Seit vielen Jahren kommt am 6. Dezember der Nikolaus über den Stausee gefahren, um die Halterner Kinder zu begrüßen und mit ihnen in die Stadt zu ziehen. So wie in den Jahren zuvor kam er auch in diesem Jahr nicht alleine, sondern hatte seine zwei Begleiter dabei.
Bei der beliebten Veranstaltung am Halterner Stausee waren die Gesichter der Knechte Ruprecht schwarz angemalt. Auch in anderen Halterner Ortsteilen und ebenso in vielen anderen Städten und Gemeinden gab es in diesem Jahr schwarz angemalte Knechte Ruprecht.
Diese Tradition gilt als umstritten. Auf Anfrage der Redaktion üben drei Halterner Kritik. David Schütz, Werner Nienhüser und Hermann Döbber engagieren sich zwar in verschiedenen Vereinen, äußern sich aber zu diesem Thema als Privatpersonen und nicht für die Vereine.
Tradition ist nicht zu ertragen
David Schütz ist selbst ein großer Fan der Nikolaus-Tradition, nicht aber von seinem Begleiter: „Ich habe noch am eigenen Leib im Internat erlebt, dass die Vasallen des schwarzen Ruprechts das Recht hatten, uns Jüngere über den Schulhof zu jagen und zu verkloppen. Dass diese Vasallen ‚Schwarze‘ sein sollen, ist darüber hinaus und zurecht unerträglich“, sagt Schütz.

Auch David Schütz ist jedes Jahr als Nikolaus unterwegs. Aus pädagogischer und „theologischer“ Sicht, vor allem aus dem Blickwinkel der Kinder sei die Tradition eines schwarzen Knecht Ruprechts nicht zu ertragen. „Aus Sicht unserer schwarzen Mitbürgerinnen und Mitbürger ist die Tradition eindeutig rassistisch“, so Schütz. Er weigere sich, als Nikolaus mit solchen Gefolgen Kinder zu besuchen.
Wie die Schreckensgestalt Knecht Ruprecht erzählt wird, hängt von der jeweiligen Region und deren Auslegung des Brauchtums ab. Die Entstehungsgeschichte geht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Die Figur soll einen pädagogischen Auftrag erfüllen und Kinder dazu bewegen, fromm zu sein. Zu seinen Attributen zählt auch das Kinderfressen, weshalb er in anderen Regionen auch häufig als teufelsartige Figur verkleidet ist. Waren die Kinder nicht fromm genug, dann wurde diesen gedroht, sie mitzunehmen.
Das können auch Werner Nienhüser und Hermann Döbber aus Haltern unterstreichen. „Ich verstehe das nicht, es ist gesetzlich verboten, Kindern Gewalt zuzufügen, aber der Knecht Ruprecht ist befugt, dies in der Öffentlichkeit zu tun“, sagt Döbber. Das sei doch nicht mehr zeitgemäß. Auch er verbinde mit dieser Tradition keine schönen Kindheitserinnerungen.
Werner Nienhüser betont, dass so das Schwarze mit Strafe verbunden werde. „Eigentlich übernimmt der Knecht Ruprecht stellvertretend für den Nikolaus die strafende Rolle.“
Bewusster Verzicht auf Ruprecht
Bruno Ölmann bezeichnet sich selbst als Freund der Tradition. Er ist Gründer und Ehrenmitglied der Kreisjägerschaft Hubertus Recklinghausen. Zusammen mit dem Hegering Haltern haben sie als Interessengemeinschaft den Nikolausabend für kranke Kinder in Flaesheim organisiert.
Aber der Nikolaus kam alleine - ohne Knecht Ruprecht. „Das war eine bewusste Entscheidung. Aus pädagogischer Sicht finde ich diese Tradition verwerflich. Ich selbst musste mich als Kind nie vor dem Ruprecht fürchten, weil meine Eltern den schon nicht eingeladen haben“, erzählt Ölmann.
So habe er das seinen Kindern auch nicht angetan und diese wiederum seinen Enkelkindern auch nicht. Sein Nikolaus habe immer nette Begleiter, weshalb er gut ohne diese Tradition leben könne.
„Wir haben wichtigere Probleme“
Anders sieht das der Gastronom Toddy Geldmann. Er hat mit dem Verein „Haltern am See. Tut gut“ den Nikolausabend am Stausee organisiert. Vom Schiff kam der heilige Sankt Nikolaus mit seinen schwarz angemalten Begleitern. Der Initiator der Veranstaltung hält an der Nikolaus-Tradition fest: „Wir haben doch größere Probleme, als über dieses Thema zu diskutieren.“
Blackfacing heißt, dass weiße Menschen sich das Gesicht schwarz anmalen. Dadurch bedienen sie sich gleichzeitig einem rassistischen bzw. kolonialistischen Denkmuster. Dieses wird zusätzlich mit negativen Eigenschaften wie gefährlich, zurückentwickelt, kriminell, gewaltbereit, gefüttert. Schwarze Menschen werden durch diese kulturell-rassistische Darstellung abgewertet.
Er kenne die Rassismusvorwürfe aus den Niederlanden und meint, dass „wir in Deutschland verlernen, das Unwichtige vom Wichtigen zu trennen“, so Geldmann.
Auch beim SV Hullern kamen am 6. Dezember der Nikolaus und sein Begleiter zu Besuch. Regina Bücker hilft schon seit vielen Jahren bei der Organisation. „Ich kenne diese Rassismus-Diskussion nicht“, sagt die Halternerin. „Ich finde es viel wichtiger, wie die Eltern ihren Kindern diese Tradition vermitteln.“
„Es kommt auf die Vermittlung an“
Wenn man dem Kind erzähle, dass das eine böse Figur sei, dann sei doch klar, dass die Kinder Angst kriegen. „Für meine Kinder war der Knecht Ruprecht trotz allem eine liebe Figur“, so Bücker. Es sei wichtig, dass man die Kinder im Nachgang betreue, wenn sie Angst bekämen, damit sie nicht verstört werden.
So hält die Organisatorin trotz der Rassismuskritik an der Tradition fest: „Insofern es möglich ist, werden wir im nächsten Jahr wieder einen Nikolausabend organisieren und dazu auch seinen Begleiter in gewohnter Tradition einladen.“
Auch beim Schützenverein Bossendorf wird die Tradition aufrechterhalten. „Bei unserer Nikolausfeier waren neben dem Nikolaus zwei Knechte Ruprecht sowie zwei Engel dabei“, erzählt Horst Seeland, erster Vorsitzender des Vereins. „Der Knecht Ruprecht hat ein Märchen vorgelesen und wird nicht dafür benutzt, um den Kindern Angst zu machen“, erklärt der Halterner.
Er selbst kenne die Diskussion um das schwarz angemalte Gesicht und ordne die Tradition dennoch nicht als rassistisch ein. „Wenn einer einen Vollbart trägt, gilt er ja auch nicht als rassistisch“, meint Seeland im Gespräch mit der Redaktion.
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