Unbezahlbarer Wohnraum Wie die Parteien in Haltern den Wohnungsmarkt entschärfen wollen

Wie die Parteien in Haltern den Wohnungsmarkt entschärfen wollen
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Die steigenden Wohnkosten bringen immer mehr Menschen in Bedrängnis. Höhere Energiekosten, Inflation und hohe energetische Auflagen bei dem Bau eines neuen Mietobjektes lassen bezahlbare Mieten kaum zu.

Die Stadt Haltern hat nach Münster die zweithöchsten Immobilienpreise. Was kann die Stadt dagegen unternehmen? „Die Stadt Haltern besitzt nur wenig eigene Fläche für Wohnungsprojekte und ist auch nicht als Akteurin auf dem Wohnungsmarkt tätig“, sagt Sophie Hoffmeier, Pressesprecherin der Stadt Haltern.

Die Stadt könne sich nur auf eine gezielte Ausweisung von Flächen in Bebauungsplänen beschränken. „Die Verwaltung arbeitet an der Erstellung und Vorbereitung einiger Bebauungspläne, die Wohnungsbau ermöglichen können“, sagt Sophie Hoffmeier.

An der Annabergstraße soll der Wohnungsbau ermöglicht werden.
Die Stadt Haltern hat ein Fachbüro beauftragt, um die Angebots- und Nachfragesituation zu ermitteln. Mit ersten Ergebnissen ist etwa Mitte 2024 zu rechnen. © Hans Blossey

So beispielsweise im Bereich des Bahnhofs und der Annabergstraße. Darüber hinaus arbeite der Fachbereich Planen und Wirtschaftsförderung an einem Konzept. Darin soll die Angebots- und Nachfragesituation des Wohnraums untersucht werden.

Entsprechende Maßnahmen sollen anschließend vorgeschlagen werden. „Derzeit wird dafür ein Fachbüro ermittelt. Mit ersten Ergebnissen ist circa Mitte 2024 zu rechnen“, sagt die Pressesprecherin der Stadt.

Die großen Herausforderungen für den Wohnungsbau lägen in der Flächenverfügbarkeit, den unkalkulierbaren Entwicklungen in der Bauwirtschaft und dem Fachkräftemangel, der auch in der Verwaltung zu spüren sei.

Lösungsansätze der Parteien

Und die Politik? Was würden die Parteien in Haltern unternehmen, um den verschärften Wohnungsmarkt in den Griff zu bekommen?

Dr. Heinz Werner Vißmann, Pressesprecher der Wählergemeinschaft Haltern, sagt: „Um geförderten Wohnraum in nennenswertem Ausmaß bereitzustellen, müsste die Stadt Grundstücke auf dem freien Markt unter marktüblichen Konditionen erwerben. Darauf müsste sie aus eigenen Mitteln Wohngebäude erstellen, die dann zu weit geringeren Mieten zur Verfügung gestellt werden.“

Dafür seien erhebliche Mittel notwendig. Sofern keine Leistungsverkürzungen wie beispielsweise die Schließung von Spielplätzen und Sportanlagen gewollt seien, gebe es nur die Möglichkeit, weitere Einnahmen in bedeutendem Umfang zu generieren, etwa durch die Grundsteuer B.

„Diese Grundsteuer wird neben den Eigenheimbesitzern auch von Mieterinnen und Mietern gezahlt. Da die Grundsteuer ohnehin sehr hoch ist, sehen wir dafür keinen Spielraum“, sagt Dr. Heinz Werner Vißmann. Um Wohnkosten zu senken, sehe die WGH die einzige Möglichkeit darin, dass der Regionalverband Ruhr weitere Flächen zur Verfügung stellt. Dadurch könnten die Grundstücks- und Entstehungskosten für Wohnraum sinken.

