Missbrauch in der Kirche: „Aufhören, mit den Bischöfen Kaffee zu trinken!“

Diskussionsrunde

Viele Besucher strömten zur Diskussionsrunde zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Haltern. Ganz unterschiedliche Erfahrungen, Sichtweisen und Einstellungen wurden dargelegt.

Haltern

29.06.2022, 10:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Missbrauchsstudie des Bistums Münster war Anlass für eine angeregte Diskussion in der Marienkirche in Haltern. Cäcilia Scholten hat durch das Forumsgespräch geführt. Zu Gast waren Dr. Christiane Florin, Antonius Kock, Peter Frings und Michael Ostholthoff, die mit dem Publikum diskutierten.

Antonius Kock, selbst Missbrauchsopfer und in der Betroffenenhilfe aktiv, fand durchaus lobende Worte für die Missbrauchsstudie. Dass die Kirche eine Täterorganisation sei, habe man jetzt schwarz auf weiß. „Und wir wollen keine Betroffenheitslyrik, wir wollen Respekt. Dieser wurde uns von den Verfassern der Studie entgegengebracht, nicht aber vom Bistum.“

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Politikwissenschaftlerin und Journalistin Dr. Christiane Florin gab sich da pessimistisch. Das Münsteraner Gutachten beschreibe eine „katholische Hölle“, die die Täter schütze. Sie könne dieses ewige „Ich habe Fehler gemacht“ nicht mehr hören: „Das sind keine Fehler, das ist kriminelle Energie.“

Politikwissenschaftlerin und Journalistin Dr. Christiane Florin gab sich hinsichtlich der Missbrauchsstudie pessimistisch.

Politikwissenschaftlerin und Journalistin Dr. Christiane Florin gab sich hinsichtlich der Missbrauchsstudie pessimistisch. © Steffi Biber

Auch Peter Frings, Interventionsbeauftragter des Bistums Münster, ist „froh, dass bei der Münsteraner Studie Historiker am Werk waren“. Denn Kirche sei eine moralische Institution, und ein rein juristisches Gutachten sei hier gar nicht möglich.

„In was für einem Scheinsystem hast du dich da aufgehalten?“

Pfarrer Michael Ostholthoff stellte fest, dass der Satz „Aber es muss irgendwann doch auch mal gut sein“ immer noch viel zu oft falle – auch auf Gemeindeebene. Positiv überrascht sei er, wie viel Raum den Betroffenen im Münsteraner Gutachten gegeben wurde – „wobei das immer gleiche Muster auffällt: Täter werden geschützt, Opfer vernachlässigt.“

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Auch die hohe Dunkelziffer beunruhige ihn. Es gebe keine belastbaren Zahlen, wahrscheinlich sei die Täterzahl noch höher. „Spätestens nachdem ein alter Studienkollege, den ich Jahrzehnte kannte, nach entsprechenden Anschuldigungen Selbstmord begangen hatte, habe ich mich gefragt: In was für einem Scheinsystem hast du dich da eigentlich aufgehalten?“ Auch im Publikum wurde die Forderung laut, endlich Taten folgen zu lassen.

Viele Besucher haben sich an der Diskussionsrunde in der Marienkirche beteiligt.

Viele Besucher haben sich an der Diskussionsrunde in der Marienkirche beteiligt. © Steffi Biber

Nach möglichen Lösungsansätzen gefragt, erklärte Ostholthoff, er wolle eine Lanze brechen für den Synodalen Weg, der letztlich aus dem Missbrauchsskandal entstanden sei – der jedoch, so Christiane Florin, einen Konstruktionsfehler habe: „Dass die Bischöfe auch hier das Sagen haben!“ Die Laien müssten sich vielmehr emanzipieren und „aufhören, mit den Bischöfen Kaffee zu trinken“.

Auch die Gemeinden könnten viel mehr Teil der Aufklärung sein – und die 95 Prozent der Priester, die nicht schuldig sind, können einen großen Beitrag leisten.