
Kann die Möwe in Haltern seit drei Wochen nicht in Betrieb gehen, weil die Stadtwerke vergessen haben, den Steg zu bauen? Das suggeriert ein RTL-Betrag. © Grafik: Nora Varga
RTL macht sich über Halterns Möwe lustig: Was ist dran an den Vorwürfen?
Faktencheck
RTL hat in einem Beitrag die Stadtwerke Haltern aufs Korn genommen. Der Vorwurf: Die Stadtwerke haben vergessen, Stege für die neue Möwe zu bauen. Mit den Tatsachen hat das aber wenig zu tun.
Dramatische Schnittbilder der vor Anker liegenden Möwe, eine gewitzte Moderation und ein unvorteilhaft in Szene gesetzter Sprecher der Stadtwerke Haltern. Der Beitrag, der am Donnerstagabend bei RTL Explosiv und am Freitagmorgen bei Punkt 6 ausgestrahlt wurde, wirft kein besonders gutes Licht auf die Stadtwerke Haltern. Kern der Vorwürfe sind die Stege, die für die neue Möwe gebaut werden müssen.
Der Tenor des Beitrages: Die Stadtwerke haben ein sündhaft teures Ausflugsschiff gekauft und dann zu spät dran gedacht, neue Stege zu bauen. In dem Beitrag heißt es: „Über ein Jahr hat die Werft an dem Dampfer geschraubt, da war keine Zeit, Anleger zu bauen.“ Seit drei Monaten schwimme die Möwe im See und man würde nur noch auf die Stege warten.
Der im Beitrag zitierte Sprecher der Stadtwerke Thomas Liedtke kann diese Mutmaßung am Tag nach der Ausstrahlung nicht bestätigen: „Der Bau der Stege wurde das ganze Jahr über vorbereitet.“ Zum einen gäbe es nur wenige Firmen, die solche Stege bauen können, zum anderen haben auch diese Firmen mit der wirtschaftlichen Lage zu kämpfen. Liedtke: „Wir kennen alle die Probleme mit Lieferketten und Fachkräftemangel.“ Das Unternehmen, das am Ende beauftragt wurde, hat nun auch mit Verzögerungen zu kämpfen.
Hohe Auflagen wegen der Trinkwasseraufbereitung
Obendrein gibt es aber noch ein Haltern-spezifisches Problem: „Wir haben es hier mit einer Talsperre für die Trinkwasseraufbereitung zu tun, da gibt es viele Auflagen zu beachten.“ Aber Thomas Liedtke hat auch eine gute Nachricht: „Heute [7.10.] wurden die Pontons angeliefert, nächste Woche kann dann mit den eigentlichen Arbeiten begonnen werden.“
Viel früher hätten die Stege, anders als von RTL behauptet, aber auch nichts gebracht. Denn die Möwe wurde, seit sie Anfang Juli in den See gelassen wurde, überhaupt erst ausgebaut und möbliert. Liedtke: „Die letzten Möbel wurden erst vor ungefähr zwei Wochen geliefert.“ Auch die Behauptung, dass man die neue Möwe aktuell nur mit einem Boot erreichen könne, sei laut Liedtke falsch: „Natürlich kann man vom Strand draufgehen.“
Kosten seien frei erfunden worden
Besonders ärgern den Sprecher die angeblichen Kosten von rund 2 Millionen Euro für die Möwe, die im RTL-Beitrag genannt werden. Gegenüber unserer Redaktion hatten sich die Stadtwerke in den vergangenen Monaten bedeckt gehalten, was die Kosten für die neue Attraktion angeht. Thomas Liedtke: „Die Baukosten sind grob falsch und aus der Luft gegriffen. Die 2 Millionen sind Quatsch.“
Eine Information aus dem Beitrag kann Thomas Liedtke aber bestätigen: In vier Wochen sind die Stege fertig und dann kann die neue Möwe in Haltern in Betrieb gehen.
Jahrgang 2000. Ist freiwillig nach Castrop-Rauxel gezogen und verteidigt ihre Wahlheimat gegen jeden, der Witze über den Stadtnamen macht. Überzeugte Europäerin mit einem Faible für Barockmusik, Politik und spannende Geschichten.