Dr. Heinz Werner Vißmann, Pressesprecher der Wählergemeinschaft Haltern.
Dr. Heinz Werner Vißmann, Pressesprecher der Wählergemeinschaft Haltern. © privat

So sieht es auch Vorsitzende Hendrik Griesbach der CDU in Haltern: „Damit sich Mieten und Baulandpreise wieder reduzieren, muss das Angebot gesteigert werden“, sagt er. „Dazu müssten wie in der Vergangenheit behutsam neue Baugebiete ausgewiesen werden.“

„RVR lässt uns im Stich“

Das reguliere zwangsläufig auch die Preise für Eigentum und die Mieten. „Der RVR als unsere Regionalplanungsbehörde lässt uns hier aber auch leider im Stich und erlaubt nicht ansatzweise genug Flächenausweisung in der Zukunft“, sagt Hendrik Griesbach. „Unsere nördlichen Nachbarn werden von der Bezirksregierung in Münster regionalplanerisch betreut und ihnen steht ein Vielfaches an ausweisbarem Bauland im Vergleich zu uns zur Verfügung.“

Hendrik Griesbach, CDU-Fraktionsvorsitzender.
Hendrik Griesbach, CDU-Fraktionsvorsitzender. © Jürgen Wolter (A)

Mehr Flächenausweisung führt zwangsläufig zu mehr Bauland. Die WGH möchte die hohe Attraktivität der Stadt nicht unberücksichtigt lassen und fordert daher zunächst ein Konzept: „Wir befürworten daher die Erstellung eines Wohnraumkonzeptes, um zu ermitteln, welcher geförderter Wohnraum vorhanden und erforderlich ist“, sagt Dr. Heinz-Werner Vißmann.

Ideen für günstigere Mieten

Die SPD-Fraktion hatte bereits im Jahr 2018 den Vorschlag eingebracht, eine städtische Wohnungsbaugesellschaft zu gründen, die bezahlbaren Wohnraum schaffen sollte.

Der Vorschlag wurde seitens der Mehrheit abgelehnt. „Weil wir uns sicher sind, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist“, sagt Kai Surholt, Fraktionsvorsitzender der FDP Haltern am See.

Es gehöre nicht zu den Kernaufgaben einer Stadt, eine Wohnungsbaugesellschaft zu gründen. „Die Argumente sind sehr eindeutig. Es fehlt an Personalkapazitäten, Know-how und finanziellen Ressourcen“, sagt Kai Surholt. Die Marktpreise für Immobilien hätten sich extrem erhöht und die Finanzierungen durch steigende Zinsen würden sich nur noch schwerer darstellen. „Die Bauunternehmer, Handwerksbetriebe und Dienstleister sind extrem stark ausgelastet mit Arbeit“, sagt der Fraktionsvorsitzende.

Kai Surholt, Fraktionsvorsitzender der FDP.
Kai Surholt, Fraktionsvorsitzender der FDP. © Sandra Brodel (A)

Die CDU in Haltern hatte den Vorschlag einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft abgelehnt, weil es dafür Flächen und Immobilien bräuchte, die die Stadt nicht habe. „Um das zu ändern, bräuchten wir enorme Finanzmittel, die nur durch die Aufnahme von Schulden oder gravierenden Steuererhöhungen aufzubringen wären“, sagt Hendrik Griesbach. „Beides lehnen wir entschieden ab!“

Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft, die das Ziel verfolge, überdurchschnittlich niedrigere Mieten anzubieten, müsste laufend mit Steuergeldern bezuschusst werden. „Auch das können wir uns nicht leisten“, sagt Hendrik Griesbach.

Die FDP in Haltern verweist auf die Unterstützung zur Gründung der Flächenentwicklungsgesellschaft, die in vielen Projekten Arbeitsplätze und Wohnraum in naher Zukunft schaffen werde. Die Freien Demokraten in Haltern sehen eine positive Entwicklung in den Dörfern wie Bossendorf, Lippramsdorf, Lavesum, Flaesheim und Sythen.

