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„Die scheuwliche seuche“: Als in Nienborg der schwarze Tod wütete
Pest
Die Pest wird auch gerne als schwarzer Tod bezeichnet. Und es ist Infektionskrankheit, die Nienborg gleich mehrfach heimsuchte. Etwas, das verheerende Folgen nach sich zog.
Krankheiten, die große Teile der Bevölkerung bedrohen, gab es in der Geschichte immer wieder. Anders als heute wussten die Menschen lange nicht, wodurch sie ausgelöst werden – und wie sie eingedämmt und medizinisch bekämpft werden können. So wie seinerzeit die Pest in Nienborg. Mit etlichen Toten.
Seit der verheerenden Pest-Pandemie von 1347 bis 1352 gab es in Deutschland immer wieder seuchenartige, als Pest oder „Schwarzer Tod“ bezeichnete Krankheiten – hoch ansteckende bakterielle Infektionen, die von Ratten und Flöhen übertragen werden. Erst 1894 entdeckte der Arzt und Bakteriologe Alexandre Yersin den Erreger und entwickelte gleich auch den ersten Impfstoff.
Die Pest bleibt eine permanente Begleiterscheinung
Vor allem während des Dreißigjährigen Krieges blieben die Pest und andere Ansteckungskrankheiten wie Typhus und Cholera permanente Begleiterscheinungen der Kriegshändel. Seit Anfang der 1630er-Jahren wütete die Pest im Münsterland und in seinen Nachbarregionen.
Um den 22. Oktober 1630 trat sie auch in Metelen in etlichen Häusern auf, sodass die Äbtissin des dortigen Stifts nach Nienborg flüchtete und sich dort ein Haus, wohl auf der Burg, mietete.
Die Stadt Ahaus erlässt Nienborg aus Mitleid Schulden
Der Goldschmied Balthasar von Billerbeck, ein illegitimer Spross der Burgmannenfamilie von Billerbeck und Verwalter des Nienborger Burghofs (Langes Haus), berichtete am 21. Juni 1635 seiner Herrschaft: „Die jungst gewehsene soldatesca haben alhyr in der statt die scheuwliche seuche de pest vorlassen undt seindt subitht am dritten dach zwey gestorben, welches Gott gnedich abwenden wolle.“

Die Pest und der Hausarzt. Miniatur aus der Toggenburger Bibel (Schweiz) von 1411. © Repro Wermert
Die Krankheit breitete sich aber weiter aus, im Oktober schrieb der Verwalter: „Belangendt kranckheitt alhie, ist nach sohe, hier sindt schoen bey 80 personen gestorben.“ Im November 1635 ließ sich die Stadt Ahaus sogar erweichen, der Stadt Nienborg von deren Schulden in Höhe von 247 ½ Reichstalern wegen des den Bürgern zugefallenen Elends 47 ½ Reichstaler aus Mitleid nachzulassen.
Es war mit der Pest ein auf und ab in Nienborg
Kurze Zeit später berichtete von Billerbeck über eine nahezu völlig entvölkerte Stadt Nienborg, und dass mehr als 100 Menschen – das ist etwa jeder fünfte Einwohner – gestorben seien. Kaum zu glauben, dass die ganze Stadt von keinen „4 par menschen“ mehr bewohnt gewesen sein soll – während sie zu jener Zeit eigentlich um die 500 Einwohner hatte
In den folgenden Monaten scheint Nienborg von der Krankheit verschont geblieben zu sein. Denn Balthasar von Billerbeck schrieb am 4. Juli des folgenden Jahres, der junge Herr Torck halte sich jetzt auf dem Hohen Haus in Nienborg auf. Ihm sei nach dem Tod seines zu Haus Asbeck wohnenden Vaters „de peste auffs haus kohmen“, und es sei „seyner swester kindt drin gestorben“.
Die Flucht ins Umland war eine Schutzmöglichkeit
Allerdings heißt es schon am 26. März 1638 erneut, es „feldt bey uns leyder de peste abermahl wydrumb ein, so in der stadt als auch auffm lande“. Danach schweigen die Quellen jedoch vom weiteren Verlauf der Epidemie.
Wie man sich damals in Nienborg vor der Pest zu schützen versuchte – außer durch die Flucht ins Umland – wird nicht überliefert. Wahrscheinlich waren die Maßnahmen aber ähnlich denen in anderen Orten: Dort wurden die Betroffenen isoliert, beispielsweise in den örtlichen Armenhäusern, oder ihre Häuser wurden besonders gekennzeichnet oder gar verschlossen.
Aberglaube spielte bei den Menschen eine große Rolle
Nicht selten wurde die Seuche als göttliches Strafgericht angesehen. Also wurde bei Gott und den Heiligen Zuflucht gesucht, um durch Gebete, Stiftungen und öffentliche Gelübde ferneres Unheil abzuwehren oder für das Seelenheil vorzubeugen.

Fast die Hälfte der Bevölkerung Nienborgs starb seinerzeit an der Pest. © Stich Pest
Die Nienborger Eheleute Henrich Schomacher und Elsabe Hanekotten zum Beispiel spendeten am 13. Juni 1635 zu ihrem, ihrer Kinder und ihrer Familie Seelenheil in das Armenhaus in der „Korten Straten“ am Stadtgraben (Lammers-Armenhaus im „Kurzen Ort“) 16 Reichstaler. Was allerdings nichts half: Der Notar vermerkte nachträglich, dass die Ehefrau, die „mit derselbigen kranckheit von Godt genadigst heimgesocht“, in der folgenden Nacht, am 14. Juni 1635, gestorben sei.
In Nienborg wurde ein Gelübde abgelegt
Wegen des großen Verlustes an Menschenleben wurde in Nienborg noch im Pestjahr 1636 ein öffentliches Gelübde abgelegt, zukünftig den Festtag der Enthauptung des Hl. Johannes des Täufers (29. August) feierlich zu begehen, um sich dessen Schutzes zu versichern. Die 1649 ins Leben gerufene Sakramentsprozession am Sonntag vor dem genannten Festtag des Heiligen hatte dieselbe Intention.
Die Prozession entwickelte sich schnell zur bedeutendsten für das Kirchspiel Nienborg, so dass sie den Namen „Nienborger Prozession“ (1696) oder auch „Hauptprozession“ (1791) erhielt. 1677 ist in Nienborg erneut von einer ansteckenden Krankheit die Rede, ohne dass bekannt wäre, ob es sich um die Pest gehandelt hat.
Danach ging es aber wieder aufwärts: Die Bewohner Nienborgs erholten sich von den Verlusten durch die große Pest in den 1630er-Jahren und überhaupt von den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges relativ schnell. Bereits 1692 machte ein Bevölkerungswachstum die Erweiterung der Stadt um die so genannte „Niestadt“ notwendig.