
© Benjamin Glöckner
Initiative kann kein Stadt-Grundstück für Mehrgenerationenhaus kaufen
Mehrgenerationenhaus
Der Traum vom Mehrgenerationenhaus in Haltern ist geplatzt. Die Genossenschaft Buntes Wohnen Haltern ist tief enttäuscht von der Mehrheit der Halterner Politik.
Tief enttäuscht hat die Genossenschaft Buntes Wohnen Haltern, die ein Mehrgenerationenprojekt in Haltern verwirklichen will, ihre Bewerbung für ein städtisches Grundstück im Baugebiet Zum Nesberg zurückgezogen. Es habe sich keine politische Mehrheit für den Verkauf an die Initiative gefunden. Nur die SPD und die Grünen hätten dieses Projekt unterstützt, heißt es in einer Pressemitteilung des Bunten Wohnens.
Eigentlich hätte der Hauptausschuss am Dienstag über den Kaufantrag entscheiden sollen. Statt den Weg für ein Mehrgenerationenhaus mit 20 Wohnungen auf der städtischen Fläche frei zu machen, sollen „Halterner Familien mit ausreichend Kapital für ein Einfamilienhaus (...) zum Zuge kommen“, schreibt die Initiative.
Die Genossenschaft hatte ehrgeizige Pläne
Und führt weiter aus: „Die Gegner unseres Projekts ignorieren die gesellschaftlichen Entwicklungen. Menschen brauchen Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung. Wir können unseren Flächenverbrauch und Energiebedarf erheblich verringern, wenn wir uns Gemeinschaftsräume, Gästewohnung, Homeoffice ebenso wie Fahrzeuge (Pkw, Lastenfahrrad, Scooter,...) teilen. Die Stadt selbst verbreitet diese Erkenntnisse zum Beispiel in der aktuellen Auswertung der Bürgerbefragung 55+.“
CDU, WGH und FDP wollen aber lieber jungen Halterner Familien den Vorzug geben. Die Bewerberliste für städtische Grundstücke ist lang. Etwa zehn könnten sich so den Traum vom Eigenheim im Baugebiet an der Sundernstraße verwirklichen. Um eine absolut attraktive Wohnlage handelt es sich allerdings nicht, denn der Lärm der nahen Autobahn ist ständiger Begleiter.
Schon im Ausschuss für Stadtentwicklung hatte das Bunte Wohnen dargelegt, wie viele Häuser und große Wohnungen in Haltern frei gezogen würden, wenn das Mehrgenerationenhaus verwirklicht würde. Um den Flächenverbrauch zugunsten des Klimaschutzes möglichst gering zu halten, hätten sich die Genossenschaftsmitglieder mit einer äußerst maßvollen Quadratmeteranzahl pro Wohnung zufriedengegeben.
Der Klimaschutz sollte im Mittelpunkt stehen
Außerdem sollte das bestmögliche bauliche Konzept auch unter den Gesichtspunkten des Klimaschutzes unter Beteiligung städtischer Experten geplant werden, um einen unansehnlichen Klotzbau zu verhindern.
Nun sind die Pläne der Genossenschaftsmitglieder durchkreuzt, was alle bedauern. „Wo auch das Bunte Wohnen sein Konzept präsentiert, gibt es bislang positive Resonanz. Angesichts der Flächenknappheit in Haltern führt das leider nicht zu Grundstücksangeboten“, sagt Anke Verhoeven, Vorstandsvorsitzende beim Bunten Wohnen.
Die Chancen, dass die Stadt zeitnah ein geeignetes alternatives Grundstück anbieten kann, sind gleich null. „Wir haben kein städtisches Grundstück zur Verfügung, das der angestrebten Größenordnung von knapp 3.000 Quadratmetern ansatzweise entspricht. Im Nesberg wäre mit 2.600 Quadratmetern das Größte gewesen, das wir gehabt hätten“, erklärte die Verwaltung auf Anfrage.
Die Stadt kann keine Unterstützung anbieten
Weitere Unterstützung könne die Stadt dem Bunten Wohnen nur zukommen lassen, wenn eine geeignete Fläche gefunden sei. Auf dem privaten Markt ist die Suche der Initiative, die durchaus solvent ist, ebenfalls bisher nicht erfolgreich gewesen.