Das Foto zeigt ein Luftbild von Bossendorf.
In Bossendorf (Katharinenhöfe) werden rund 100 Wohnungen gebaut. © Hans Blossey

Hier würden mehrere hundert Wohneinheiten entstehen, die den Wohnungsmarkt in Haltern entspannen werden. Mittel- bis langfristig müsse zudem die demografische Entwicklung in Bezug auf eine nachhaltige Stadtentwicklung berücksichtigt werden.

„Die Möglichkeit des Wohnungsbaus sollte aus unserer Sicht vornehmlich über das Instrument der Bebauungspläne gesteuert werden“, sagt Kai Surholt. „Hier können auch Flächen für größere Wohneinheiten berücksichtigt werden.“ Insgesamt könne die FDP bei nahezu jedem Nachverdichtungsprojekt der Stadt eine Zunahme an Wohnungen beobachten. „Gerade wegen ihrer Kleinteiligkeit und dem münsterlichen Charme wollen wir diesen Charakter bewahren“, sagt Kai Surholt.

„Zu unserem Mangel an Flächen kommt auch noch die allgemeine wirtschaftliche Lage sowie die Politik der Ampelregierung hinzu, die die Preise in der Baubranche steigen lassen“, meint Hendrick Griesbach.

Die SPD sieht in der bisherigen Debatte die Eigenheimbesitzer zu stark bevorzugt. „Die Schaffung des bezahlbaren Wohnraums steht nach wie vor auf unserer Agenda. Die Wohnungsmarktsituation hat sich in den letzten Jahren verschlechtert“, sagt die SPD-Ratsfraktionsvorsitzende Beate Pliete.

Beate Pliete, Fraktionsvorsitzende der SPD.
Beate Pliete, Fraktionsvorsitzende der SPD. © privat

Die Neubaugebiete mit Bauplänen seien insbesondere für Einfamilienhäuser vorgesehen. Beate Pliete hatte Anträge gestellt, um sich für mehr bezahlbaren Wohnraum einzusetzen. „Die sind von der CDU jedoch abgelehnt worden“, sagt sie.

Ulrike Doebler, Geschäftsführerin der Fraktion der Grünen in Haltern, sagt: „Wir dürfen nicht in Form von Flächen schauen, sondern müssen das Potenzial im Siedlungsbereich sehen und ergreifen.“ Das würden CDU und FDP in Haltern aber nicht sehen. Martin Stork, Vorsitzender der Grünen in Haltern, ist überzeugt, den verschärften Wohnungsmarkt mit Projekten und Maßnahmen entgegenwirken zu können: „Wir haben das Instrument Jung kauft Alt vorgeschlagen. Hierbei können alleinstehende Paare ihr Haus verkaufen und anschließend in eine altengerechte Wohnung umziehen, sodass jüngere Familien in die Häuser ziehen können.“

Ulrike Doebler, Geschäftsführerin der Fraktion der Grünen.
Ulrike Doebler, Geschäftsführerin der Fraktion der Grünen. © Privat

Darüber hinaus sieht Stork Möglichkeiten im Bereich der Innenentwicklungsstrategie oder der Baulandaktivierung mit Qualitätskriterien.

„Wir sollten Mut haben, neue Instrumente zu ergreifen und zu nutzen“, sagt der Vorsitzende der Grünen. „Eine weitere Möglichkeit wäre, die Baulandmobilisierungsverordnung in Haltern anzuwenden. Die konservative Mehrheit setzt sich jedoch damit nicht auseinander“, sagt er.

Mithilfe der Baulandmobilisierungsverordnung können Kommunen in Nordrhein-Westfalen neben dem Vorkaufsrecht auf brachliegende Grundstücke und schneller Erschließung des Baulands auch ein Baugebiet bei dringendem Wohnbedarf der Bevölkerung verhängen. In Haltern will man, so ein mehrheitlicher Beschluss im Rat, davon keinen Gebrauch machen.

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