Michael Vaupel, Vorstand im DRK-Kreisverband, ist ganz realistisch: „Keine Einrichtung schafft ganzjährig eine Vollbetreuung.“ Und doch findet er, dass am Erzieherschlüssel, den das Kinderbildungsgesetz vorgibt, nicht unbedingt gedreht werden muss. „Wir müssen die Erzieherinnen und Erzieher von nicht-pädagogischer Arbeit befreien“, darin sieht er einen wesentlichen Ansatz, um die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Die Kitas brauchen Alltagshelfer und Hauswirtschaftskräfte, damit sich die Erziehenden ganz auf ihre pädagogische Arbeit konzentrieren können, finden Michael Vaupel und Andreas Krebs, Verbundleiter der DRK-Kindergärten. Das Rote Kreuz verantwortet 14 Kindergärten, bald werden es 16 sein.
„Leider kümmern sich Politik und Gewerkschaft nur ums Geld, aber nicht um das eigentliche Problem in den Kitas“, kritisiert Michael Vaupel. Und er sagt auch in Richtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Wir müssen auch mal neu über Ansprüche nachdenken.“
Das DRK habe kreisweit zurzeit nur eine Einrichtung, in der nicht alle Stellen besetzt sind. In allen vier Halterner Kitas sei man in der glücklichen Lage, nicht nur mit einer Mindestbesetzung, sondern darüber hinaus arbeiten zu können. Das könne sich durch Krankmeldungen jedoch schnell ändern.
„Angebot mindestens halten“
Der Kindergarten-Bedarfsplan für 2023/24 weist 340 Plätze für U3-Kinder sowie 1.013 Plätze für Ü3-Kinder aus. Darüber hinaus werden 125 Plätze in der Kindertagespflege ausgewiesen (davon 120 Plätze für U3-Kinder und fünf Plätze für Ü3-Kinder).
Kurz nach dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr am 1. August 2013 zeichnete sich in Haltern ab, dass der Bedarf höher war als die zur Verfügung stehenden Plätze; das galt sowohl für den U3-als auch für den Ü3-Bereich.
In den folgenden Jahren wurden daraufhin viele neue Plätze geschaffen (Neubau von Kitas, befristete Gruppenstärkenerhöhungen, Ausbau der Kindertagespflege, Übergangsmaßnahmen wie befristete Einrichtung zusätzlicher Gruppen etc). Das verbesserte die Situation insbesondere im Ü3-Bereich.
Aber auch der U3-Bereich ist grundsätzlich im Vergleich zu anderen Städten gut aufgestellt, sagt Jugendamtsleiter Gisbert Drees. „Gleichwohl können hier nicht alle Betreuungswünsche erfüllt werden. Ziel der Stadt ist, das Angebot mindestens zu halten, bestenfalls sogar zu erweitern.“
„Wir als Träger sind besorgt“
„Die Prognosen sehen nicht gut aus“, sagt Cordula Borgsmüller, Verbundleiterin der katholischen Kindergärten in Haltern. Bundesweit fehlen, so führt sie aus, über 100.000 Erzieherinnen und Erzieher, bis 2030 werden es mehr als doppelt so viele sein. „Wir als Träger sind besorgt. Wie sollen wir zukünftig den Alltag aufgrund des fehlenden Personals bewältigen?“, fragt sie sich.
Es wird laut Auskunft der Stadt für alle Träger von Kitas tatsächlich zunehmend schwerer, den Personalschlüssel zu halten. Der Personaleinsatz orientiert sich in den städtischen Einrichtungen wie in allen anderen nach den Vorgaben des Kinderbildungsgesetzes.
„Phasenweise kommt es aufgrund von Krankheitswellen oder Streiktagen zu Kürzungen von Betreuungszeiten in den städtischen Einrichtungen“, räumt Gisbert Drees ein. Ein kleiner Lichtblick sind die Alltagshelfer (ein zunächst befristetes Landesprogramm), die in allen Halterner Kitas unterstützend mithelfen.
Unverzichtbar sind für die Stadt die 26 Tagespflegepersonen, wovon acht in Großtages-Pflegestellen mit je neun Kindern tätig sind. Die anderen Tageseltern betreuen insgesamt 116 Jungen und Mädchen. Unterstützung erhalten sie von zwei Ergänzungskräften der Stadt. Im Moment bekommt jede Tagespflegeperson 5,80 Euro pro Stunde und Kind, ab August 5.90 Euro.
