Banger Blick auf den Stromzähler: Seit Janaur zahlt Frederic Feldmann in der Grundversorgung der Stadtwerke mehr für den Strom als vorher.

© Jürgen Wolter

Strom zu teuer? Verbraucherzentrale droht mit Klage gegen Stromversorger

rnKlage gegen Stromversorger

Viele Stromanbieter verlangen unterschiedliche Tarife für Bestands- und Neukunden, auch die Stadtwerke Haltern. Das hält die Verbraucherzentrale für unzulässig und prüft, dagegen zu klagen.

Haltern

, 17.03.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Im Januar bekam Frederic Feldmann Post von den Stadtwerken Haltern. Diese teilten ihm mit, dass sie ab sofort die Grundversorgung seiner Wohnung mit Strom übernähmen. „Dadurch stiegen meine monatlichen Stromkosten von 80 auf 128 Euro“, so Frederic Feldmann.

Er war im vergangenen Sommer mit seiner Freundin Nadine Schröder nach Haltern gezogen, bezog zunächst Strom von einem anderen Anbieter. „Ab Januar dieses Jahres war der aber nicht mehr erreichbar“, so Frederic Feldmann. Ob eine Insolvenz vorlag, konnte er nicht herausfinden. „Ich finde es ja im Prinzip gut, dass die Grundversorgung durch die Stadtwerke sichergestellt wird“, so Feldmann. „Aber diese Preissteigerung finde ich schon ziemlich happig.“

Massive Steigerungen von Strom- und Gaspreisen betreffen viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Besonders hart trifft es viele Kunden, die seit Beginn der Energiepreiskrise Strom oder Gas von Grundversorgern beziehen müssen, zum Teil weil andere Anbieter pleite gegangen sind, teilt die Verbraucherzentrale mit.

Jetzt lesen

Bei vielen Stromanbietern zahlten Neukunden zudem jetzt höhere Tarife. Dies hält der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) für unzulässig und prüft deshalb das Einreichen einer Musterfestellungsklage. Die Stadtwerke Haltern räumen dieser möglichen Klage aber keine Chancen ein.

„Unzulässiges Zweiklassensystem“

„Viele Grundversorger bürden die erhöhten Beschaffungskosten auf dem Energiemarkt vor allem den Neukundinnen und Neukunden auf. Damit schaffen sie ein aus unserer Sicht unzulässiges Zweiklassensystem“, sagt Henning Fischer, Rechtsreferent beim vzbv. „Verbraucherinnen und Verbraucher stehen mit dem Problem aber nicht alleine da. Wir prüfen rechtliche Schritte in Form einer Musterfeststellungsklage“, so Fischer.

Im Kreis Recklinghausen nennt die Verbraucherzentrale die Stadtwerke Haltern und Herten als Beispiele für Stromversorger, deren Preisstruktur eine solche Ungerechtigkeit zugrunde liege. Der Stromtarif der Stadtwerke Haltern gliedert sich folgendermaßen:

  • für Bestandskunden: Arbeitspreis 31,9 Cent/kWh, Grundpreis 99,96 Euro/Jahr,
  • für Neukunden: Arbeitspreis 56,9 Cent/kWh, Grundpreis 99,96 Euro/Jahr.

Grundversorger verlangten die höheren Tarife in tausenden Fällen von Verbrauchern, deren bisheriger Energieversorger die Belieferung eingestellt habe, wie im Fall der Anbieter gas.de und Stromio, teilt die Verbraucherzentrale mit. Die Neukundentarife träfen auch weitere Verbraucher, die keinen Energieversorger gewählt haben – zum Beispiel nach einem Umzug.

„Unterscheidung hat es bisher nicht gegeben“

„Die Praxis der Unterscheidung zwischen Neu- und Bestandskundentarifen hat es bisher nicht gegeben“, so die Verbraucherzentrale. Bei einer Musterfeststellungsklage klagen nicht einzelne Verbraucher, sondern ein Verbraucherverband. Das Gericht prüft, ob die vom Verband vorgetragenen Streitpunkte zutreffen oder nicht, und trifft dann eine Entscheidung.

Die Stadtwerke Haltern begründen auf unsere Nachfrage hin ihre Preisstruktur mit der Notwendigkeit, ihre Bestandskunden vor Preisturbulenzen am Energiemarkt zu schützen und ihnen Tarifsicherheit bieten zu können.

Die Halterner Stadtwerke erheben in der Grundversorgung mit Strom einen teureren Verbrauchstarif.

Die Halterner Stadtwerke erheben in der Grundversorgung mit Strom einen teureren Verbrauchstarif. © Wielens

Bestandskunden vor Turbulenzen schützen

„Für unsere Bestandskunden kaufen wir Energie langfristig und vorausschauend ein, sodass wir sie vor Preissprüngen schützen können. Nachdem nun einige Discountanbieter praktisch „über Nacht“ die Belieferung ihrer Kunden eingestellt haben, mussten wir als Ersatzversorger diese Kunden übernehmen und kurzfristig Energie zu stark gestiegenen Tagespreisen nachkaufen“, begründet Stadtwerke-Sprecher Thomas Liedtke die Preisstruktur.

„Auf Grundlage dieser Einkaufspreise haben wir einen zweiten Tarif für Neukunden gebildet. So konnten wir unsere Bestandskunden vor den Auswirkungen der Turbulenzen an den Energiebörsen weitgehend schützen. Es wäre höchst ungerecht, wenn unsere treuen Kunden die Zeche für die unseriösen Geschäftspraktiken der Discounter zahlen müssten.“

Rechtsauffassung bestätigt

Einer möglichen Klage sehen die Stadtwerke gelassen entgegen. In einem Verfahren der Verbraucherzentrale gegen den Energieversorger RheinEnergie habe das Oberlandesgericht Köln Anfang März entschieden, dass RheinEnergie in ihrer Preisgestaltung bei der Ersatzversorgung zwischen Alt- und Neukunden unterscheiden darf.

Jetzt lesen

Diese auch als „Tarifsplitting“ bezeichnete Unterscheidung stehe nach Auffassung des Gerichts im Einklang mit dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), teilt Thomas Liedtke weiter mit. „Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof hat das OLG nicht zugelassen. In diesem Fall ist das Verfahren somit beendet. Das OLG hat damit unsere Rechtsauffassung bestätigt.“

In diesem Zusammenhang begrüßen die Stadtwerke Haltern die Initiative der Bundesregierung, die abrupte Kündigungen und Lieferstopps zum Beispiel durch Billiganbieter untersagen will. In einem Entwurf zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes heißt es, dass Energievertriebe die Einstellung ihrer Tätigkeit drei Monate im Voraus der Bundesnetzagentur anzeigen müssen. So sollen insbesondere Haushaltskunden die Möglichkeit erhalten, sich rechtzeitig einen neuen Anbieter zu suchen.