Vier Jahre war Josef Hovenjürgen (60) Generalsekretär der NRW-CDU. Nach der letzten Landtagswahl 2022 hat der Halterner eine neue Aufgabe bekommen als „Bindeglied zwischen Landtag und Landesregierung“, wie er sagt. Das ist der eine Spagat. Und der andere vielleicht: als Südmünsterländer das Ruhrgebiet nach vorne zu bringen.
Herr Hovenjürgen, Sie sind seit gut einem Jahr Parlamentarischer Staatssekretär im NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung. Was genau machen Sie eigentlich in dieser Funktion?
Ministerpräsident Hendrik Wüst hat mir vor allem den Auftrag gegeben, die Ruhr-Konferenz fortzuführen und weiterzuentwickeln. Diese wurde 2018 von Armin Laschet ins Leben gerufen. Es hat zahlreiche Diskussionsforen mit Akteuren aus der gesamten Breite des Ruhrgebiets gegeben, aus denen dutzende Projektideen hervorgegangen sind, um das Ruhrgebiet als Ganzes voranzubringen. Dazu gehören beispielsweise Kultur- und Sportprojekte, Maßnahmen zur ökologischen Verbesserung oder auch zur emissionsarmen Mobilität.
Ich habe aber auch den Auftrag bekommen, mich um die Belange des Ruhrgebiets zu kümmern. Ich bin viel unterwegs und spreche unter anderem mit Vertretern von Städten, Kreisen und Kommunen, aus Wirtschaft und Verbänden und unterstütze als Bindeglied zwischen Landesregierung und Landtag gute Vorhaben für das Ruhrgebiet, wo immer es mir möglich ist. Durch die schwieriger gewordenen finanziellen Rahmenbedingungen wird die Aufgabe allerdings nicht einfacher.
Sie haben kürzlich in einem Interview mit der WAZ gesagt, dass dem Ruhrgebiet Perspektivlosigkeit drohe, weil es kaum noch Industrie-Arbeitsplätze gebe. Ist das nicht ein etwas veraltetes Bild vom „Pott“? Und wo sollen die Fachkräfte herkommen?
Ganz im Gegenteil: Industrie steht heute für Moderne und Fortschritt. Es geht um Zukunftstechnologien, um grünen Stahl und die Frage, wie wir das Ruhrgebiet nachhaltig als deutschen Wasserstoff-Standort Nummer 1 etablieren können. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es bessere Standortbedingungen, was große Energieunternehmen, die notwendige Infrastruktur und geballtes Knowhow angeht.
Da wir die höchste Hochschuldichte Europas haben, brauchen wir uns bei der Ausbildung von Fachkräften nicht zu verstecken. Allerdings muss aus Forschung und Lehre auch neue Arbeit entstehen. Zudem darf man nicht vergessen, dass die Industrie eben auch für Menschen ohne Facharbeiterausbildung ein sicheres Einkommen bieten kann. Die heutigen Gesetze (Baugesetzbuch, Bundes-Immissionsschutzgesetz, TA Lärm) machen die Ausweisung neuer Flächen für die Industrie sowie den Erhalt vorhandener Flächen bei Überplanung aber immer schwieriger.
Ich bin der Meinung: Wer hier lebt, soll hier auch Arbeit finden können – egal mit welchem Bildungs- oder Ausbildungshintergrund.
Hätten Sie als Vorsitzender des Ruhrparlaments zwischen 2014 und 2020 mehr Einfluss nehmen können und müssen auf die Entwicklung des Ruhrgebiets?
Anders als ein Bürgermeister, der neben dem Vorsitz im Stadtrat auch der Chef der Stadtverwaltung ist, ist der Vorsitz des Ruhrparlaments ein Ehrenamt. Man ist hier nicht Chef der RVR-Verwaltung. Das Führen der Fraktion oder der Koalition und damit die eigentlichen Debatten um die richtigen Entscheidungen müssen andere übernehmen.
Wie schwer das ist, zeigt der immer noch nicht abgeschlossene Prozess zur Aufstellung des Regionalplans. Viele der zentralen Entscheidungen für das Ruhrgebiet werden aber auch in den einzelnen Städten und Kreisen getroffen. Die Einflussmöglichkeiten des Ruhrparlaments sind begrenzt.

Armin Laschet hat sie einst als „Stimme des Ruhrgebiets“ bezeichnet. Ist das ein Kompliment für einen Halterner? Und wo genau verorten Sie Ihre Heimatstadt?
Haltern und Dorsten liegen am Nordrand des Ruhrgebiets, sind aber auch durch ihre Lage am Südrand des Münsterlands geprägt. Gleiches gilt sicher auch für mich persönlich. Meine Arbeit für den Kreis Recklinghausen, in der Kommunalpolitik und für meinen Landtagswahlkreis war aber nun mal, ohne dass ich mir das wegen der klaren Verwaltungsgrenzen hätte aussuchen können, immer zum Ruhrgebiet hin ausgerichtet.
