (Geo-Radar und Eggert GmbH) rückte mit seinem Team erneut in den Todeswald in Frankreich aus. „Es hat uns an der Ehre gepackt, dass wir es nicht geschafft haben, das Geheimnis eindeutig zu lüften“, begründet Leusbrock den erneuten Einsatz.

Schweres Gerät kommt zum Einsatz

Mit Experten des Volksbundes sowie französischen Partnern war das Leusbrock-Team vom 2. bis 5. Mai bei der erneuten Sondierung mit der wissenschaftlichen Leitung betraut. Und dieses Mal kam schweres Spezialgerät aus Heek zum Einsatz.

Rückblick. Am 16. April 1917 entbrannte an der Aisne (Westfront) ein Stellungskampf zwischen deutschen und französischen Truppen. Frankreichs Armee startete nach den vergeblichen Durchbruchsversuchen der ersten Kriegsjahre erneut eine Großoffensive gegen den Höhenzug.

Mit schwerem Gerät und Gefährten war das Leusbrock-Team aus Heek nach Frankreich gereist.

Mit schwerem Gerät und Gefährten war das Leusbrock-Team aus Heek nach Frankreich gereist. © Thomas Schock

In der hügeligen und bewaldeten Landschaft standen sich die Soldaten direkt gegenüber. Um den Durchbruch zu erzwingen, setzten die Franzosen zudem wochenlang auf schweren Artilleriebeschuss. Und genau ein solcher wurde zig deutschen Soldaten auf einen Schlag zum Verhängnis.

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Am 14. Mai 1917 traf eine Granate den Eingang des „Winterbergtunnels“ und sprengte die dort gelagerten Munitionsvorräte. Der Tunnel diente als Verbindung zwischen Schützengraben und angelegter Höhle im Felsen.

Tunnel wird zur Todesfalle

Nach dem Granateneinschlag füllte sich der Tunnel mit Rauch und Gas. „Und die Notausgänge und Lüftungsschächte waren verschüttet“, berichtet Thomas Schock vom Volksbund im Gespräch mit der Redaktion. Für die deutschen Soldaten eine tödliche Falle, aus der kaum einer lebend entkam.

Gegenwart. Mit einem Horizontalbohrer wurden über eine Distanz von 60 Metern mehrere Probebohrungen angesetzt. „Ziel war es, die georteten Hohlräume zu treffen“, erklärt Winfried Leusbrock. Die ersten zwei Tage brachten keinen Erfolg. Am letzten dann der Treffer in 16 Metern Tiefe.

Mit PVC-Rohren wurde der Bohrschacht aufgeweitet, anschließend dort hindurch eine Kamera in den Tunnel hinabgelassen.

Mit PVC-Rohren wurde der Bohrschacht aufgeweitet, anschließend dort hindurch eine Kamera in den Tunnel hinabgelassen. © Thomas Schock

Mit einem PVC-Rohr wurde der Bohrschacht aufgeweitet und dadurch eine Kanal-Kamera in den „Todestunnel“ hinabgelassen. „Es war eine angespannte Situation“, blickt Leusbrock zurück. Alleine, weil die Arbeiten wegen der scharfen Munition nicht ungefährlich gewesen seien.

Auch im Dunklen wurde weitergearbeitet. Die Bohrung musst im exakt passenden Winkel erfolgen. In 16 Meter Tiefe gab es an Tag drei nach zu mehreren Versuchen dann den Treffer.

Auch im Dunklen wurde weitergearbeitet. Die Bohrung musst im exakt passenden Winkel erfolgen. In 16 Meter Tiefe gab es an Tag drei nach zu mehreren Versuchen dann den Treffer. © Thomas Schock

Wie gefährlich, zeigte eine „scharfe“ Bombe mit Verzögerungszünder, die beim Arbeiten in der Baggerschaufeel lag. „Da wird einem dann schon anders“, so Leusbrock. Der Kampfmittelräumdienst – die ganze Zeit vor Ort neben dem Bagger – transportierte die Bombe in einem Spezialcontainer ab.

Angespannte Situation

Angespannt sei die Situation aber natürlich auch gewesen, weil niemand wusste, welche Bilder die Kamera auf den Monitor werfen würde. Mumifizierte Leichen? Waffen? Die „ernüchternde“ Antwort: Weder noch.

„Die Tunnelstrukturen waren eindeutig zu erkennen“, berichtet Leusbrock. Leichen seien – zumindest an dieser Stelle – nicht zu sehen gewesen. „Das ist aber eigentlich auch gut so“, bringt es Thomas Schock auf den Punkt. So sei allen der ganz sicherlich grausame Anblick erspart geblieben.

Auf dem Bildschirm ist die Tunnelstruktur gut zu erkennen. Mumifizierte Leichen spürte die Kamera an dieser Stelle nicht auf. Doch der exakte Verlauf des Tunnels ist jetzt klar. Die Mission erfüllt.

Auf dem Bildschirm ist die Tunnelstruktur gut zu erkennen. Mumifizierte Leichen spürte die Kamera an dieser Stelle nicht auf. Doch der exakte Verlauf des Tunnels ist jetzt klar. Die Mission erfüllt. © Thomas Schock

Und: „Wir haben auch so den eindeutigen Beweis erbracht, wie und wo der Tunnel exakt verläuft.“ Mit Ortung und Bohrung. Und genau darum sei es bei dieser gefährlichen Mission gegangen. Alles Weitere sei jetzt eine politische Entscheidung, die in Berlin und Paris getroffen werden müsse.

Ideallösung Gedenkstätte?

Hunderte Leichname aufwendig Exhumieren? Oder eine Gedenkstätte errichten? Denkbar ist erst mal vieles. Für den Volksbund wäre Letztgenanntes die Ideallösung, wie Thomas Schock sagt. So würde auch die Totenruhe bewahrt.

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Die Entscheidung dürfte, so vermutet Schock, in den kommenden Monaten fallen. Bis dahin bleibt das Areal ein Hochsicherheitsgebiet mit Kameras und Security. Nicht ohne Grund wurde auch das Bohrloch wieder verschlossen. Mit der Option, jederzeit wieder eine Kamera einführen zu können.