
Viele Lehrstellen für das kommende Ausbildungsjahr sind noch unbesetzt. Daniel Janning (r.), Geschäftsführer bei der Kreishandwerkerschaft Borken, weiß, dass die Betriebe große Nachwuchssorgen haben. © Gutzeit/KH
Azubimangel sorgt auch in Heek für Sorgenfalten bei Firmenchefs
Fachkräftemangel
Lieber weiter zur Schule gehen und studieren – das führt zu großen Nachwuchsproblemen bei vielen Betrieben. Zahlreiche Lehrstellen sind noch unbesetzt. Auch Betriebe in Heek sorgen sich.
Das neue Ausbildungsjahr steht in den Startlöchern. Doch viele Lehrstellen sind noch unbesetzt. Das verursacht Nachwuchssorgen bei vielen Unternehmen – auch in Heek. „Die meisten Betriebe suchen noch“, weiß Daniel Janning, Geschäftsführer bei der Kreishandwerkerschaft Borken. „Uns sind 350 bis 400 freie Ausbildungsplätze im Nordkreis bekannt.“
Aus Erfahrung weiß er aber, dass kurz vor knapp noch viel passiert: „Oftmals wurden zum Beispiel schon Verträge geschlossen, uns aber noch nicht mitgeteilt.“ Dennoch sei die Zahlunbesetzter Lehrstellen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – auch Corona habe dazu beigetragen, wie er weiter erklärt: „Die Berufsorientierung kam zu kurz. Es fanden keine Messen oder Wirtschaftsschauen statt, wo sich die Jugendlichen informieren und die Betriebe sich vorstellen konnten. Die Kontakte fehlten. Das war ein regelrechter Brandbeschleuniger.“
Manche Branchen haben es besonders schwer
Und das macht sich jetzt bei den Betrieben bemerkbar – insbesondere aber in den Branchen, die es sowieso schon schwer haben. „Es werden zum Beispiel händeringend Bäcker, Friseure und Fleischer gesucht“, so Daniel Janning. Das kann Fleischermeister Christoph Laschke aus Heek bestätigen. „Mein Junior hat gerade seine Fleischerausbildung erfolgreich beendet. Er war der einzige Azubi in zwei Landkreisen“, sagt er. „Als ich damals in die Lehre ging, gab es noch viele Azubis. Danach wurden es immer weniger.“
Für das neue Ausbildungsjahr hat der Fleischermeister zwar einen Auszubildenden einstellen können – sogar einen jungen Mann aus Heek. Aber: „Viele Bewerber gibt es leider nicht. Und die Stelle ‚Fleischereifachverkäufer‘ ist noch unbesetzt“, so Christoph Laschke. Seiner Meinung nach habe die Branche ein schlechtes Image, das dringend aufpoliert werden müsse: „Der blutverschmierte Fleischer – das ist ein altes Bild. Wir schlachten zum Beispiel gar nicht selber, sondern veredeln. Der Beruf ist sehr anspruchsvoll und hat viel mit Lebensmitteltechnologie zu tun. Auch die Weiterbildungsmöglichkeiten sind groß.“
Aber nicht nur das individuelle Image eines bestimmten Berufes scheint ausschlaggebend für unbesetzte Lehrstellen zu sein. „Beliebt unter Bewerbern sind eigentlich Bereiche wie Elektrotechnik, Tischler und Zimmerer oder gar Heizung und Sanitär. Aber auch hier hört man von Schwierigkeiten“, so Daniel Janning. Sabrina Kock von der Elektro Kock GmbH & Co. KG aus Heek kennt das Problem und nennt Gründe: „Alle sollen studieren, einen möglichst hohen Abschluss machen. Wo soll das hinführen? Handwerker werden in Zukunft vermutlich mehr verdienen als Studierte. Und das führt dazu, dass sich nicht mehr jeder einen Handwerker leisten kann.“
Das Unternehmen beschäftigt insgesamt 19 Auszubildende; dieses Jahr wurden neun Lehrstellen besetzt. „Wir hatten Glück und haben sehr früh angefangen, die jungen Leute für uns und unsere Berufe über zum Beispiel Ferienjobs zu begeistern. In den letzten Jahren waren es weniger, daher freuen wir uns sehr darüber, dass wir dieses Jahr so viele einstellen dürfen“, so Sabrina Kock. Man hoffe, durch die Ausbildung etwas gegen den Fachkräftemangel beizutragen.
