Das 1971 gebaute Amaro-Haus an der Weseler Straße soll in großem Stil renoviert und zu einem Ärztezentrum umgebaut werden. Bevor die Renovierung unter energetischen Gesichtspunkten mit einem Rückbau bis auf das Tragwerk und Schaffung neuer Grundrisse beginnen kann, müssen alle jetzigen Mieter ausziehen und können - soweit sie ins neue Konzept des „MediCube Praxiszentrums“ passen - nach gut eineinhalb Jahren zu einem Mietpreis von 18,50 Euro pro Quadratmeter wieder einziehen. „Wir fühlen uns in unserer Existenz bedroht“, sagt stellvertretend für andere Mieter des Hauses Zahnarzt Dr. Christian Cuhlmann.
Bislang gebe es für niemanden eine valide Ausweichmöglichkeit. Überhaupt sieht Dr. Cuhlmann kaum eine Chance, mit den medizinischen Geräten vorübergehend in ein Ausweichquartier zu wechseln. Und an ein monatelanges Nichtstun ist schon gar nicht zu denken.
Der Zahnarzt nennt außerdem das Auseinander-Dividieren einer jetzt gut funktionierenden Gemeinschaft mit Arztpraxen und Praxen für Heilberufe eine massive Störung der Patientenversorgung. Die Ankündigung des neuen Besitzers sorge im Haus sowohl bei den Mietern als auch bei Patienten gerade für eine große Beunruhigung.
Viele der jetzigen Mieter haben noch längere Verträge, die über den angekündigten Beginn der Renovierung hinausgehen. Noch flatterten keine Kündigungen ins Haus. Dass die Immobilie renovierungsbedürftig ist, bezweifelt niemand. Aber die Mieter wünschen sich eine Modernisierung bei laufendem Betrieb. „Alles andere bedroht einige in ihrer Existenz“, sagt Dr. Cuhlmann deutlich.
Freie Gemeinde obdachlos
Weder der jetzige Besitzer aus Marl noch die meisten Mieter wollen sich aktuell öffentlich äußern. Zurückhaltend reagiert ein Mieter, der in einem Ärztehaus keinen Platz mehr hätte: die Freie Gemeinde Wendepunkt.

Die Freie Gemeinde Wendepunkt, eine Gemeinde mit evangelischem Hintergrund, gibt es seit 1992 in Haltern. Zunächst war sie in der ehemaligen Gaststätte Passmann an der Recklinghäuser Straße beheimatet, 2015 mietete sie Räume im Erdgeschoss des Amaro-Hauses, die sie in Eigenleistung und mit Hilfe von Halterner Handwerksbetrieben umfangreich sanierte und umgestaltete.
Hier ist der Ort für vielfältige Veranstaltungen, wo man sich zu Gottesdiensten, Vorträgen oder auch in der Woche zu einer Tasse Kaffee trifft, um persönlichen Austausch zu haben.
Die Freie Gemeinde wurde von den Plänen des neuen Besitzers überrascht. In ein künftiges Ärztehaus passt die christliche Gemeinschaft nicht hinein. Sie muss sich nach neuen Räumen umschauen. Das sei bislang nicht geschehen, hieß es seitens der Gemeinde. Zumal der bisherige Vermieter die Gemeinde immer in Sicherheit gewogen habe. Auf jeden Fall wolle man gerne in Haltern bleiben, denn die meisten Gemeindemitglieder kommen aus der Seestadt.
Die Ingenieurgesellschaft Amaro baute das Haus 1971, von 1981 bis 1989 hatte sich die städtische Bauverwaltung hier auf einer Teilfläche ihre Büros. Heute ist das 2495 Quadratmeter große Haus mit Keller und drei Etagen komplett vermietet. Hier sind eine Fußpflege, ein Kickerclub, die Freie evangelische Gemeinde, eine Physiotherapie, eine Orthopädie-Praxis, ein Zahnarzt, Schuhtechnik, Steuerberater, eine Versicherung, ein Fotostudio, Ergotherapie, IT-Büro, Ingenieur-Büros, eine Immobilien & Hausverwaltung, der TÜV Nord mit einer Pflegeschule sowie Ruhrstahl ansässig. Künftig soll hier alles, was „gesünder, stärker und schöner“ macht, angeboten werden.
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