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© Nora Varga

Landwirt aus Haltern zum Klimawandel: „Wir müssen unseren Teil beitragen“

rnTierwohl und Klimawandel

Die Schweinebauern haben schwer unter Corona gelitten. Ein Halterner Bauer erklärt, warum er nicht auf Bio umsteigen kann und gibt Einblick in die Ställe auf seinem Hof in Sythen.

Sythen

, 20.03.2022, 05:00 Uhr

Es riecht wirklich nach Bauernhof, wenn Landwirt Martin Hagemann die Tür zu seinen Schweineställen öffnet. Kein Wunder, schließlich leben hier etliche Mastschweine. Als wir eintreten, quieken die Schweine erschrocken und rennen in die hintersten Ecken ihrer Boxen. „Naja, das liegt daran, dass wir zu zweit sind“, erklärt der junge Landwirt, „das kennen die nicht und deswegen hauen die ab. Wir warten mal kurz und dann kommen die wieder. Schweine sind sehr neugierig.“

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Schweine sind sehr neugierig und intelligent, erzählt Martin Hagemann. Sie schlafen am Tag ungefähr 18 Stunden und sind besonders am späten Nachmittag aktiv. © Nora Varga

Und tatsächlich, nach etwa fünf Minuten skeptischen Starrens seitens der Tiere trauen sich die ersten wieder näher an uns heran und beschnuppern unsere Hände. Weitere fünf Minuten später scheint Schwein die zusätzliche Reporterin schon völlig vergessen zu haben und macht weiter mit dem, was Schweine in Mastställen eben tun – schlafen, essen, herumstehen und gelegentlich mit Stroh spielen und daran kauen. Die Tiere auf dem Hof von Martin Hagemann leben in der Haltungsstufe zwei.

10 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben

Die Haltungsstufen stehen am Ende auf der Verpackung von Nackensteaks oder Schweinebäuchen. Stufe eins, die Stallhaltung, erfüllt die gesetzlichen Mindeststandards. Stufe vier, Premium bietet den Tieren einen Auslauf im Freien und doppelt so viel Platz wie in der Stallhaltung. Biofleisch gehört zum Beispiel in diese Kategorie. Auf dem Hof Hagemann leben die Schweine in der Stallhaltung Plus. Sie haben 10 Prozent mehr Platz als im gesetzlichen Mindeststandard vorgeschrieben, bekommen Beschäftigungsmaterial und haben Tageslicht.

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Tiere in der Haltungsstufe zwei müssen Beschäftigungsmöglichkeit haben, Tageslicht und etwas mehr Platz als der gesetzliche Mindeststandard. © Nora Varga

Die Ferkel kommen im Alter von drei Monaten auf den Hof. Sie wiegen dann etwa 30 Kilogramm. Dann werden die Tiere gemästet. Verfüttert wird das, was auf den Feldern um den Hof wächst, Getreide und Mais zum Beispiel. Da das allerdings nicht reicht, muss Martin Hagemann zukaufen. Vier Monate nach ihrer Ankunft wiegen die Schweine 120 Kilogramm, dann geht es zum Schlachter.

Viele Bauern seien bereit, doch das Geld fehlt

Aber einfach so hoppla die hopp vom konventionellen Mastbetrieb zum Bio-Bauern werden, das könne Martin Hagemann nicht, auch wenn er weiß, dass der Ruf nach den besseren Haltungsbedingungen immer lauter werden. „Ich denke, dass wir Landwirte schon zu bereit sind, an unserer Haltungsanforderung weiterzuarbeiten. Allerdings müssen da noch einige Punkte gewährleistet sein, vor allem natürlich die Finanzierbarkeit.“ Je nach Hof und Umbauten würden die Maßnahmen einen sechs- bis siebenstelligen Betrag kosten.

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Martin Hagemann verfüttert auch das an seine Schweine, was rund um den Hof wächst, zum Beispiel Gerste und Roggen. © Nora Varga

Für solche Summen brauche man Sicherheiten. Laut Hagemann hat es die aber in den vergangenen Jahren und besonders seit Corona nicht gegeben. Die Preise für ein Kilo Fleisch seien zwar in den vergangenen drei bis vier Wochen wieder gestiegen, aber „die 16 Monate davor waren auch für uns schmerzhaft.“ Die Nachfrage sei massiv gesunken. Die Folge: Schließungen. „Von November 2020 bis November 2021 haben wir 10 Prozent weniger Schweine in Deutschland.“ Vor drei bis vier Wochen habe er für ein Kilo Fleisch nur 1,20 Euro bekommen, mittlerweile sind es wieder rund 1,875 Euro.

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Trotzdem sei langfristige Planung bei solchen Schwankungen nicht drin. Neben Geld gibt es aber noch ein zweites Problem, mit dem die Branche ganz unabhängig von Corona zu kämpfen hat. Wenn die Haltungsbedingungen besser werden, muss auch der Preis steigen. Martin Hagemann: „Wenn wir nur noch die hohen Haltungsstufen haben, kaufen die Leute dann doch das billigere Schweinefleisch aus Spanien oder anderen Ländern. Das hilft dem Tierwohl auch nicht.“

Vor Ort kaufen und wissen, wo es herkommt

Nur „rumweinen“ wolle er aber auch nicht. Er wisse ganz genau, dass die Landwirtschaft ihren Teil für den Schutz der Umwelt leisten muss. Neben höheren Preisen für tierische Produkte ist für ihn vor allem die Regionalisierung der Produktionen wichtig. Es gebe nur noch vier große Schlachtbetriebe. Zusammen mit den vier großen Lebensmittelhändlern Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland teilen diese den Markt unter sich auf.

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Er würde sich wieder kleinere Schlachtungen und Produktionen vor Ort wünschen. Es sei wichtig, dass die Menschen lernen, wo ihre Lebensmittel herkommen und wie sie produziert werden: „Da muss mein Berufsstand sich auch noch mehr in der Pflicht sehen, aufzuklären und beizubringen.“ In den Nachrichten sieht man oft nur die schwarzen Schafe, die es in jeder Branche gibt. Die ganz normale Arbeit auf dem Hof kennt kaum einer.

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Diese Schweine auf dem Hof von Martin Hagemann bleiben noch ungefähr zwei Wochen da, dann geht es in die Schlachtung. © Nora Varga

Trotzdem könne jeder einzelne mit seinem Konsum anfangen. Martin Hagemann: „Im Restaurant. Wieso muss es da unbedingt argentinisches Rind sein, wenn wir in Deutschland auch gute Produkte haben?“ Aber es geht nicht nur um Fleisch: „Man muss sich dann auch fragen, ob wir wirklich das ganze Jahr über Erdbeeren kaufen wollen oder es immer Avocados geben muss?“ Für deren Produktion wird in Mittelamerika immens viel Wasser eingesetzt, bevor sie dann mit dem Flugzeug uns kommen.

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Der junge Landwirt liebt seinen Beruf aber trotz aller Herausforderungen. Und gerade die sorgen seiner Meinung nach für den Spaß: „Man hat einfach immer was Neues, es ist total vielseitig.“

Auch Schweinefleisch isst er gerne, obwohl er jeden Tag die Tiere sieht. Mitleid mit den Tieren zu haben, ist für Hagemann der falsche Ansatz. „Es ist Respekt, den ich vor den Tieren habe. Man darf nie vergessen, dass ein Lebewesen sterben muss, wenn man Fleisch ist.“