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Insolvenzen und Kurzarbeit: Corona verschärft die Schuldenproblematik
Schuldenfalle
In Folge der Pandemie geraten mehr Menschen in die Schuldenfalle. Schuldnerberater Christian Overmann sieht einen „schleichenden Prozess“. In Haltern gibt es besondere Probleme.
Die Coronakrise verschärft die Lage von verschuldeten Menschen. „Da hat ein schleichender Prozess eingesetzt, der uns noch mindestens die nächsten zwei Jahre begleiten wird“, sagt Christian Overmann, Schuldner- und Insolvenzberater des Diakonischen Werkes in Haltern.
Grundsätzlich treffen die finanziellen Auswirkungen der Pandemie vor allem Geringqualifizierte, Alleinerziehende, Selbstständige und Zugewanderte. „Insbesondere Soloselbstständige sind von Einnahmeverlusten massiv betroffen und nehmen jetzt in steigender Zahl unsere Beratungsangebote in Anspruch“, so Overmann. „Dazu kommen jetzt vermehrt auch Menschen, die von Kurzarbeit betroffen waren oder sind.“
„Menschen haben durch Corona ihre Perspektivbe verloren“
Kurzarbeit habe auch dazu geführt, dass Personen, die schon in der Beratung waren und für die eine Lösung gefunden worden war, jetzt durch die Mindereinnahmen den ausgearbeiteten Plan nicht mehr finanzieren können. „Sie geraten in neue Engpässe“, sagt Christian Overmann.
Von Kurzarbeit seien vor allem Menschen betroffen, die im Niedriglohnsektor gearbeitet haben. „Da sind das Dienstleistungsgewerbe und auch die Gastronomie zu nennen. Durch die lange Schließung vieler Einrichtungen und Betriebe hat sich die Situation für die Betroffenen verschärft. Die Betriebe können nicht gleich von Null auf Hundert hochgefahren werden, deshalb haben viele keine neue Beschäftigung gefunden. Bei vielen Arbeitslosen, bei denen die Perspektiven auf eine neue Stelle eigentlich gut waren, hat die Pandemie dafür gesorgt, dass sie wider Erwarten doch keine Anstellung finden konnten. Viele Menschen haben durch die Pandemie nicht nur ihr Einkommen, sondern auch ihre Perspektive verloren“, sagt Christian Overmann.
Durchschnittsverschuldung ist in Haltern besonders hoch
In Haltern ist die Verschuldung überdurchschnittlich hoch, hat der Schuldnerberater festgestellt. Sie liegt in der Seestadt bei durchschnittlich 60.000 Euro, im gesamten Bundesdurchschnitt dagegen bei rund 30.000 Euro, ist in Haltern also doppelt so hoch. „Das liegt daran, dass in der Seestadt mehr Menschen in die Schuldenfalle geraten, die vorher in gut situierten Verhältnissen gelebt haben und eine hohe Bonität vorweisen konnten. Trifft sie ein unerwartetes Ereignis wie Krankheit, Trennung oder der Verlust des Arbeitsplatzes, sind die Folgen oft besonders gravierend.“

Corona verstärkt die Zahl der Insolvenzen und der Menschen, die ihre Schulden nicht mehr bezahlen können. © picture alliance/dpa
Außerdem sei durch den Zuzug gut situierter Bürger in die Seestadt und die damit verbundenen Steigerungen der Miet-, Boden- und Immobilienpreise der Druck auf den Mittelstand besonders hoch.
Ein weiteres signifikantes Merkmal der Situation in Haltern ist der hohe Anteil der „verschämten Nicht-Inanspruchnahme“ von Leistungen, wie Christian Overmann sie nennt. „Es klingt paradox, ist aber eine logische Folge“, so Overmann. „Der Anteil der gut situierten Bevölkerung ist hier überdurchschnittlich hoch, dementsprechend die Scham aber umso größer, wenn man in die Schuldenfalle gerät. Vieles passiert hier zu lange im Verborgenen.“ Die prekäre Lage, in der sich überschuldete Menschen befinden – Overmann geht unter Einbeziehung des sogenannten Dunkelfeldes davon aus, dass in Haltern etwa 11,5 Prozent der Bevölkerung davon betroffen sind – führt außerdem dazu, dass sich gesundheitliche Probleme verschärfen.
Schuldnerberatung der Diakonie ist kostenlos
Deshalb, so der Schuldnerberater, kämen viele Menschen in der Seestadt erst dann zur Beratung, wenn es keinen Ausweg mehr gebe und oft nicht einmal mehr die Versorgung der Familie und der Kinder geleistet werden könne.
Er appelliert dringend an alle Betroffenen, sich rechtzeitig bei der Beratung zu melden. „Sie ist kostenlos und kann auch per E-Mail erfolgen“, so Christian Overmann. Die Schuldnerberatung der Diakonie ist erreichbar per E-Mail an c.overmann@diakonie-kreis-re-de.
Studium der Germanistik, Publizistik und Philosophie an der Ruhr Universität Bochum. Freie Autorentätigkeit für Buchverlage. Freier Journalist im nördlichen Ruhrgebiet für mehrere Zeitungshäuser. „Menschen und ihre Geschichten faszinieren mich nach wie vor. Sie aufzuschreiben und öffentlich zugänglich zu machen, ist und bleibt meine Leidenschaft.“
