„Das sind nur dicke Frauen!“ Nina Uhlenbrock (40) kämpft gegen Lipödem-Vorurteile

Nina Uhlenbrock kämpft gegen Lipödem-Vorurteile: „Nicht nur dicke Frauen“
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Nina Uhlenbrock hat massive Schmerzen in den Beinen und Armen. Permanent. Wie ein dauerhafter Muskelkater - nur noch schlimmer. „Und wenn dann noch jemand an meine Beine kommt, dann ist es kaum auszuhalten“, sagt die 40-Jährige.

Nina Uhlenbrock gehört zu den Frauen, die von Lipödem betroffen sind. Jede zehnte Frau leidet daran. Die konkreten Ursachen von Lipödemen sind bis heute nicht ausreichend erforscht.

Aber sie gehört auch zu den Frauen, die sich trotz ihrer Krankheit nicht verstecken. Die 40-Jährige arbeitet als Sanifee im Sanitätshaus Lückenotto. Sie berät andere Betroffene und klärt Ärzte über die Krankheit auf. „Ich sage meinen Kundinnen immer: Sei du selbst deine beste Freundin. Wir haben nur dieses eine Leben.“

Auslöser Nervenzusammenbruch

Das Lipödem ist eine krankhafte Fettverteilungsstörung. Getriggert wird die Krankheit durch Hormone. Deswegen tritt sie fast nur bei Frauen auf und nicht vor der Pubertät. Genau das ist nämlich so ein „Hormon-Schwung“, der das Lipödem hervorrufen kann. Aber auch eine Schwangerschaft oder die Menopause sind solche Zeitpunkte im Leben einer Frau.

Nina Uhlenbrock hält einen Kompressionsstrumpf in der Hand.
Als Sanifee bei Lückenotto berät Nina Uhlenbrock viele Frauen, die ebenfalls von Lipödem betroffen sind. Neben Kompressionsstrümpfen hilft vielen Betroffenen auch Schwimmen und Hautpflege. © Anne Schiebener

Nina Uhlenbrock sieht sich selbst nicht als „klassische Betroffene“. Bei ihr ist die Krankheit 2014 ausgebrochen. Ein Nervenzusammenbruch war dem vorausgegangen. Danach hatte sie massive Schmerzen in den Beinen und Armen. Manchmal waren die Schmerzen so schlimm, dass sie tagelang nicht auftreten konnte.

Ihre Ärzte haben die Schmerzen auf den Nervenzusammenbruch geschoben. Erst 2015 bekam sie die Diagnose Lipödem. „Das war eigentlich noch sehr schnell“, sagt sie. Andere Frauen leiden teilweise jahrelang an der Krankheit - ohne Diagnose.

Lipödem-Diagnose in 2015

Die 40-Jährige hat damals die Branche gewechselt und angefangen, in einem Sanitätshaus zu arbeiten. Bei einer Schulung zu Lipödem ist es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen: „Das bist doch du!“, dachte sie direkt. Kurz darauf kam die Lipödem-Diagnose. Nina Uhlenbrock ist in Stadium 2. Insgesamt gibt es drei Stadien.

Betroffene in der dritten Stufe haben teilweise so starke Schmerzen, dass sie auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Oftmals entscheiden sich diese Frauen für eine Operation. Die Krankenkasse übernimmt dann teilweise die Kosten.

Für Nina Uhlenbrock würde das nicht infrage kommen. „Es gibt keine Garantie, dass die Schmerzen nach der OP nicht zurückkommen“, sagt sie. „Danach bist du auch ein Vermögen los.“ Eine Operation kostet circa 6.000 Euro - für ein Körperteil. Nina Uhlenbrock bräuchte in ihrem Stadium etwa acht Operationen. 48.000 Euro würden zu Buche schlagen. Für das Geld bekommt man einen gebrauchten Porsche.

„Leute sehen die Schmerzen nicht“

Stattdessen trägt Nina Uhlenbrock Kompressionsstrümpfe. „Ohne Kompression könnte ich nicht arbeiten“, sagt sie. „Es ist schlimmer als Muskelkater. Der Schmerz schränkt einen komplett im Alltag ein.“ Vorurteile machen das Leben mit der Krankheit noch schwieriger. „Die Leute sehen immer nur ‚die Dicke‘“, sagt sie, „aber nicht die Schmerzen dahinter.“

Nina Uhlenbrocks Beine von hinten.
Nina Uhlenbrock könnte ohne ihre Kompressions-Strumpfhose nicht arbeiten. Die Schmerzen wären zu groß. © Anne Schiebener

Ein schmaler Oberkörper und breite Beine sind das typische Krankheitsbild von Lipödem-Betroffenen. „Das sind ja nur dicke Frauen“, wird deshalb gern über Betroffene gesagt. Nina Uhlenbrock vergleich es damit, als wäre der falsche Oberkörper auf dem Unterkörper gelandet.

Schnell verwechseln Außenstehende deswegen das Lipödem mit Adipositas, also starkem Übergewicht. Bei Adipositas handelt es sich allerdings um eine Fettgewebsvermehrung des gesamten Körpers. Bei Lipödem-Patientinnen führen Diäten oder vermehrte Bewegung nicht zur Reduktion des krankhaften Fettgewebes. Es ist eine chronische Fettverteilungskrankheit.

Veranstaltung für Betroffene

Bei Lückenotto in Haltern am See findet am 6. Mai erstmals eine Veranstaltung für Lipödem-Betroffene statt. Das „Get-together“ richtet sich an alle Lipödem- und Lymphödem-Betroffene, die sich gerne austauschen möchten. Neben Fachvorträgen steht das Zusammenkommen an erster Stelle.

Es gibt noch wenige Plätze für das „Lip & Lymph Get Together“ am 6. Mai bei Lückenotto in Haltern. Interessierte können sich online anmelden unter www.sanitaetshaus-lueckenotto.de/event/lip-lymph-get-together

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„Wir müssen die Frauen abholen“, sagt Nina Uhlenbrock. „Die Community lebt vom Austausch.“ In den sozialen Netzwerken teilen viele Lipödem-Betroffene ihre Geschichte. „Wir sind laut“, sagt die 40-Jährige stolz, die auch ihre Krankheit offen mit tausenden Menschen auf Instagram (@dat_.nina_) teilt.

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