Mitten im Corona-Chaos: Zeit, den Optimismus zu stärken
Corona-Tagebuch
An ganz „normalen“ Dienstagen braucht mein Optimismus eben ein bisschen länger, er ist ja auch nicht mehr der jüngste.

Für die irische Oma gab es das Oster-Ständchen als Video. © Mareike Graepel
Es mag ja hier immer so klingen, als kämen wir hier im Großen und Ganzen gut klar mit der Situation. Und das ist natürlich auch so. Bis zu einem bestimmten Punkt. Heute bin ich beispielsweise besonders froh, dass die Kinder noch ein bisschen (?) länger schlafen als ich.
So habe ich Zeit, schon mal meinen Optimismus zu wecken, ihn schick anzuziehen und ihm ein ordentliches Frühstück zur Stärkung zu machen, mit Spiegelei und frischgebackenem Brot und Käse und einer aufgeschnittenen Tomate, deren Hälfte, da ich sie nicht ganz benötige, im Kühlschrank auf einer runden, silbernen Mini-Servierplatte mit Mini-Haube aufbewahrt wird (die hat meiner Oma mal gehört und als sie starb, durfte ich diese Tomaten-Aufbewahrung-Platte-mit-Deckel mitnehmen).
Diese Stärkung kann mein Optimismus bestens gebrauchen, wird er doch täglich träger und kommt nur noch nach mehrfachem Anklopfen und „Ey, Früüühstüüüück!“-Rufen aus den Federn. Wenn ich ihn einfach machen lassen würde, wie er möchte, würde er diese ganze Zeit am liebsten verschlafen.
Ich brauche ihn aber und lasse ihm dieses Teenager-Verhalten nicht durchgehen – ohne meinen Optimismus kann ich den Kindern nicht erklären, warum wir uns jeden Tag an die „Spiel“-Regeln in Corona-Zeiten halten und warum wir nicht einfach bei Oma zu Mittag essen konnten an Ostersonntag.
Wenn mein Optimismus normalerweise erstmal auf Touren ist, dann ist er nicht aufzuhalten und will alles und jeden in seinen Bann ziehen. An ganz „normalen“ Dienstagen braucht er eben nur ein bisschen länger, er ist ja auch nicht mehr der jüngste.
Auf Hochtouren am Ostersonntag
Aber an Ostersonntag, da hat mein Optimismus aus uns eine kleine Reisegruppe gemacht: Wir haben dank ihm ein großes Schild aus einem Bogen lila-farbenem Tonpapier gebastelt, auf dem „Frohe Ostern“ stand. Die Kinder haben die schönsten der selbstgefärbten Eier ausgesucht und mit kleinen Schokoleckereien in zwei Osternestchen gelegt, Karten gemalt und Briefe geschrieben (ich sogar ein kleines Gedicht, man lese und staune!).
Und dann hat er zwei Geigen, zwei Kinder, zwei Erwachsene und die Geschenke ins Auto bugsiert und nach Datteln gelotst. Auf den kleinen Weg, der am Haus der Oma vorbei in den Garten führt und der unter ihrem Balkon zur kleinen Bühne für den Dirigenten – meinen Optimismus – wurde.
Gute fünf Meter Höhenunterschied und somit ausreichenden Sicherheitsabstand haben die Melodien und Worte von Friedrich Schiller, The Dubliners und The Rembrandts überwinden können, um einander für einen kleinen Moment ganz nah zu sein. Haben wir die Mittagsruhe gestört? Ja, vielleicht. Aber hey, daran war der Optimismus Schuld, nicht wir!
Der Optimismus darf kein Langschläfer werden
Aus diesen Momenten ziehen wir alle Kraft – die Oma, die Kinder und wir selbst. Und müssen die Erinnerung an solche Minuten zelebrieren, damit unser Optimismus kein Langschläfer und Langweiler wird. Dazu tragen auch die vielen kleinen Überraschungen bei, die aus dem Freundeskreis bei uns eingetroffen sind.
Schokolade und süße Karten – „Weil wir uns nicht sehen können“ hat eine Freundin geschrieben – und selbstgebackene Osterplätzchen und selbstgebastelte Kunstwerke landeten in unserem Briefkasten. Die Kinder packten als Dankeschön eifrig Papiertüten mit Aufmerksamkeiten – die Daddy dann rumbringen „musste“.
An solchen Tagen ist mein Optimismus quietschfidel. Heute morgen leider nicht.
Aber genug genölt, entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mal eben den Eimer mit dem Eiswasser holen und ihn dem Optimismus über den Kopf gießen, sonst steht der heute nicht auf und der ganze Tag wird nichts.