Wer einen Termin für Krankengymnastik oder Massagen vereinbaren möchte, muss sich auf lange Wartezeiten einstellen. „Reguläre Termine kann ich erst wieder ab Januar anbieten“, sagt Mark Besten, Inhaber einer Physiotherapiepraxis an der Holtwicker Straße. „Höchstens, wenn mal jemand abspringt, geht es eventuell auch früher.“
Schuld daran sei die personelle Situation, sagt Besten. Und das bestätigt sein Kollege Ralf Köster von Physio Topp an der Weseler Straße, auch wenn er noch kurzfristigere Termine vergeben kann. „Wir haben nicht nur Personalmangel, die Physiotherapeuten haben einen Personalnotstand“, sagt er. „Und der verschlimmert sich seit Jahren.“
Die beiden Praxisinhaber sehen ein strukturelles Problem in der Ausbildung und auch in der Vergütung der Physiotherapeuten. „Die Ausbildung zum Physiotherapeuten dauert drei Jahre, sie ist sehr anspruchsvoll - und sie wird nicht bezahlt! Früher musste sogar noch Schulgeld entrichtet werden“, so Mark Besten.
„Bezahlt wie ein Busfahrer“
„Stellen Sie sich vor, Sie wollen diesen Beruf ergreifen und müssen zunächst mal sehen, wie und wovon sie drei Jahre lang leben. Und dann arbeiten Sie in einem Beruf, in dem Sie bezahlt werden wie ein Busfahrer“, so Ralf Köster. „Ich kann verstehen, wenn junge Leute heute sagen: Nicht mit mir!“
Die Ausbildung zum Physiotherapeuten erfolgt in Schulen, sie ist keine betriebliche Ausbildung wie etwa im Handwerk. „Vom Stoff her gehört sie aber zu den sehr anspruchsvollen“, sagt Mark Besten. „Heute gibt es in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen zum Schulgeld, das kommt noch erschwerend hinzu“, sagt Besten.
In Nordrhein-Westfalen wurde das Schulgeld für Gesundheitsfachberufe allerdings zum Januar 2021 abgeschafft. „Das Land übernimmt das erhobene Schulgeld zu 100 Prozent“, informiert das NRW-Gesundheitsministerium.

„Es gibt noch ein spezielles Halterner Problem“, ergänzt Ralf Köster. „Bei der mäßigen Bezahlung lässt es sich in anderem Städten des Kreises preiswerter leben als in Haltern. Und warum soll ich jeden Tag hierher pendeln, wenn ich am Wohnort auch eine gleich bezahlte Stelle finde?“
Problem wird sich verschärfen
2.400 Bewerber auf 27 Plätze habe es gegeben, als er vor 30 Jahren seine Ausbildung begann, erinnert sich Ralf Köster. „Heute sind es noch ca. 13 Bewerber. Das zeigt, das ist noch nicht das Ende: Das Personalproblem wird sich weiter verschärfen.“ Drei Behandlungen zu je 20 Minuten in einer Stunde, wenig Zeit zu Kollegenkontakten und auch körperliche Anstrengung seien Merkmale des Berufs, so die beiden Therapeuten.

„Ein Berufsanfänger muss sowohl mit dem achtjährigen Patienten umgehen können als auch mit dem 90-jährigen“, sagt Ralf Köster. „Es gehört auch großes Einfühlungsvermögen zum Beruf.“ Köster setzt auch Auszubildende in seiner Praxis ein. „Deren Behandlungen darf ich aber nur abrechnen, wenn ein anderer Therapeut dabei ist.“
Die Therapeuten sind nicht frei in ihrer Entgeltpraxis. „Die Entgelte werden von den Krankenkassen vorgegeben“, sagt Mark Besten. „Insofern sind auch unsere Möglichkeiten bei den Gehaltszahlungen begrenzt.“
Mitarbeiter werden gesucht
„Es hat durchaus finanzielle Verbesserungen in den letzten Jahren gegeben“, ergänzt Ralf Köster. „Aber die reichen im Vergleich zu anderen Berufen bei weitem nicht aus. Da meine Frau und ich selbst beide Physiotherapeuten sind, können wir mit unseren Mitarbeitern unseren Betrieb weiter gewährleisten. Das Trainingsstudio für weitergehende Behandlungen mussten wir aber schließen.“
Beide Physiotherapeuten suchen neue Mitarbeiter. „Ich halte den Beruf nach wie vor für sehr attraktiv und abwechslungsreich,“ sagt Ralf Köster. „Aber insbesondere im Bereich der Ausbildung und auch bei den Vergütungen muss sich etwas ändern.“
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