Wenn sich nun jemand vom Rand des Ruhrgebiets so gut Gehör verschafft, dass er im Land als Stimme des gesamten Ruhrgebiets wahrgenommen wird, dann sehe ich das natürlich als Kompliment an.
Bei Ihrem Ausscheiden aus dem Ruhrparlament haben Sie die schwerfälligen, jahrelangen Diskussionen um den Regionalplan kritisiert, hatten aber die Hoffnung, dass für Haltern (und Dorsten) noch mehr herausspringen könnte. Ist es so gekommen?
Wie schwerfällig die Diskussion ist, zeigt sich darin, dass der Regionalplan auch heute noch nicht beschlossen ist. Es geht um ein sehr komplexes Thema, bei dem auch Fehler gemacht worden sind. Aus Halterner Sicht gab und gibt es eine andere Auffassung als beim Regionalverband davon, wie bzw. wo Wohnen und Arbeiten zukünftig möglich sein sollen. Das wird von den aktuellen politischen Vertretern im Ruhrparlament auch deutlich gemacht. Ich hoffe, dass am Ende das Beste für Haltern und Dorsten herausgeholt wird.

Ihr Parteikollege Bernd Schwane, Fraktionsvorsitzender in Dorsten, sagt klipp und klar, die Randstädte des Ruhrgebiets würden stiefmütterlich behandelt. Ist das so?
Aus meiner Sicht ist das Verhältnis des Landes gegenüber den Kreisen und Kommunen des Ruhrgebietes als gut zu bezeichnen. Insofern gehe ich davon aus, dass sich die Bewertung und Frage auf die Aufstellung des Regionalplanes für das Verbandsgebiet des RVR bezieht. Mit Blick darauf teilen der Kollege Schwane, aber auch der Halterner CDU-Vorsitzende Hendrik Griesbach die Kritik.
Zum einen gibt es beispielsweise zwischen Städten und Landkreisen oder auch Großstädten und kleineren Kommunen deutliche Unterschiede. Unterschiedliche Herausforderungen werden unterschiedlich behandelt. So hat Essen als zehntgrößte Stadt Deutschlands sicherlich andere Probleme und Wünsche als kleinere Städte wie Haltern oder Dorsten.
Zum anderen ist es für den Essener Oberbürgermeister aber auch einfacher, für seine Stadt zu sprechen und zu verhandeln, als für den Landrat des Kreises Recklinghausen, der neben sich die Bürgermeister der zehn kreisangehörigen Städte mit den jeweiligen lokalen Meinungen und Zielen berücksichtigen muss.
Sicher auch aufgrund der damit verbundenen längeren Zeitdauer der Abstimmungsprozesse kommt der kreisangehörige Raum im Ergebnis meiner Meinung nach leider manchmal etwas zu kurz.
Auch Haltern braucht Gewerbeflächen. Seit Aufgabe der Zeche AV 8 ist das Grundstück an der Lippe als Industriegebiet im Gespräch. Dazu bedarf es einer Kooperation mit der Stadt Marl, die jetzt aber ihr Augenmerk auf AV 3/7 (gate.ruhr) legt. Wo sehen Sie die Chancen für Haltern?
Der Kreis Recklinghausen und alle seine Städte haben Marl bei den Bemühungen um das Projekt gate.ruhr solidarisch unterstützt. Es wäre schön, wenn die Stadt Marl nun auch Haltern bei der Entwicklung der dortigen Flächen zur Seite steht.
Das ist ein exemplarisches Thema für das Ruhrgebiet: Die Metropolregion als Ganzes kann nur dann Erfolg haben, wenn die Kommunen auf Zusammenarbeit und Miteinander setzen. Solidarität muss weiter ein Wesenskern des Ruhrgebiets bleiben.
Dass ehemalige Zechenflächen eine Menge Potential bieten, sieht man an der Fläche der früheren Schachtanlage Wulfen 1/2. Dort siedelt sich aktuell Levi’s mit bis zu 600 Arbeitsplätzen an. Es ist absurd, dass wir neue Gewerbegebiete auf der grünen Wiese im Ruhrgebiet errichten und Flächen wie AV 8 renaturieren.
Ministerin bescheinigt Halterner E-Parktower großes Potenzial: „Klimafreundlich und innovativ“
Exklusive Einblicke in Giganten-Baustelle: Levi’s-Zentrum in Dorsten hält Überraschungen bereit
Halterner CDU-Chef Hendrik Griesbach : „Würde mir Friedrich Merz im Kanzleramt wünschen“