
© Ingrid Wielens
Von „Existenzangst“ bis „Zuversicht“: Halterner Reaktionen auf Lockdown
Coronavirus
Aus Politik und Medizin gibt es Zustimmung zum verlängerten Lockdown. Weniger glücklich damit ist allerdings der Einzelhandel in Haltern. Christoph Kleinefeld sorgt sich um die Zukunft.
Die Entscheidung der Bundesregierung, den Lockdown bis zum 31. Januar zu verlängern und ihn sogar zu verschärfen, stößt in Haltern nicht auf ungeteilte Zustimmung.
Christoph Kleinefeld, Geschäftsführer der Halterner Werbegemeinschaft „Haltern handelt“: „Im Angesicht des großen Ganzen, mögen die in Berlin getroffenen Maßnahmen vielleicht verständlich sein. Aus meiner Sicht als unmittelbar von der Ladenschließung Betroffener hier in Haltern am See waren schon die im Dezember getroffenen Maßnahmen nicht zielführend und die Verlängerung und Verschärfungen sind es auch nicht. Die Verhältnismäßigkeit stimmt nicht.“
Alle Restriktionen seien hinnehmbar, wenn wenigstens ein finanzieller Ausgleich stattfände. Aber dies funktioniere bis heute nicht, so Kleinefeld weiter. Die angekündigten Hilfen und Erleichterungen seien trotz aller Ankündigungen zumeist unerreichbar. Dabei gehe es um Existenzen.
„Gleichzeitig können Lebensmittler und vermeidliche Großhändler unbeirrt ihre innenstadtrelevanten Non-Food-Sortimente verkaufen“, kritisiert er. Das erzeuge Zukunftsängste unter den Einzelhändlern. Die gute Arbeit der vergangenen Jahrzehnte im Stadtmarketing würde dadurch zerschlagen, sagt Kleinefeld.
Um die Zukunft der Stadt Haltern am See macht sich der Einzelhändler deshalb große Sorgen. „Alle Entwicklungsschwerpunkte Halterns, Freizeit und Tourismus, die Gastronomie und jetzt auch noch der starke stationäre Einzelhandel sind massiv in Mitleidenschaft gezogen. Mehr als einen Monat – und dann noch im wichtigen Weihnachtsgeschäft – komplett ohne Umsätze hat die Kraft, eine Schneise der Zerstörung in den Innenstädten zu hinterlassen.“
Stegemann kritisiert Maskenverweigerer
Bürgermeister Andreas Stegemann und Dr. Stefan Matzko, leitender Oberarzt am Halterner St. Sixtus-Hospital, halten die Entscheidung des Bundes, den Lockdown zu verlängern und zu verschärfen, allerdings für unausweichlich.
„Der ausschlaggebende Faktor für eine Entscheidung ist und bleibt die Sicherstellung der klinischen Versorgung von Covid-19-Patienten“, erklärt der Bürgermeister. Die Verlängerung des Lockdowns sei daher eine nachvollziehbare Entscheidung.
Stegemann kritisiert die Maskenverweigerer, die zuletzt in der Innenstadt für Aufsehen sorgten. Ihre Auftritte seien „unerfreulich und absolut fehl am Platze“. Dass Haltern derzeit wieder eine Inzidenz von unter 50 vorweisen könne, solle zudem nicht dazu führen, dass die Halterner unvorsichtig werden. Die Daten seien aufgrund der Feiertage noch nicht vollständig übermittelt, so der Bürgermeister. „Daher müssen wir weiter wachsam sein.“

Dr. Stefan Matzko, leitender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin, Fachbereich Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin sowie Leiter der internistischen Intensivmedizin am Halterner St. Sixtus-Hospital, hält die Maßnahmen für nachvollziehbar. © G. Schmidt
Der Arzt Dr. Stefan Matzko hält die Verschärfung und Verlängerung des Lockdowns ebenfalls für nachvollziehbar, „auch wenn es in Einzelfällen natürlich zu Härtefällen kommen kann“. Ihn überraschten die strikten Kontaktbeschränkungen zwar, doch sieht er sie als richtig an, genau wie die 15-Kilometer-Regelung in Gebieten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 200. „Diese Maßnahmen entstanden durch das Verhalten der Unvernünftigen, „die das Infektionsgeschehen in den Gebieten wie beispielsweise dem Sauerland anheizen“.
Dass der Lockdown am 31. Januar endet, glaubt er noch nicht. „Ich finde es zwar gut, ein Datum zu nennen, um den Bürgern Hoffnung zu geben, aber ich glaube nicht, dass es damit getan sein wird“, sagt Matzko. Seine Hoffnung schöpfe er vor allem daraus, dass immer mehr Menschen gegen das Coronavirus geimpft werden.
Gastronom Toddy Geldmann, Betreiber von „Jupp’s Erlebnisbiergarten“ und Vorsitzender der Vereine „Haltern aktiv“ und „Haltern am See tut gut“, hält die Maßnahmen auf langfristige Sicht für „absolut richtig und alternativlos“, auch wenn sie für viele kurzfristig harte Einschnitte darstellten. Trotz der schwierigen Situation wolle er „positiv in die Zukunft blicken“.
„Manchmal jammern wir auf hohem Niveau“, sagt Geldmann. In anderen Ländern würde es vielen Menschen schlechter gehen. „Ich blicke jedenfalls weiter mit Zuversicht nach vorne und bin davon überzeugt, dass wir uns im Frühjahr wieder mit Freunden im Biergarten treffen können.“
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1982 in Haltern geboren. Nach Stationen beim NRW-Lokalfunk, beim Regionalfernsehen und bei der BILD-Zeitung Westfalen 2010 das Studium im Bereich Journalismus & PR an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen erfolgreich beendet. Sportlich eher schwarz-gelb als blau-weiß orientiert. Waschechter Lokalpatriot und leidenschaftlicher Angler. Motto: Eine demokratische Öffentlichkeit braucht guten Journalismus.
