Mitten im Corona-Chaos: Drei Dinge, die ich auf dem Herzen habe
Coronavirus
Dieser Blog ist ein Zeugnis einer sich entwickelnden Situation. Unsere Familien-Kolumnistin Mareike Graepel aus Haltern am See gibt Tipps und Anregungen (nicht nur) für Eltern.

Ist heute Mittwoch oder Dienstag oder Donnerstag? Irgendwie scheint jeder Tag gleich zu sein... © Mareike Graepel
Drei Dinge habe ich auf dem Herzen. Erstens: Dieser Blog ist ein Zeugnis einer sich entwickelnden Situation, manches probieren wir aus, und ändern es wieder, weil es sich nicht bewährt hat. Zweitens: In Krisenzeiten verkauft sich Lippenstift besser – aber selbstbräunende Körpermilch bestimmt auch. Und drittens: Wie geht es den Menschen, für die Arbeit oder Schule ein Ort der Sicherheit war?
„Ist heute Mittwoch? Oder welcher Wochentag ist gerade?“ Unsere Große ist kurz verwirrt, und ich kann es ihr nicht verdenken – jeder Tag scheint gleich zu sein, und wir sind erst mitten in der ersten Woche. Zwar wechseln die Fächer auf ihrem Homeschooling-Plan, aber ansonsten ist alles gleich.
Und täglich grüßt das Murmeltier
Die gleichen vier Wände, die gleichen Menschen, der gleiche Hund, der gleiche Garten. Ein bisschen wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“. (Wir wecken die Kinder übrigens nicht immer mit dem gleichen Lied wie in dem Film, in dem „I got you, babe“ immer denselben Tag einläutet, werden den Song aber in die Gute-Laune-Playlist, siehe Infokasten, aufnehmen!)
Wie Bill Murray als Phil Connors in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ haben aber auch wir jeden Tag die Chance, den Ablauf der Ereignisse neu zu bestimmen. Haben die Chance zu bemerken, dass das Pensum von mehreren 45-Minuten-Selbstlern-Stunden sehr hoch ist.
Besonders unser Grundschulkind kriegt zwischendurch andere, kreativere Sachen zu tun, sonst hält sie das nicht länger durch. Und auch der Großen habe ich gesagt, dass wir jeden Tag neu besprechen, was sie machen soll und kann – sonst wirkt der Berg an Aufgaben unüberwindbar.
Jede Schule und jede/r Lehrer*in handhabt die Verteilung anders, und das ist auch gut so. Niemand sollte den Ehrgeiz entwickeln, in den nächsten fünf Wochen mit den Kindern so zu pauken, als müssten sie danach mindestens eine Klasse überspringen. Und buchstäblich cool: In den Pausen dürfen die Mädels auch mal ein Eis am Stiel haben – ein Highlight!
Phantasie-Reisen an schöne Orte
Meine eigenen Highlights in diesen Tagen sind scheinbar oberflächlich. Ich trage die guten Ohrringe, die ich sonst nur nehme, wenn ich ins Theater gehe. Ich freue mich über meine Körperlotion mit leichtem Bräunungseffekt, weil ich auf meine Knöchel oder Arme blicken und für einen Moment so tun kann, als wären meine Haut und ich gerade ein paar Tage am Strand gewesen.
Sekundenlange Phantasie-Reisen an schöne Orte dieser Welt erhalten mir halbwegs meinen Verstand. Mag albern klingen, aber ich bin nicht allein: Sich schminken und etwas pflegen zu können, ist für Frauen, auch und vor allem in Zeiten größter Gefahr oder Krisenzeiten, von geradezu existenzieller Bedeutung. Es erhält die Würde, die Selbstachtung und bringt Normalität.
Die Verkaufszahlen von Lippenstift in Kriegszeiten belegen das seit über 100 Jahren. (Warum hamstern dann gerade so viele Leute Klopapier? Das können doch dann nur Männer gewesen sein…)
Würde und Sicherheit in Zeiten von Corona
Würde – ein hohes Gut. Für alle Menschen. Ich sage das so leicht und lustig, dass ich mir das mit einer Creme erhalte, oder Lippenstift. Aber was ist mit der Würde und der Sicherheit von Frauen und Kindern, die während der Coronavirus-Pandemie von häuslicher Gewalt betroffen sind?
Allein 2017 zum Beispiel mussten die Frauenhäuser im Kreis Recklinghausen 17 Aufnahmegesuche pro zur Verfügung stehendem Platz ablehnen. Pro Platz. Das sind mindestens 448 im ganzen Kreis, 248 davon allein in Castrop Rauxel. Und das sind nur die Frauen, die schon so verzweifelt sind, dass sie einen Platz suchen. Die Dunkelziffer der Frauen, die sich nicht melden, ist immens hoch. Und Kinder leiden immer mit. Als Betroffene und als Zeugen.
Liebe Menschen, wir müssen auch außerhalb der Liste der Corona-Symptome aufmerksam sein – wie geht es den anderen, in der Nachbarschaft, im Umfeld, den Kleinen, den Großen. Niemand sollte zögern, Hilfe anzubieten, ein offenes Ohr zu haben oder wenigstens zu zeigen, dass man ahnt, wenn es jemandem anders schlecht geht.