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Studium vs. Gap Year: Zwei Halterner und ihre Erfahrungen nach dem Corona-Abi
Nach einem Jahr
Zwei Halterner haben im Corona-Lockdown 2020 ihr Abitur gemacht. Danach sind beide komplett unterschiedliche Wege gegangen. Wie geht es ihnen heute? War es die richtige Entscheidung?
Vor einem Jahr haben Jona Peters (19 Jahre) und Fabio Zadrozny (20 Jahre) aus Haltern am See ihr Abitur gemacht. Danach sind die beiden unterschiedliche Wege gegangen. Der Grund: die Corona-Pandemie.
Jona Peters ist im Herbst 2020 direkt in ihr Studium gestartet. Die Orientierungswoche hat, wie auch alle Vorlesungen, online stattgefunden. Erstifahrt, Studentenpartys, Kneipentour - restlos gestrichen. Auch abseits des Nachtlebens konnte mit neuen Kommilitonen nichts unternommen werden. Lange Zeit waren Cafés und Restaurants geschlossen. Es herrschte Kontaktverbot.
Erfahrungen, auf die Fabio Zadrozny während seines Studiums nicht verzichten wollte. Für ihn war klar: Es soll erst einmal ein Gap Year (engl. für Überbrückungsjahr) zwischen Abitur und Studium her.
Nach einem Jahr haben wir erneut mit den beiden gesprochen. Jetzt, wo für Jona das dritte Semester beginnt und für Fabio das BWL-Studium starten soll. War es die richtige Entscheidung?
19-jährige Halternerin war in einem Jahr nur 8 Mal an der Hochschule
Für Jona Peters ging im Herbst 2020 ihr erstes Semester im Studiengang Umweltingenieurswesen los - komplett online. „So ging es auch die ganze Zeit weiter“, sagt die 19-Jährige. Einige Klausuren haben an ihrer Hochschule in Darmstadt stattgefunden. Genau wie einige Laborübungen.
An zwei Händen kann Jona Peters abzählen, wie oft sie in den Räumen ihrer Hochschule war: 8 Mal. „Jetzt hätte ich schon Angst, wenn ich hin müsste“, sagt sie und lacht. Denn orientieren kann sie sich an ihrer Hochschule noch nicht - obwohl sie jetzt schon im dritten Semester ist.
Studium startet trotz einem Jahr Wartezeit erst einmal online
Fabio Zadrozny ist zum Wintersemester 2021 einer der Erstis an der Hochschule in Bochum. Gerade hatte er seine Orientierungswoche, in der die neuen Studenten den Campus und die Stadt kennenlernen. Bald sollen die ersten Vorlesungen starten. Dann geht es endlich los, sein Studium der Betriebswirtschaftslehre (BWL).

Fabio Zadrozny (20 Jahre) hat sich bewusst gegen ein Studium direkt nach dem Abitur entschieden. Er hat ein Überbrückungsjahr eingelegt - und ist froh über die Entscheidung. © privat
Doch obwohl er ein Jahr mit dem Studium gewartet hat und jetzt viele Corona-Regeln wegfallen, wird sein erstes Semester erst einmal mit Distanzvorlesungen starten. „Bis zum 1. November ist noch alles online“, sagt der 20-Jährige. Dann sollen Präsenzveranstaltungen stattfinden - so der Plan. Warum also nicht noch länger warten? „Studium war jetzt die einzige Option“, steht für Fabio Zadrozny fest.
Ein Jahr lang seinen Interessen gewidmet: Sport und Wirtschaft
Trotzdem ist der Halterner froh, ein Übergangsjahr eingelegt zu haben. In der Zeit hat er 5 Monate lang ein Bundesfreiwilligendienst gemacht. Nebenbei wollte er sich seinen großen Traum erfüllen: einen Iron Man absolvieren. Der Sport wurde dann schnell Fabios Hauptfokus.
Nebenbei hat er sich auf sein Studium vorbereitet. „Ich habe in dem Jahr bestimmt 20 bis 30 Bücher über wirtschaftliche und sportliche Themen gelesen“, sagt der 20-Jährige. „Und gefühlt alles, was BWL angeht, auf Wikipedia durchgelesen.“ Auch mit Aktien-Investment hat er sich nach seinem Abitur viel beschäftigt.
Deswegen ist für Fabio Zadrozny klar: „Für mich war das genau die richtige Entscheidung mit dem Übergangsjahr. Ich habe mich wirklich mal ein Jahr rausgezogen, keinen Alkohol getrunken, gut ernährt und nur wenig Partys mitgenommen. Ich bin aus meinem Standardtrott rausgekommen und habe mich persönlich weiterentwickelt.“
„Das war eine komplett andere Erfahrung“
Auch Jona Peters sagt, dass sie für sich die richtige Entscheidung getroffen hat. „Ich fand das gar nicht so schlecht. Das war eine komplett andere Erfahrung“, sagt sie. „Ein normaler Uni-Alltag kann schon überfordernd sein. Jetzt bin ich da so reingerutscht.“ Durch Online-Orientierungswochen hat sie eine Freundin gefunden, die ganz in ihrer Nähe wohnt. Mit ihr lernt sie zusammen oder fährt gemeinsam an Klausurterminen zur Hochschule.
Aber es gibt auch Nachteile: „Ich fände es schon schön, wenn man sich in der Mittagspause in der Mensa zusammensetzen könnte. Das kennt man noch von der Schule, das fehlt schon.“ Und nicht nur das Soziale leidet unter dem Corona-Semester. „In Online-Vorlesungen traut man sich nicht immer, Fragen zu stellen“, sagt sie. „Man fragt einmal weniger als in einem Hörsaal.“
Bald ein „normales“ Studium für die Halterner möglich?
Genau wie bei Fabio soll auch für Jona bald das Studium zurück in die Hörsäle wandern. Jedenfalls teilweise. „Es ist ein Hybridsemester geplant“, sagt Jona Peters. „Praktische Veranstaltungen werden in Präsenz angeboten, aber die Vorlesungen bleiben online.“ Ändert sich die Corona-Lage, soll das Angebot wieder zurückgeschraubt werden.
Beide Halterner haben also für sich die richtige Entscheidung getroffen - auch wenn sie komplett unterschiedliche Wege gegangen sind.
Seit klein auf gerne geschrieben. Ob Tagebuch oder Postkarte. Deswegen war auch der Traumberuf in der Grundschule: Im Winter Bücher schreiben und im Sommer Eis im Eiswagen verkaufen.