Dass es immer schwieriger wird, alle Lehrstellen zu besetzen, hat auch Friedrich Pehle, CFO der 2G Energy AG aus Heek, feststellen können. Allerdings treffe dieses Problem das Unternehmen nicht so hart, wie andere in Deutschland – zumindest „noch nicht“. Das könnte unter anderem daran liegen, dass man die Fühler weit ausstreckt: „Zum 1. August 2022 starten 17 neue Auszubildende. Da wir inzwischen auch vermehrt ausländische Auszubildende einstellen, ist diese Zahl im Vergleich zu den Vorjahren hoch. Im August 2022 startet jeweils ein Auszubildender aus England, Tunesien und Algerien. Unter den 17 Auszubildenden befinden sich zudem auch drei Kandidaten, die älter als 20 Jahre sind.“
Die Schwierigkeit, geeignete Bewerber zu finden, ist auch Christoph Buesge von Gartenbau Buesge GmbH & Co. KG aus Heek bewusst. „Es muss passen. Deswegen ist es uns zum Beispiel sehr wichtig, dass Interessierte beim Probearbeiten mal bei uns reinschnuppern. Momentan beschäftigen wir einen Azubi im zweiten Lehrjahr im Bereich Garten- und Landschaftsbau.“
3.495 Berufsausbildungsstellen im Kreis Borken
Dass Betriebe es derzeit schwer haben, zeigen auch die neusten Zahlen der Agentur für Arbeit Ahlen-Münster vom Juni 2022: 3.495 Berufsausbildungsstellen für das bald beginnende Ausbildungsjahr wurden für den Kreis Borken gemeldet. Das sind 11 Prozent mehr als noch im Vorjahr.
Stellt man die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber dagegen, fällt eine große Diskrepanz auf. „Insgesamt 1.776 Bewerber wurden bei uns registriert. Das sind zwar nicht alle junge Menschen, die sich für eine Ausbildung interessieren, da immer mal wieder auch Stellen über die Familie oder den Freundes-und Bekanntenkreis vermittelt werden. Aber die Zahl ist dennoch aussagekräftig“, sagt Matthias Pöpping, Pressesprecher Münsterland bei der Agentur für Arbeit Ahlen-Münster.
Von diesen 1.776 Bewerbern haben bisher nur 882 ein Beschäftigungsverhältnis gefunden. Junge Menschen, die noch auf der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz sind, können sich bei der Agentur für Arbeit und der Kreishandwerkerschaft melden.
- Vom 25. bis 29. Juli wollen Betriebe und Kreishandwerkerschaft unter dem Schlagwort „Abenteuer Handwerk“ Jugendliche für das Handwerk begeistern: An fünf Tagen können Mädchen und Jungen zwischen 13 und 16 Jahren in der Berufsbildungsstätte Westmünsterland in Ahaus und in verschiedenen Unternehmen in die Handwerke Elektro, Sanitär, Metall und Maler hineinschnuppern.
- Die Anmeldung zum Abenteuer Handwerk ist online möglich: https://abenteuer-handwerk.chayns.net/
Schon im Jahr 2015 kurz für die Münsterland Zeitung als Redakteurin tätig gewesen, nun nach einem Zwischenspiel als Redakteurin für Sonderprodukte in Dorsten und Haltern endlich wieder zurück im Münsterland und interessiert an spannenden Geschichten aus Ahaus und Umgebung.
