Sexueller Missbrauch in katholischer Gemeinde Halterns Frühere Messdiener brechen Schweigen

 Missbrauch in St. Lambertus: Frühere Messdiener brechen Schweigen
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In den 1970er- und 1980er-Jahren soll der damalige leitende Pfarrer B. in Lippramsdorf massiv Messdiener missbraucht haben. Drei Opfer haben sich nach langem Schweigen gemeldet, der erste 2023 am Todestag des Pfarrers, dem 21. Januar. Dieser hatte den Vorwurf gegenüber Pfarrer Michael Ostholthoff und gegenüber der Interventionsstelle des Bistums geäußert. Zugleich bat er darum, den Missbrauch nun öffentlich zu machen.

Zwei weitere Opfer vertrauten sich ebenfalls Michael Ostholthoff an und schilderten gravierende, gewalttätige Übergriffe im Pfarrhaus und in der Sakristei. „Wir haben keinerlei Anlass, den Aussagen der Betroffenen zu den Taten von Pfarrer B. zu misstrauen“, betont Michael Ostholthoff. Er beruft sich dabei auf deutliche Anhaltspunkte, auch wenn sich juristisch nichts mehr beweisen lasse. Der Seelsorger starb 2007 in Ascheberg.

„Unrecht beim Namen nennen“

Am Sonntag (2.6.) verlas Pfarrer Michael Ostholthoff nach dem 10 Uhr-Gottesdienst eine Erklärung sowohl des Bistums als auch der Pfarrei. „Diese Kirche muss Farbe bekennen und sie muss Unrecht beim Namen nennen.“ In der Kirche sprach Ostholthoff den Namen des Pfarrers offen aus, in der Öffentlichkeit beschränken sich Pfarrei und Bistum jedoch auf die Initialen.

Gegen den Pfarrer gibt es noch einen weiteren Vorwurf aus dem früheren Wirkungsort Ahlen. In diesem Fall hat die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen der dort betroffenen Person bereits 2020 eine Zahlung zugesprochen.

Porträt eines Pfarrers
Pfarrer Heinrich B. war 31 Jahre lang Seelsorger in St. Lambertus Lippramsdorf. Er starb im Alter von 80 Jahren 2007 in Ascheberg. © Halterner Zeitung

Die Lippramsdorfer Missbrauchsopfer bleiben anonym. Für sie, so schildert Pfarrer Ostholthoff, war die Zeit reif, sich zu öffnen. Ihnen sei wichtig, dass die Kirche den Missbrauch selber öffentlich mache.

Das Bistum betont, aus Rücksicht keine weiteren Angaben zum Sachverhalt machen zu wollen.

Eine tiefe Erschütterung

„Mit tiefer Erschütterung haben wir die Vorwürfe aufgenommen, die gegenüber Pfarrer B. vorgebracht werden“, sagte Michael Ostholthoff in der Lambertus-Kirche. Auch wenn die gegenüber uns formulierten Verbrechen nicht mehr juristisch aufgearbeitet werden könnten, so sollten die Betroffenen doch wissen, „dass wir uns konsequent auf ihre Seite stellen“.

Nicht die Sorge um die Kirche oder das Ansehen der Pfarrgemeinde treibe die Verantwortlichen von St. Sixtus in dieser Situation an, sondern die Solidarität und die Unterstützung von Menschen, die unfassbares Leid erfahren haben.

„Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung, dass Unrecht und Täter beim Namen genannt werden müssen. Pfarreirat, Kirchenvorstand und Gemeindeausschuss sehen das genauso.“

Offene Gespräche und Vertrauen

Den Betroffenen und allen Gemeindemitgliedern bietet die Pfarrei offene Gespräche an. Diese waren schon am Sonntag möglich, aber auch am Montag- und Donnerstagabend sind Ansprechpartner im Pfarrheim für sie da. Wer sich aussprechen möchte, müsse wissen, dass die Verantwortlichen in der Pfarrei für sie da seien. „Ich bedanke mich demütig für das Vertrauen, das Betroffene in diesem Prozess der Aufarbeitung in uns setzen.“

Als Coach berät Martin Schmitz aus Rhede die Halterner Pfarrei. Er hat selbst als Messdiener Schreckliches erlebt. Heute kämpft er für Aufklärung und Gerechtigkeit und schreibt Bücher. Im vergangenen Jahr las und sprach er in der Marienkirche.

Aufgewachsen in Nordkirchen

„Du meine Güte! Das hätte ich unserem damaligen Pastor nie zugetraut“, sagte jemand, der jahrelang mit ihm zusammengearbeitet hat, und die Nachricht nun nicht fassen kann.

Heinrich B. wuchs mit fünf Geschwistern in einer Nordkirchener Kaufmannsfamilie auf. Seine Eltern schickten ihn auf ein evangelisches Gymnasium. Es folgten Fronteinsatz, Kriegsgefangenschaft, Studienjahre in Gießen, Münster und München. Am 18. Dezember 1954 weihte ihn Bischof Michael Keller zum Priester. Als Kaplan arbeitete er in Havixbeck und Ahlen, im April 1966 trat er seinen Dienst in Lippramsdorf an.