Anke Verhoeven kündigte an, dass die Mitglieder am 2. Juli darüber abstimmen wollen, ob sie ein Bürgerbegehren zu der Frage, ob die Stadt ihre Grundstücke am Nesberg an die Genossenschaft verkaufen soll, anstoßen will. 2600 Ja-Stimmen müssten zusammengetragen werden, damit der Traum vom gemeinschaftlichen Leben unterschiedlicher Generationen in Haltern doch nach wahr werden kann.
Darum lehnen CDU, WGH und FDP den Verkauf der städtischen Fläche an die Genossenschaft ab
CDU: „Wir befürworten Mehrgenerationenwohnprojekte, allerdings nicht an jedem Ort. Der Nesberg ist das vorerst letzte Baugebiet in Haltern-Mitte und das Bunte Wohnen hätte sämtliche städtischen Flächen dort für ihr Projekt benötigt. Bis jetzt sind keine jungen Menschen Teil des Vereins, keine jungen Familien mit Kindern und ein Teil kommt nicht aus Haltern.
Gleichzeitig ist die Nachfrage Halterner Familien nach Bauland riesig. Um dieser Nachfrage ansatzweise gerecht zu werden, sind städtische Flächen von großer Bedeutung. Wir sehen den Zugriff im Nesberg für junge Halterner Familien.
Darüber hinaus ist der vorgestellte Baukörper gewaltig und gerade vor dem Hintergrund der Diskussionen über zu großes Bauen in Haltern in den letzten Jahren nicht verantwortungsvoll in ein Baugebiet wie den Nesberg zu integrieren.
Wo wir es beeinflussen können, möchten wir weg von überdimensionierten und fremdkörperartig wirkenden Baukörpern. Für ein kleinteiliges Baugebiet mit entsprechender angrenzender Bebauung u.a. zur Sundernstr. ist das Projekt nicht geeignet.“
WGH: „Die WGH findet zwar die Idee des ‚Gemeinschaftlichen Wohnens‘ grundsätzlich interessant, hätte sich aber dagegen ausgesprochen, ein städtisches Baugrundstück im Baugebiet ‚Nesberg‘ in einer Größe von ca. 2.800 m² Netto-Bauland für diesen Zweck zu verkaufen.
Dieses in Kürze baureif werdende Baugebiet ist das auf lange Sicht wahrscheinlich letzte größere Gebiet, in dem städtische Baugrundstücke für Halterner Familien zur Verfügung gestellt werden können.
Bei den o. g. 2.800 m² handelt es sich um die komplette Fläche, die sich im Besitz der Stadt befindet, und würde im Normalfall für ca. 10 Doppelhaushälften ausreichen.
Für die zur Verfügung stehenden Bauplätze liegen zudem bereits jetzt deutlich mehr Anfragen vor.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Siedlungspolitik für junge Familien wäre es aus Sicht der WGH ungerecht, die Gesamtfläche ausschließlich an einen Bewerber zu veräußern.“
FDP: „Seit Wochen wurde über kein Thema in unserer Fraktion so kontrovers diskutiert wie über das Projekt Buntes Wohnen am Nesberg.
Wir haben uns letztlich aus verschiedenen Gründen gegen eine Veräußerung der städtischen Flächen entschieden.
Zum einen hätte das Projekt die komplette städtische Fläche von rund 2.700 Quadratmeter für sich beansprucht.
Im Falle des Verkaufs wäre der Handlungsspielraum der Stadt, die ungebremst hohe Nachfrage Halterner Familien nach Wohngrundstücken bedienen und regulatorisch auf den Bodenrichtwert einzuwirken zu können, faktisch nicht mehr vorhanden gewesen.
Weiterhin sprach der Zeitpunkt gegen einen vorschnellen Verkauf, denn der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan wird überhaupt erst in der Ratssitzung am 24. Juni final beschlossen, d.h. eine grundsätzliche „Marschroute“ für die Planung steht noch aus.
In den nun folgenden Planungsschritten werden wir auf eine ausgewogene Mischung aus Eigenheimen und Wohnungsbau achten.
Grundsätzlich stehen wir dem Mehrgenerationenwohnen positiv gegenüber und würden ein solches Projekt an geeigneterer Stelle unterstützen.“
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