Nach dem Schluss-Segen bittet Pfarrer Michael Ostholthoff die Gemeinde, noch zu bleiben, weil es etwas Wichtiges mitzuteilen gebe. „Wird er jetzt, nach den Veränderungen in St. Laurentius die Pfarrei verlassen? Das war mein erster Gedanke“, sagt später eine Lippramsdorferin. Als sie dann ganz andere Worte vernimmt, stehen ihr die Tränen in den Augen. Der Pfarrer, den sie wegen seiner seelsorglichen Fürsorge so geschätzt hatte, soll sich an Messdienern sexuell vergriffen haben? „Darauf komme ich nicht klar.“
So wie ihr ergeht es allen. Die einen verlassen nachdenklich die Kirche, andere bleiben in den Bänken sitzen oder reflektieren das Gehörte vor den Kirchentüren. Ein Lippramsdorfer, lange Zeit im damaligen Pfarrgemeinderat tätig und mit Pfarrer B. eng verbunden, versucht für sich eine Klärung zu finden.
Er hat ihn im Zeltlager mit Jugendlichen erlebt, als modernen Pfarrer bei neuen Vorhaben in der Gemeinde, als teamorientierten Gestalter. Nur eines habe er nie gewollt: Messdienerinnen zum Altardienst zuzulassen. „Die Mädchen kommen mir nicht in die Sakristei!“, habe er, der von 1966 bis 1997 Seelsorger in St. Lambertus war, mit aller Entschiedenheit gesagt. Diese Ablehnung wurde damals seiner konservativen Haltung zugeschrieben. „Aber ich hatte nie begründeten Anlass, an der Persönlichkeit unseres Pfarrers zu zweifeln.“
„Es hat nie Anzeichen gegeben“
Die, die auch privat Umgang mit dem Pfarrer pflegten, verstehen ebenso die Welt nicht mehr. „Ich begreife das einfach nicht!“, sagt ein langjährig Verantwortlicher aus dem früheren Kirchenvorstand. „Nie hätte ich unserem Pastor so etwas zugetraut!“ Alle sind sich einig darüber, dass es keinerlei Grund gegeben habe, die Integrität des Pfarrers infrage zu stellen. Die Erfahrungen der meisten Lippramsdorfer passen nicht mit den Erfahrungen der vom Missbrauch Betroffenen zusammen.
„Wir müssen uns der Sache stellen“, sagt eine Gottesdienst-Besucherin. Für diesen Missbrauch gebe es keine Entschuldigung. Die Fragen, die immer wieder auftauchen: Warum melden sich die Missbrauchsopfer erst jetzt und gibt es möglicherweise noch viel mehr Fälle?
Gesprächsangebote und Hilfen
Pfarrer Michael Ostholthoff, Pastoralreferentin Veronika Bücker und weitere Mitglieder aus der Pfarrei hören als Ansprechpartner zweifelnden und verzweifelten Lippramsdorfern zu. Auch in den nächsten Tagen noch macht die Pfarrei Gesprächsangebote. Am 3. Juni von 18 bis 20 Uhr und am 6. Juni von 19.30 bis 21 Uhr ist dafür das Pfarrheim als geschützter Raum geöffnet.
Weitere Betroffene können sich bei Pfarrer Michael Ostholthoff melden (michael.ostholthoff@st-sixtus.de), bei Ansprechpersonen des Bistums oder bei externen Beratungsstellen wie „Leuchtzeichen“ oder „Zartbitter“ Münster. In der (tagsüber geöffneten) Kirche St. Lambertus liegen Flyer mit Kontaktdaten aus.