Halterner Gemeinde nach Missbrauch im Gespräch „Schutz der Betroffenen ist uns wichtig“

Lambertus-Gemeinde nach Missbrauch: Reden und Betroffene schützen
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Ein früherer, vor 17 Jahren verstorbener Pfarrer hat in den 70er- und 80er-Jahren junge Messdiener sexuell missbraucht. Drei Betroffene brachen ihr Schweigen: Sie vertrauten sich der Interventionsstelle des Bistums und Pfarrer Michael Ostholthoff an. In einem Sonntagsgottesdienst im Mai gab Pfarrer Ostholthoff den Missbrauch bekannt. Seither stellen die Taten eine Herausforderung an die Pfarrei St. Sixtus, insbesondere an die Gemeinde St. Lambertus dar. Der Gemeindeausschuss lud deshalb zu einer öffentlichen Sitzung ein.

An den Schilderungen der ehemaligen Messdiener gibt es nichts zu bezweifeln. Insbesondere vor dem Hintergrund nicht, dass der Pfarrer bereits in einem anderen Ort als übergriffig auffiel und das Bistum Schadenersatz gezahlt hat. Aber das Bekanntwerden hat in Lippramsdorf viele Fragen aufgeworfen.

Realität nicht ausblenden

Fragen, wie zum Beispiel „warum haben wir uns in unserem Pfarrer so sehr getäuscht, er hat doch so vieles bewegt?“ oder „warum hat niemand etwas bemerkt und ist eingeschritten?“ Aber es gibt eben auch die Reaktionen: „Das ist lange her, davon will ich nichts hören“ oder „das interessiert mich nicht mehr“.

Wichtig sei jetzt, so Theologin und Psychologin Cäcilia Scholten (Referentin in St. Sixtus), sprachfähig zu sein und nicht die Augen vor der Realität zu verschließen. „So ist der Mensch, wir hätten gerne eine einfache Erklärung, eine schnelle Bewertung, damit das Thema beendet ist.“

Das aber soll so in Lippramsdorf nicht sein. Zurzeit befinde sich St. Lambertus in der Phase der Aufklärung. Zwischen Situation und Lösung brauche es einen Weg: von der Ankündigung im Mai und zur Aufklärung gehöre die Aufarbeitung im dritten Schritt. „Wir müssen letztlich aus dem Geschehenen Lehren ziehen und aufpassen, dass so etwas nicht noch einmal passiert“, so Cäcilia Scholten.

Cäcilia Scholten sitzt auf einem Stuhl und liest.
Cäcilia Scholten ist Theologin und Psychologin. Sie kam zum Gespräch ins Pfarrheim St. Lambertus. © Bischöfliche Pressestelle/Michae

Der Gemeindeausschuss möge nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Aufgrund ihrer Erfahrungen hat Cäcilia Scholten einen wichtigen Rat: Ein solch differenziertes Thema lasse sich nicht mit Stammtisch-Parolen begegnen. „Halten Sie das Thema wach und reden Sie. Nur so fühlen sich die Betroffenen getragen.“

Betroffene schweigen lange. Sie schämen sich und haben Angst in der kleinen Dorfgemeinschaft sozial geächtet zu werden. In jungen Jahren fürchteten sie sich womöglich vor Strafen in der Familie. Der Pfarrer, der alle Familien in Lippramsdorf gut kannte, hatte sich die Kinder gezielt ausgesucht.

Cäcilia Scholten kennt aus ihrer Arbeit (sie betreut Missbrauchs-Betroffene) die Vorgehensweise gut: Täter ziehen ihre Opfer zunächst ins Vertrauen, missbrauchen sie schließlich und bringen sie durch Drohungen oder Belohnungen zum Schweigen. „Betroffene schweigen lange und sie kämpfen oftmals ihr Leben lang um ihre innere Balance.“

Für den Gemeindeausschuss und die anwesenden Gäste war klar, dass die Betroffenen auf keinen Fall an die Öffentlichkeit gezerrt werden dürfen. „Ihr Schutz ist wichtiger, als dass wir uns als Gemeinde wieder gut fühlen“, sagte ein Gesprächsteilnehmer.

Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass durch Missbrauch aufgefallene Pfarrer früher sechs Wochen in Therapie geschickt wurden und dann in die Seelsorge zurückkehrten. Ein systemisches Versagen nannte das Cäcilia Scholten. „Täter bleibt Täter, wenn er nicht wirklich an sich arbeitet.“