„Es steht außer Frage, dass der Personalmangel nicht zu Lasten der Qualität gelöst werden darf“, sagt Cordula Borgsmüller. Schließlich leisteten Kitas als Bildungseinrichtungen anspruchsvolle Arbeit. „Mit der Weiterentwicklung von Bildungsplänen und fachlichen Ansprüchen sowie der wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung von Kitas seien die Anforderungen an das Berufsbild Erzieherin/Erzieher gestiegen. „Das muss sich im Ansehen und in der Wertschätzung innerhalb der Gesellschaft widerspiegeln“, fordert Cordula Borgsmüller.
Tageweise große Lücken
Die katholischen Kindergarten stellen aktuell zum neuen Kindergartenjahr in jeder Tagesstätte zusätzlich Auszubildende ein, um damit diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig zu binden. „Wir versuchen in der Personalplanung für das neue KGJ 2023/24 die Personalstärke so zu planen, das durch Urlaube, Krankenstände, Fortbildungen möglichst keine großen Lücken gerissen werden“, so die Verbundleiterin. Aktuell müssten immer wieder aufgrund krankheitsbedingter Personalausfälle Betreuungszeiten tage- oder wochenweise reduziert werden, um mit den Bestandspersonal die Betreuung aufrechtzuerhalten. „Leider zum Nachteil der Kinder und Eltern, die in der Kita einen Lern- und Lebensort finden sollten.“
Sukzessive ein Kita-Sterben?
„Nicht entspannt, aber auch nicht akut kritisch“ ist nach Auskunft von Pfarrerin Merle Vokkert die Lage in den evangelischen Kindergärten Anne-Frank und Martin-Luther. Durch mehrere Personalausfälle (Schwangerschaften, Krankheiten, Stellenwechsel) sei es schwierig gewesen, unterjährig neues Personal zu finden, aber die Suche sei geglückt. „Wir haben es unserem engagierten und hoch motiviertem Personal zu verdanken, dass unsere Einrichtungen nicht noch mehr Angebote zurückfahren müssen“, sagt Merle Vokkert angesichts knapper Kibiz-Finanzierung.
Vor allem die Leiterinnen Anja Hardes und Alina Moors leisteten viel und über dem Soll, um die Einrichtung irgendwie „am Laufen zu halten“. Die Zukunft sieht sie düster, wenn sich nichts verändert: „Wenn der Beruf nicht attraktiver wird, wenn die Kita-Finanzierung nicht auf neue Füße gestellt wird, werden wir sukzessive ein Kita-Sterben erleben.“
Im Kindergarten an der Lohausstraße sind gerade alle glücklich - die Arbeiterwohlfahrt als Träger, Eltern und Kinder. Denn die Betreuung in allen fünf Gruppen ist gewährleistet. Zwölf Fachkräfte, drei Ergänzungskräfte und vier Auszubildende kümmern sich um 85 Jungen und Mädchen. Natürlich sei das in Kitas immer eine Momentaufnahme, so AWO-Sprecherin Britta Langowski. Die Arbeiterwohlfahrt trägt im Unterbezirk die Verantwortung für 82 Kindergärten. „Den Fachkräftemangel spüren wir insgesamt schon sehr deutlich. In anderen Einrichtungen müssen wir durchaus schon mal vorübergehend Betreuungszeiten kürzen.“
Die Kita „Katharinenhöfe“ in Trägerschaft der evangelischen Kirchengemeinde Haltern am See geht zum 1. August 2024 in Betrieb; dort werden dann 16 U3-Plätze und 39 Ü3-Plätze angeboten.
Die katholische Kita St. Antonius im Ortsteil Lavesum wird dauerhaft um eine dritte Gruppe erweitert.
Die Kita St. Marien wird dauerhaft fünfgruppig umgebaut.
In den kommenden Jahren wird das Baugebiet „Nesberg“ mit rund 80 Wohneinheiten realisiert. Darüber hinaus entstehen in den Katharinenhöfen in Hamm-Bossendorf weitere 100 Wohneinheiten. Durch die dort entstehende Kita wird der voraussichtliche Bedarf aus heutiger Sicht gedeckt.
In den Ortsteilen kommt es ebenfalls zur Realisierung vereinzelter Gebiete (in Lippramsdorf „Stigthaube“ und „Hof Brosthaus“, in Hullern (Imberg) und Lavesum (Schafstall). Durch die vorhandene Infrastruktur wird erwartet, die Nachfrage befriedigen zu können.
Die Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahre hat sich stabilisiert; mit Geburtsjahrgang 2022 sind 327 Kinder in Haltern am See gemeldet; 2021 = 330 Kinder; 2020 = 338 Kinder; 2019 = 333 Kinder; 2018 = 321 Kinder. Die Jahre 2016 und 2017 lagen mit 388 bzw. 358 Geburten noch deutlich darüber.
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